CC BY-NC-ND 4.0 · Dtsch Med Wochenschr 2022; 147(21): e102-e113
DOI: 10.1055/a-1918-6407
Originalarbeit

Allgemeine Palliativversorgung im Krankenhaus während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie

Generalist palliative care in hospitals during the first wave of the COVID-19 pandemic
Liane Werner
1   Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Deutschland
,
Marius Fischer
1   Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Deutschland
,
Birgitt van Oorschot
1   Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Deutschland
,
Anke Ziegaus
1   Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Deutschland
,
Jacqueline Schwartz
2   Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, Deutschland
,
Marie-Christine Reuters
2   Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, Deutschland
,
Manuela Schallenburger
2   Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, Deutschland
,
Tanja Henking
6   Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Institut für Angewandte Sozialwissenschaften (IFAS), Würzburg
,
Silke Neuderth
6   Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Institut für Angewandte Sozialwissenschaften (IFAS), Würzburg
,
Steffen Simon
4   Zentrum für Palliativmedizin und Centrum für Integrierte Onkologie Aachen Bonn Cologne Düsseldorf (CIO ABCD), Universitätsklinikum Köln, Köln, Deutschland
,
Claudia Bausewein
5   Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin, LMU-Klinikum München, Deutschland
,
Carmen Roch
1   Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Deutschland
,
Martin Neukirchen
2   Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, Deutschland
3   Klinik für Anästhesie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, Deutschland
,
für die PallPan-Forschungsgruppe › Author Affiliations
Supported by: Die Studie wurde über das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert
 

Zusammenfassung

Einleitung Im Forschungsverbund deutscher universitärer Palliativzentren (PallPan) im Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) wurden Handlungsempfehlungen für die Versorgung von Schwerkranken und Sterbenden in Pandemiezeiten erarbeitet. Dazu wurden auch die Erfahrungen und Bedürfnisse von patientennah tätigen Mitarbeitenden im Krankenhaus außerhalb von spezialisierten Palliativstationen während der 1. Welle der COVID-19-Pandemie untersucht.

Methode Bundesweite Online-Befragung von 8882 akutstationär tätigen Ärzt*innen, Pflegenden und Therapeut*innen im Zeitraum von Dezember 2020 bis Januar 2021 mittels eines neu entwickelten und pilotierten Fragebogens zu Veränderungen, Belastungen und zur Zusammenarbeit mit der spezialisierten Palliativmedizin. Gruppenbildung anhand der Veränderungen der Anzahl von Schwerkranken und Sterbenden in der ersten Welle der Pandemie. Aufgrund des explorativen Charakters der Studie wurden die Daten deskriptiv analysiert.

Ergebnisse 505/8882 vollständig bearbeitete Fragebögen wurden ausgewertet (5,7 %). 167/505 (33,1 %) der Befragten berichteten über eine verschlechterte Versorgungsqualität von Schwerkranken und Sterbenden. 464/505 (91,8 %) berichteten über Ausnahmeregelungen für Besuche von Sterbenden. Der meistgenannte Belastungsfaktor war die wahrgenommene Vereinsamung der Schwerkranken und Sterbenden 437/505 (86,5 %), gefolgt von den verschärften Hygieneregeln 409/505 (81 %), der erhöhten Arbeitsbelastung 372/505 (73,3 %) und der wahrgenommenen psychischen Belastung von Angehörigen und Hinterbliebenen 395/505 (78,2 %). Tablet-PCs zur Unterstützung der Patienten-Angehörigen-Kommunikation wurden von 141/505 (27,9 %) der Befragten genutzt. 310/505 (61,4 %) des in die Patientenversorgung involvierten palliativmedizinischen Fachpersonals und 356/505 (70,5 %) der Befragten hielten weitere palliativmedizinische Angebote für hilfreich.

Folgerung Die Erfahrungen und Vorschläge zur Verbesserung der Palliativversorgung in Pandemiezeiten sind in die PallPan-Handlungsempfehlungen integriert. Angehörigenbesuche sollten ermöglicht und um digitale Angebote erweitert werden. Palliativversorgung sollte in Pandemie- und Krisenpläne integriert werden.


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Abstract

Background In the research network of German university palliative care centers (PallPan), as part of Network University Medicine (NUM), recommendations for action were developed in regard to the care provided for seriously ill and dying patients during a pandemic. For this purpose, the experiences and needs of hospital staff working closely with patients outside of specialized palliative care units during the first wave of the COVID-19 pandemic were also examined.

Materials and methods Nationwide online survey of 8,882 physicians, nurses and therapists working in acute inpatient care in the period from December 2020 to January 2021 by means of a newly developed and piloted questionnaire on changes, burdens and cooperation with specialized palliative care. Grouping based on the changes in the number of seriously ill and dying people in the first wave of the pandemic. Due to the exploratory character of the survey, the data were analyzed descriptively.

Results 505/8882 completed questionnaires were evaluated (5.7 %). 167/505 (33.1 %) of the respondents reported a lower quality of care for the critically ill and dying. 464/505 (91.8 %) reported exemptions in place for visiting the dying. The most frequently mentioned stress factor was the perceived loneliness of the seriously ill and dying 437/505 (86.5 %), followed by stricter hygiene rules 409/505 (81 %), increased workload 372/505 (73.3 %) and perceived psychological stress on relatives and survivors 395/505 (78.2 %). 141/505 (27.9 %) of respondents used Tablet PCs to support patient-family communication. 310/505 (61.4 %) involved palliative care professionals in patient care, and 356/505 (70.5 %) of respondents found other palliative care services helpful.

Conclusion Experiences and suggestions for improving palliative care in pandemic times are integrated into the PallPan recommendations for action. Family visits should be allowed and supplemented by digital offers. Palliative Care should also be integrated into both pandemic and contingency plans.


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Einleitung

Die COVID-19-Pandemie stellt gerade für die Begleitung von schwerkranken und sterbenden Patient*innen im Krankenhaus eine immense Herausforderung dar. Auch wenn der Umgang mit Palliativpatient*innen sowie mit Sterben und Tod dort vielfach zum Alltag gehört, so ist davon auszugehen, dass die Versorgung dieser Patientengruppe in einer Pandemie durch einen Anstieg der Fälle, Besuchsrestriktionen sowie Schutz- und Isolationsmaßnahmen schwieriger ist als zuvor. Die Zusammenarbeit mit der spezialisierten Palliativmedizin ist erschwert, der entlastende kollegiale Austausch in Pausen fehlt [1]. Im Forschungsverbund Palliativversorgung in Pandemiezeiten (PallPan) des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM, www.netzwerk-universitaetsmedizin.de) führten universitäre Palliativzentren insgesamt 16 Studien als Basis für die Entwicklung einer Nationalen Strategie zur Versorgung von schwerkranken und sterbenden Menschen und ihren Angehörigen in einer Pandemie durch [2]. Um den Einfluss und die Herausforderungen durch die Pandemie sowie Lösungsansätze von Mitarbeitenden und Betroffenen zu erfassen, wurden qualitative und quantitative Studien durchgeführt, Pandemiepläne analysiert und Krisenstäbe befragt.

Ziel der hier vorliegenden Studie war die Beschreibung von Veränderungen, Belastungen und der gewünschten Unterstützung für die Versorgung von Schwerkranken, Sterbenden und deren Angehörige außerhalb von spezialisierten Palliativstationen in der allgemeinen stationären Palliativversorgung während der 1. Welle der Pandemie im März und April 2020. In der Annahme, dass Mitarbeitende in Kliniken, in denen mehr Schwerkranke und Sterbende als vor der Pandemie versorgt wurden, besondere Belastungen erlebten und evtl. auch andere Unterstützungsbedürfnisse hatten, wurden entsprechende Subgruppen gebildet. Die Ergebnisse dieser Befragung flossen, ebenso wie die Ergebnisse der anderen Studien und Analysen, in die PallPan-Handlungsempfehlungen der Nationalen Strategie ein [3].


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Methoden

Es wurde eine webbasierte Umfrage mit einem neu entwickelten Online-Fragebogen bei patientennah tätigen Mitarbeitenden in deutschen Krankenhäusern, außerhalb von Palliativstationen, durchgeführt. Die Studie ist beim Deutschen Register für Klinische Studien (DRKS) registriert (ID: DRKS00 023 591) ein positives Ethikvotum der Ethikkommission der Universität Würzburg liegt vor (AZ 2020 071 503). Um den Fragebogen zu beginnen, war die Zustimmung zum Datenschutzkonzept notwendig. Ein Abbruch der Teilnahme war vor Absenden des Fragebogens jederzeit möglich.

Erhebungsinstrument

Unter Berücksichtigung der Literatur [4–10] und der ersten Ergebnisse des qualitativen Forschungsteils mit derselben Zielgruppe [2] [11] wurde ein eigener Fragebogen entwickelt. Neben soziodemografischen und tätigkeitsbezogenen Angaben umfasste er die Themenfelder Veränderungen der Belegung und der Versorgungsqualität, getätigte Abwägungen hinsichtlich Infektionsschutz, Lebensqualität/Sterbequalität und Angehörigenbedürfnisse, Belastungsfaktoren der Mitarbeitenden sowie zur Zusammenarbeit mit der spezialisierten Palliativmedizin. In der Endversion nach Pilotierung enthielt der Fragebogen 34 Fragen bei einer Bearbeitungsdauer von ca. 30 Minuten. Die Teilnehmenden konnten mittels Likert-Skalen, Einfach-/Mehrfachantworten und teilweise an Filterfragen anschließende Folgefragen ihre Zustimmung oder Ablehnung äußern. Um möglichst vollständige Datensätze zu generieren, waren die Fragen als „Pflichtfragen“ definiert – das Fortführen der Befragung war von der Beantwortung der Fragen abhängig, bei Mehrfachantworten genügte das Ankreuzen einer Antwortoption um fortzufahren.

Vgl. Zusatzmaterial „Fragebogen“


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Datenerhebung und Stichprobe

Bundesweit wurden stratifiziert nach regionalen Inzidenzen (Angabe pro 100 000 Einwohner: niedrig 0–100/mittel 101–500/hoch 501–2000; Lagebericht des RKI vom 20.05.2020) 191 (100 %) Kliniken für die Befragung ausgewählt, darunter 15/191 (7,9 %) universitäre und 176/191 (92,1 %) nicht universitäre Einrichtungen. Die E-Mail-Adressen der Mitarbeitenden wurden über die Internetseiten der Kliniken ermittelt. In die Befragung eingeschlossen wurden 10 357 (100 %) Personen, darunter 7303 Ärzt*innen (70,5 %), 1324 Pflegende (12,8 %), 1730 (16,7 %) weitere (therapeutische) Berufsgruppen, z. B. Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen, Seelsorger*innen, Logopäd*innen, Physio-, Atem- und Ergotherapeut*innen. Die Tätigkeit auf einer spezialisierten Palliativstation wurde aufgrund der definierten Zielgruppe der allgemeinen stationären Palliativversorgung als Ausschlusskriterium definiert. Bei einem Pre-Test mit 15 Personen außerhalb der späteren Befragungsgruppe wurde der Fragebogen in Bezug auf Durchführung, Lesbarkeit und Verständlichkeit überprüft. Der daraufhin angepasste Fragebogen wurde im Anschluss als Online-Umfrage mit personalisiertem Link über die Plattform UniPark versandt (Befragungszeitraum 01.12.20–20.01.21 incl. 2 Erinnerungsmails).


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Datenauswertung

Die Datenauswertung erfolgte mit SPSS 26.0. Für die Subgruppenanalyse wurden 2 Gruppen gebildet. Der „Gruppe A“ wurden die Befragten zugeordnet, die über eine Zunahme der Anzahl von Schwerkranken und Sterbenden in ihrem Tätigkeitsbereich berichteten („mehr geworden“ und „erheblich mehr geworden“). Die übrigen Befragten bildeten zusammengefasst die „Gruppe B“. Bei diesen war die Anzahl Schwerkranker und Sterbender „gleichgeblieben“, „weniger geworden“ oder „erheblich weniger geworden“. Die beiden Gruppen wurden hinsichtlich der erhobenen Parameter „Veränderungen der Belegung und der Versorgungsqualität“, „getätigte Abwägungen zwischen Infektionsschutz und Lebens-/Sterbequalität“ und „Angehörigenbedürfnissen“, sowie in punkto „Belastungsfaktoren und Zusammenarbeit“ verglichen. Auf Grund des explorativen Charakters der Studie wurde auf eine Korrektur des Fehlers 1. Art verzichtet. Die Daten wurden deskriptiv analysiert (Häufigkeiten, Mittelwerte); inferenzstatistisch wurden Zusammenhänge mittels Chi²-Test und Fischers Exaktem Test geprüft. Das Signifikanzniveau wurde auf < 0,05 festgelegt. Die Ergebnisse wurden nach Gaus et. al. explorativ interpretiert. [12]

Durch die Beantwortungspflicht lagen die Einzelfragen der fertig bearbeiteten Fragebögen vollständig, ohne fehlende Werte, vor. Unterschiedliche n-Angaben bei Items von Fragen mit Mehrfach-Antwortmöglichkeit oder Filterfragen sind auf die Zählweise zurückzuführen. Es wurden nur die angekreuzten Antwortoptionen gezählt. Nicht ausgewählte Antwortmöglichkeiten und die Antwortoption „nicht beurteilbar“ wurden nicht berücksichtigt.


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Ergebnisse

Fragebogenrücklauf

Von den 10 357 (100 %) versendeten E-Mails wurden 8882 (85,8 %) erfolgreich zugestellt. 878/8882 Personen klickten den Link an (Ansichtsrate 9,9 %), darunter 35/8882 (0,4 %) Teilnehmende, die auf eigenen Wunsch aus dem Adresspool entfernt wurden und 60/8882 (0,7 %) Teilnehmende, die aufgrund mangelnden Vertrauens in das Datenschutzkonzept die Teilnahme ablehnten. 783/8882 Angefragte bearbeiteten den Fragebogen (Rekrutierungsrate 8,8 %). 550/8882 Teilnehmer (6,2 % der zugestellten Nachrichten), entsprechend 550/783 (70,2 % Abschlussquote) Befragte bearbeiteten nach informierter Einwilligung den Fragebogen bis zum Ende. 20/8882 (0,2 %) Teilnehmende, die ohne Einladung an der Studie teilgenommen hatten, wurden wegen ihrer Tätigkeit auf einer spezialisierten Palliativstation ausgeschlossen. 25/8882 (0,3 %) weitere beantworteten die Frage nach Veränderungen in der Anzahl Schwerkranker und Sterbender nicht, sodass letztlich 505/8882 Fragebögen (5,7 %) ausgewertet wurden.


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Beschreibung der Stichprobe

Die 505 Teilnehmenden mit einem mittleren Alter von 47,5 Jahren wurden, aufgeteilt in 2 Gruppen, miteinander verglichen. 255/505 (50,5 %) der Befragten berichteten, dass die Anzahl Schwerkranker und Sterbender (erheblich) mehr geworden sei (= Gruppe A), 224/505 (44,4 %) berichteten eine annähernd gleiche Anzahl und 26/505 (5,1 %) berichteten, dass im Bezugszeitraum (erheblich) weniger Schwerkranke und Sterbende versorgt wurden (= beide zusammen in Gruppe B) ([Tab. 1]) 281/505 (55,6 %) der Befragten waren Ärzt*innen und 286/505 (56,6 %) waren an einem Klinikum der Maximalversorgung tätig. Befragte der Gruppe A waren häufiger als die der Gruppe B in Hotspot-Regionen tätig (151/255 (59,2 %) vs. 116/250 (46,4 %)) und versorgten häufiger COVID-19-Patient*innen im eigenen Tätigkeitsbereich (194/255 (76,1 %) vs. 155/250 (62,0 %), p < 0,001). 108/505 (21,4 %) verfügten über die Zusatzqualifikation Palliativmedizin.

Tab. 1

Stichprobenbeschreibung, unterteilt nach der Anzahl der zu versorgenden Schwerkranken und Sterbenden (Gruppe A „mehr geworden“ vs. Gruppe B: „im Wesentlichen unverändert“ und „weniger geworden“).

Gruppe A

(mehr Schwerkranke/Sterbende; n = 255)

Gruppe B

(gleich/weniger Schwerkranke/Sterbende; n = 250)

Gesamt

(N = 505)

p-Wert

Alter

 0,040

Mittelwert

 47,2

 47,9

 47,5

Standardabweichung

  9,43

  9,52

  9,47

Geschlecht

 0,079

weiblich

141 (55,3)

121 (48,4)

262 (51,9)

männlich

114 (44,7)

126 (50,4)

240 (47,5)

divers

  0 (0,0)

  3 (1,2)

  3 (0,6)

Berufsgruppen

 0,743

Ärzt*innen

146 (57,3)

135 (54,0)

281 (55,6)

Pflegende

 50 (19,6)

 51 (20,4)

101 (20,0)

Therapeutische Berufsgruppen

 59 (23,1)

 64 (25,6)

123 (24,4)

Zusatzqualifikation Palliativmedizin/Palliative Care

 0,105 F

vorhanden

 47 (18,4)

 61 (24,4)

108 (21,4)

Versorgungsstufe

 0,100

Max.-Versorgung Uniklinik

 95 (37,3)

 82 (32,8)

177 (35,0)

Sonstige Max.-Versorgung

 56 (22,0)

 53 (21,2)

109 (21,6)

Regel- und Grundversorgung

 44 (17,3)

 68 (27,2)

112 (22,2)

Schwerpunktversorgung/Fachklinik

 58 (22,7)

 45 (18,0)

103 (20,4)

nicht beurteilbar

  2 (0,8)

  2 (0,8)

  4 (0,8)

COVID-19-Betreuung im Tätigkeitsbereich

< 0,001

ja

194 (76,1)

155 (62,0)

349 (69,1)

nein

 32 (12,5)

 76 (30,4)

108 (21,4)

nicht beurteilbar

 29 (11,4)

 19 (7,6)

 48 (9,5)

Hotspot

 0,040

ja

151 (59,2)

116 (46,4)

267 (48,5)

nein

114 (44,7)

140 (56)

254 (46,2)

nicht beantwortet

  3 (1,2)

 10 (4)

 13 (2,4)

Legende: Angaben in absoluten Zahlen und Prozenten, Chi2 nach Pearson oder Exakter Test nach Fisher (F), Exakte Signifikanz (zweiseitig); Mittelwert und Standardabweichung, Altersvergleich mittels zweiseitigem t-Test. Mehrfachantworten möglich bei Hotspot-Frage, Prozentzahlen über 100 % auf n = 505 bezogen.


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Veränderungen und Abwägungen

167/505 (33,1 %) berichteten über eine verschlechterte Versorgungsqualität für Schwerkranke und Sterbende, signifikant häufiger innerhalb der Gruppe A (98/255 (38,4 %) vs. 69/250 (27,6 %); p = 0,014). Abwägungen zwischen Infektionsschutz und Patienten-/oder Angehörigen-bezogenen Belangen waren in der Gesamtstichprobe häufig (264/502 (52,6 %) bzw. 407/503 (80,9 %)) und wurden signifikant häufiger von Befragten der Gruppe A berichtet. 313/505 (62,0 %) der Befragten fanden die Abwägungen angemessen ([Tab. 2]).

Tab. 2

Veränderungen und Abwägungen, unterteilt nach der Anzahl der zu versorgenden Schwerkranken und Sterbenden (Gruppe A „mehr geworden“ vs. Gruppe B: „im Wesentlichen unverändert“ und „weniger geworden“).

Gruppe A

(mehr Schwerkranke/Sterbende, n = 255)

Gruppe B

(gleich/weniger Schwerkranke/Sterbende; n = 250)

Gesamt

(n = 505)

p-Wert

Veränderungen

Belegung

< 0,001

mehr/erheblich mehr

124 (48,6)

 36 (14,4)

160 (31,7)

gleich geblieben

 48 (18,8)

 92 (36,8)

140 (27,7)

weniger/erheblich weniger

 75 (29,4)

117 (46,8)

192 (38,0)

nicht beurteilbar

  8 (3,1)

  5 (2,0)

 13 (2,6)

Qualität der Versorgung von Schwerkranken und Sterbenden

 0,014

verbessert/erheblich verbessert

 15 (5,9)

 10 (4,0)

 25 (5,0)

gleich geblieben

132 (51,8)

165 (66,0)

297 (58,8)

verschlechtert/erheblich verschlechtert

 98 (38,4)

 69 (27,6)

167 (33,1)

nicht beurteilbar

 10 (3,9)

  6 (2,4)

 16 (3,2)

Abwägungen

Infektionsschutz vs. Lebensqualität

n = 251

n = 248

n = 499

 0,001

sehr häufig/häufig

172 (68,5)

137 (55,2)

309 (61,9)

selten

 41 (16,3)

 58 (23,4)

 99 (19,8)

nie

 12 (4,8)

 33 (13,3)

 45 (9,0)

nicht beurteilbar

 26 (10,4)

 20 (8,1)

 46 (9,2)

Infektionsschutz vs. Sterbequalität

n = 253

n = 249

n = 502

< 0,001

sehr häufig/häufig

164 (64,8)

100 (40,2)

264 (52,6)

selten

 50 (19,8)

 76 (30,5)

126 (25,1)

nie

 13 (5,1)

 46 (18,5)

 59 (11,8)

nicht beurteilbar

 26 (10,3)

 27 (10,8)

 53 (10,6)

Infektionsschutz vs. Angehörigenbedürfnisse

n = 254

n = 249

n = 503

 0,033

sehr häufig/häufig

212 (83,5)

195 (78,3)

407 (80,9)

selten

 19 (7,5)

 28 (11,2)

 47 (9,3)

nie

  6 (2,4)

 16 (6,4)

 22 (4,4)

nicht beurteilbar

 17 (6,7)

 10 (4,0)

 27 (5,4)

Angemessenheit der Abwägungen

n = 255

n = 250

n = 505

 0,114

ja

147 (57,6)

166 (66,4)

313 (62,0)

nein

 63 (24,7)

 52 (20,8)

115 (22,8)

nicht beurteilbar

 45 (17,6)

 32 (12,8)

 77 (15,2)

Legende: Angabe in absoluten Zahlen; Prozentwerte innerhalb der Gruppe zur Veränderung der Anzahl Schwerkranker und Sterbender, Chi2 nach Pearson.


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Versorgungsstruktur für Sterbende und Unterstützung von Angehörigen

464/505 (91,8 %) der Befragten berichteten über Lockerungen des Besuchsverbotes, sodass Angehörige mittels Ausnahmeregelungen Sterbende besuchen konnten. 141/505 (27,9 %) berichteten über die Bereitstellung von Tablet-PCs zur Unterstützung der Patienten-Angehörigen-Kommunikation, darunter signifikant häufiger Befragte der Gruppe A (91/255 (35,7 %) vs. 50/250 (20 %), p < 0,001). Als Unterstützung von Angehörigen beim Abschiednehmen wurden von 352/500 (70,4 %) am häufigsten „religiöse Rituale und Gespräche“ genannt, gefolgt von strukturierten Gesprächsangeboten seitens der Ärzt*innen 328/504 (65,1 %) und psychologischen bzw. psychotherapeutischen Gesprächsangeboten 293/501 (58,5 %). 103/496 (20,8 %) der Befragten berichteten über die Möglichkeit der Begleitung durch Hospiz-Ehrenamtliche. Die meisten der genannten Angebote waren bereits im Vorfeld der Pandemie etabliert. Insgesamt wurden häufiger Angebote ausgesetzt als neue Unterstützungsangebote geschaffen – dies sowohl in der Gruppe A wie auch in der Gruppe B ([Tab. 3]).

Tab. 3

Versorgungsstruktur für Sterbende und Unterstützung von Angehörigen beim Abschiednehmen, unterteilt nach der Anzahl der zu versorgenden Schwerkranken und Sterbenden (Gruppe A „mehr geworden“ vs. Gruppe B: „im Wesentlichen unverändert“ und „weniger geworden“).

Gruppe A

(mehr Schwerkranke/Sterbende)

Gruppe B

(gleich/weniger Schwerkranke/Sterbende)

Gesamt

p-Wert

Ausnahmeregelungen für Besuche

n = 255

n = 250

n = 505

 0,189

ja, nur COVID-19-neg. Sterbende

 54 (21,2)

 73 (29,2)

127 (25,1)

ja, nur COVID-19-pos. Sterbende

  3 (1,2)

  1 (0,4)

  4 (0,8)

ja, beide Patient*innengruppen

178 (69,8)

155 (62,0)

333 (65,9)

keine Ausnahmeregelungen

  6 (2,4)

  9 (3,6)

 15 (3,0)

nicht beurteilbar

 14 (5,5)

 12 (4,8)

 26 (5,1)

Räumlichkeiten

Schutz der Privatsphäre

n = 253

n = 250

n = 503

 0,252

ja, gab es bereits zuvor

202 (79,8)

211 (84,4)

413 (82,1)

ja, wurde neu eingeführt

  2 (0,8)

  1 (0,4)

  3 (0,6)

nein, wurde ausgesetzt

 14 (5,5)

  9 (3,6)

 23 (4,6)

nein, gab es auch vorher nicht

 40 (15,7)

 24 (9,6)

 64 (12,7)

nicht beurteilbar

 24 (9,4)

 19 (7,6)

 43 (8,5)

Rooming-in von Angehörigen

n = 251

n = 245

n = 496

 0,124

ja, gab es bereits zuvor

 90 (35,9)

111 (45,3)

201 (40,5)

ja, wurde neu eingeführt

  3 (1,2)

  2 (0,8)

  5 (1,0)

nein, wurde ausgesetzt

 76 (30,3)

 70 (28,6)

146 (29,4)

nein, gab es auch vorher nicht

 58 (23,1)

 37 (15,1)

 95 (19,2)

nicht beurteilbar

 24 (9,6)

 25 (10,2)

 49 (9,9)

Nutzung eines Abschiedsraumes

n = 251

n = 250

n = 501

 0,644

ja, gab es bereits zuvor

 90 (35,9)

111 (45,3)

201 (40,5)

ja, wurde neu eingeführt

  3 (1,2)

  2 (0,8)

  5 (1,0)

nein, wurde ausgesetzt

 76 (30,3)

 70 (28,6)

146 (29,4)

nein, gab es auch vorher nicht

 58 (23,1)

 37 (15,1)

 95 (19,2)

nicht beurteilbar

 24 (9,6)

 25 (10,2)

 49 (9,9)

Bereitstellung digitaler Angebote zur Kommunikation Patient*in-Angehörige

n = 255

n = 250

n = 505

Telefone

215 (84,3)

203 (81,2)

418 (82,8)

 0,410F

Internetzugang

125 (49,0)

130 (52,0)

255 (50,5)

 0,534F

Tablet

 91 (35,7)

 50 (20,0)

141 (27,9)

< 0,001F

Videokonferenzen

 26 (10,2)

 22 (8,8)

 48 (9,5)

 0,650F

Keine besonderen Angebote

 16 (6,3)

 33 (13,2)

 49 (9,7)

 0,010F

Unterstützung von Angehörigen beim Abschiednehmen

Strukturierte Gesprächsangebote seitens der Ärzt*innen

n = 254

n = 250

n = 504

 0,383

ja, gab es bereits zuvor

164 (64,6)

160 (64,0)

324 (64,3)

ja, wurde neu eingeführt

  3 (1,3)

  1 (0,4)

  4 (0,8)

nein, wurde ausgesetzt

  7 (2,8)

  3 (1,2)

 10 (2,0)

nein, gab es auch vorher nicht

 49 (19,3)

 45 (18,0)

 94 (18,7)

nicht beurteilbar

 31 (12,2)

 41 (16,4)

 72 (14,3)

Strukturierte Gesprächsangebote seitens der Pflegenden

n = 253

n = 250

n = 503

 0,334

ja, gab es bereits zuvor

124 (49,0)

120 (48,0)

244 (48,5)

ja, wurde neu eingeführt

  3 (1,2)

  0 (0,0)

  3 (0,6)

nein, wurde ausgesetzt

 25 (9,9)

 14 (5,7)

 39 (7,8)

nein, gab es auch vorher nicht

 19 (7,5)

 28 (11,3)

 47 (9,4)

nicht beurteilbar

 28 (11,1)

 34 (13,8)

 62 (12,4)

Psychologisch/psychotherapeutische Gesprächsangebote

n = 253

n = 248

n = 501

 0,421

ja, gab es bereits zuvor

139 (54,9)

146 (58,9)

285 (56,9)

ja, wurde neu eingeführt

  5 (2,0)

  3 (1,2)

  8 (1,6)

nein, wurde ausgesetzt

 16 (6,3)

 13 (5,2)

 29 (5,8)

nein, gab es auch vorher nicht

 64 (25,3)

 49 (19,8)

113 (22,6)

nicht beurteilbar

 29 (11,5)

 37 (14,9)

 66 (13,2)

Begleitung durch Hospiz-Ehrenamtliche

n = 249

n = 247

n = 496

 0,327

ja, gab es bereits zuvor

 43 (17,3)

 57 (23,1)

100 (20,2)

ja, wurde neu eingeführt

  2 (0,8)

  1 (0,4)

  3 (0,6)

nein, wurde ausgesetzt

 49 (19,7)

 36 (14,6)

 85 (17,1)

nein, gab es auch vorher nicht

118 (47,4)

112 (45,3)

230 (46,4)

nicht beurteilbar

 37 (14,9)

 41 (16,6)

 78 (15,7)

Weitergabe von Informationen zur Trauerbegleitung (z. B. Broschüren)

n = 253

n = 248

n = 501

 0,067

ja, gab es bereits zuvor

124 (49,0)

118 (47,6)

242 (48,3)

ja, wurde neu eingeführt

  2 (0,8)

  3 (1,2)

  5 (1,0)

nein, wurde ausgesetzt

  6 (2,4)

  1 (0,4)

  7 (1,4)

nein, gab es auch vorher nicht

 88 (34,8)

 75 (30,2)

163 (32,5)

nicht beurteilbar

 33 (13,0)

 51 (20,6)

 84 (16,8)

Religiöse Rituale und Gespräche

n = 253

n = 247

n = 500

 0,161

ja, gab es bereits zuvor

180 (71,1)

171 (69,2)

351 (70,2)

ja, wurde neu eingeführt

  1 (0,4)

  0 (0,0)

  1 (0,2)

nein, wurde ausgesetzt

 25 (9,9)

 14 (5,7)

 39 (7,8)

nein, gab es auch vorher nicht

 19 (7,5)

 28 (11,3)

 47 (9,4)

nicht beurteilbar

 28 (11,1)

 34 (13,8)

 62 (12,4)

Legende: Angaben in absoluten Zahlen und Prozent, Chi2-Test nach Pearson, asymptotische Signifikanz (zweiseitig) oder Exakter Test nach Fisher (F), exakte Signifikanz (zweiseitig).


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Belastungsfaktoren

Als häufigster Belastungsfaktor wurde die wahrgenommene Vereinsamung der Patient*innen genannt 437/505 (86,5 %), gefolgt von der Belastung durch die Umsetzung verschärfter Hygieneregeln 409/505 (81,0 %), der wahrgenommenen psychischen Belastung von Angehörigen und Hinterbliebenen 395/505 (78,2 %), der erhöhten Arbeitsbelastung 372/505 (73,7 %) und der erschwerten Kommunikation mit Angehörigen 366/505 (72,5 %). Befragte der Gruppe A berichteten signifikant häufiger als Befragte der Gruppe B über Belastung durch das Leid der Schwerkranken und Sterbenden (190/225 (74,5 %) vs. 158/250 (63,2 %); p < 0,01), die erhöhte Arbeitsbelastung (209/255 (82,0 %) vs.163/250 (65,2 %); p < 0,001) und den erschwerten oder unmöglichen Abschied am Totenbett (149/255 (58,4 %) vs. 119/250 (47,7 %); p = 0,015). Belastung durch Einhalten der Abstandsregeln wurde signifikant häufiger von Befragten der Gruppe B genannt (152/250 (60,8 %) vs. 127/255 (49,8 %); p = 0,013) ([Tab. 4]).

Tab. 4

Belastungsfaktoren, unterteilt nach Anzahl der zu versorgenden Schwerkranken und Sterbenden (Gruppe A „mehr geworden“ vs. Gruppe B: „im Wesentlichen unverändert“ und „weniger geworden“).

Gruppe A

(mehr Schwerkranke/Sterbende n = 255

Gruppe B

(gleich/weniger Schwerkranke/Sterbende n = 250

Gesamt

(N = 505)

p-Wert

Belastungsfaktoren

Vereinsamung der Patient*innen

infolge der Besuchseinschränkungen

221 (86,7)

216 (86,4)

437 (86,5)

 0,930

Psychische Belastung der Schwerkranken und Sterbenden

190 (74,5)

158 (63,2)

348 (68,9)

 0,006

Psychische Belastung der Angehörigen und Hinterbliebenen

207 (81,2)

188 (75,2)

395 (78,2)

 0,104

Erhöhte Arbeitsbelastung

209 (82,0)

163 (65,2)

372 (73,7)

< 0,001

Sorge vor eigener Ansteckung

160 (62,7)

145 (58,0)

305 (60,4)

 0,276

Verschärfte Hygieneregeln

210 (82,4)

199 (79,6)

409 (81,0)

 0,431

Einhalten der Abstandsregeln

127 (49,8)

152 (60,8)

279 (55,2)

 0,013

Erschwerter/unmöglicher Abschied am Sterbe-/Totenbett

149 (58,4)

119 (47,6)

268 (53,1)

 0,015

Durchsetzung eines Besucherverbots

180 (70,6)

172 (68,8)

352 (69,7)

 0,662

Erschwerte Kommunikation mit Angehörigen

191 (74,9)

175 (70,0)

366 (72,5)

 0,218

Legende: Mehrfachantworten möglich, daher differierende Gesamtzahlen pro Antwortkategorie, Prozentwerte innerhalb der Gruppe zur Veränderung der Anzahl Schwerkranker und Sterbender, Chi2 nach Pearson, für jede Antwortkategorie separat gerechnet; n = 505.


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Zusammenarbeit mit der spezialisierten Palliativversorgung und gewünschte Unterstützung

310/505 (61,4 %) der Befragten konnten die spezialisierte stationäre Palliativversorgung (Palliativdienste oder Palliativstationen (SPV)) während der Pandemie in die Versorgung von Schwerkranken und Sterbenden einbeziehen. 152/505 (30,1 %) hingegen hatten diese Möglichkeit nicht, teilweise wurden vorbestehende Angebote pandemiebedingt ausgesetzt. Eine Mitbetreuung der COVID-19-Patient*innen am Patientenbett wurde, ebenso wie die beratende Unterstützung durch die SPV via Telefon oder Video, signifikant häufiger von der Gruppe A berichtet (94/255 (36,9 %) vs. 66/250 (26,4 %), p = 0,013 und 48/255 (18,8 %) vs. 30/250 (12,0 %), p = 0,037). 356/505 (70,5 %) der Befragten wünschten weitere Angebote der SPV – am häufigsten gewünscht wurden leicht zugängliche Informationen 245/505 (68,8 %), Fortbildungen 228/505 (64,0 %) und Kurzvorträge 156/505 (43,8 %) sowie schriftliche Handlungsanweisungen 148/505 (41,6 %) ([Tab. 5]).

Tab. 5

Zusammenarbeit mit der spezialisierten stationären Palliativversorgung (SPV) und zukünftig gewünschte Unterstützung, unterteilt nach der Anzahl der zu versorgenden Schwerkranken und Sterbenden (Gruppe A „mehr geworden“ vs. Gruppe B: „im Wesentlichen unverändert“ und „weniger geworden“).

Gruppe A

(mehr Schwerkranke/Sterbende n = 255)

Gruppe B

(gleich/weniger Schwerkranke/Sterbende; n = 250)

Gesamt

(N = 505)

p-Wert

Einbezug SPV in Versorgung

0,262

ja, bereits vor der Pandemie

142 (55,7)

162 (64,8)

304 (60,2)

ja, neu eingerichtet

  4 (1,6)

  2 (0,8)

  6 (1,2)

nein, wurde ausgesetzt

 16 (6,3)

 10 (4,0)

 26 (5,1)

nein, gab es nicht

 68 (26,7)

 58 (23,2)

126 (25,0)

nicht beurteilbar

 25 (9,8)

 18 (7,2)

 43 (8,5)

Art des Einbezugs SPV

Mitbetreuung COVID-19-Pat.

 94 (36,9)

 66 (26,4)

160 (31,7)

 0,013F

Mitbetreuung übrige Pat.

117 (45,9)

116 (46,4)

233 (46,1)

 0,929F

Tel./Video COVID-19-Pat.

 48 (18,8)

 30 (12,0)

 78 (15,4)

 0,037F

Tel./Video übrige Pat.

 44 (17,3)

 33 (13,2)

 77 (15,2)

 0,218F

nicht beurteilbar

108 (42,4)

114 (45,6)

222 (44,0)

 0,259F

Verlegung Palliativstation

 0,046

ja, war möglich

119 (46,7)

144 (57,6)

263 (52,1)

nein, nicht möglich

 92 (36,1)

 74 (29,6)

166 (32,9)

nicht beurteilbar

 44 (17,3)

 32 (12,8)

 76 (15,0)

Weitere SPV-Angebote hilfreich

 0,096

ja

169 (66,3)

187 (74,8)

356 (70,5)

nein

 42 (16,5)

 28 (11,2)

 70 (13,9)

nicht beurteilbar

 44 (17,3)

 35 (14,0)

 79 (15,6)

Hilfreiche zusätzliche SPV-Angebote

n = 169

n = 186

n = 356

Videovisiten

 65 (38,5)

 55 (29,4)

120 (33,7)

 0,074F

Thematische Kurzvorträge

 72 (42,6)

 84 (44,9)

156 (43,8)

 0,670F

Fortbildungen

102 (60,4)

126 (67,4)

228 (64,0)

 0,185F

Leicht zugängliche Informationen

117 (69,2)

128 (68,4)

245 (68,8)

 0,909F

Schriftliche Handlungsanweisungen

 70 (41,4)

 78 (41,7)

148 (41,6)

> 0,999F

Legende: Mehrfachantworten teilweise möglich, Angaben in absoluten Zahlen und Prozent, asymptotische Signifikanz (zweiseitig), Chi2-Test nach Pearson oder Exakter Test nach Fisher (F), Exakte Signifikanz (zweiseitig); Berechnung erfolgte pro Antwortkategorie.


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Diskussion

In der vorliegenden Studie wurden unseres Wissens nach erstmals patientennah tätige Mitarbeitende verschiedener Berufsgruppen in deutschen Krankenhäusern zur allgemeinen Palliativversorgung während der COVID-19-Pandemie befragt. Die Studie zeigt, dass die Sterbebegleitung, unabhängig von der Zunahme der Anzahl schwerkranker und sterbender Patient*innen, durch eine Vielzahl von Herausforderungen und Belastungen geprägt war. Die Ergebnisse der PallPan-Forschungsprojekte sind in den Handlungsempfehlungen vor dem Hintergrund der internationalen Literatur aufgearbeitet [3]. Um den Anschluss herzustellen, knüpft die Diskussion der Ergebnisse dieser Studie an die Themenfelder der Handlungsempfehlungen an (HE 1–33 in [3]).

Patient*innen und Angehörige unterstützen (HE 1–19 in [3])

Die überwiegende Mehrheit der Befragten berichtete über Ausnahmeregelungen für Angehörigenbesuche in der Sterbephase. Die ärztliche Einschätzung „sterbend“ war in den meisten Kliniken mit Lockerungen des Besuchsverbots verknüpft, die Definition von „sterbend“ jedoch oft unklar. Wenn Sterbende im Sinne der Definition der Bundesärztekammer als „Kranke oder Verletzte mit irreversiblem Versagen einer oder mehrerer vitaler Funktionen, bei denen der Eintritt des Todes in kurzer Zeit zu erwarten ist“ diagnostiziert wurden [13], so verblieb außerhalb von Intensivstationen kaum ein realistisches Zeitfenster für Besuche vor dem Versterben.

In der vorliegenden Umfrage hielt jeder 5. Befragte die Abwägungen zwischen Infektionsschutz und der Lebens-/Sterbequalität bzw. den Bedürfnissen der Angehörigen nicht für angemessen. Würden Besucher oder Begleitpersonen auch zu Therapieziel-Findungsgesprächen zugelassen – sofern digital-gestützte Alternativen nicht sinnvoll oder umsetzbar sind – könnte dies auch zu einer positiveren Einschätzung der Angemessenheit von Abwägungen führen.

Auch der Abschied von Verstorbenen sollte ermöglicht werden (HE 17–19 in [3]). Sollte dies im Krankenhaus aufgrund von Hygienevorschriften, der Personalsituation oder der Raumsituation nicht möglich sein – immerhin 146/501 (29,4 %) der hier Befragten berichteten von der ausgesetzten Nutzung eines vorbestehenden Abschiedsraums – so sei darauf hingewiesen, dass auch im Lockdown der COVID-19-Pandemie das Abschiednehmen von infizierten sowie von nicht infizierten Verstorbenen über Bestatter*innen ermöglicht wurde (HE 17 in [3]). Diese Option kann Krankenhausmitarbeitende im Umgang mit Hinterbliebenen entlasten.

Im Lockdown der Pandemie wurden Angehörige und Hinterbliebene im Krankenhaus überwiegend von den Mitarbeitenden beim Abschiednehmen unterstützt. Vorbestehende Unterstützungsangebote wurden vielmals ausgesetzt, ohne Kapazitäten, um neue Angebote zu etablieren. Es ist bemerkenswert, dass in der vorliegenden Befragung „religiöse Rituale und Gespräche“ als häufigstes vorhandenes Unterstützungsangebot genannt wurden 351/500 (70,2 %). Institutionalisierte Krankenhaus-Seelsorge, die in Übergangssituationen allen Betroffenen, unabhängig von der Religionszugehörigkeit, zur Verfügung steht, scheint gut etabliert zu sein und sollte weiterhin wertgeschätzt werden. 100/496 (20,2 %) Befragten berichteten auch über die vorhandene Möglichkeit der Begleitung durch Hospiz-Ehrenamtliche, weitere 85/496 (17,1 %) berichteten, dass dieses vorbestehende Angebot ausgesetzt wurde. Dies ist bedauerlich, denn Hospiz-Ehrenamtliche können die hauptamtlich Mitarbeitenden entlasten, wesentlich zur Vermeidung von Vereinsamung der Sterbenden beitragen und auch ggfs. digital-gestützt Nähe ermöglichen. Innovative Ansätze der Hospizbegleitung finden sich u. a. in HE 11 in [3].

Digitale Angebote wie Tablet-PCs 141/505 (27,9 %), und Videokonferenzen 48/505 (9,5 %) waren eher selten. Es bleibt offen, inwieweit diese Angebote in der Pandemie neu eingeführt wurden, ob sie für die Patient*innen kostenpflichtig waren und inwieweit kognitiv oder körperlich eingeschränkte Patient*innen und Angehörige bei der Inanspruchnahme unterstützt wurden. Studien zeigen, dass video-gestützte Familiengespräche bei entsprechender Schulung, Vorbereitung und Durchführung mit geringem zusätzlichem personellen Aufwand gut gelingen [14] [15] [16] [17], und entsprechende Gesprächsleitfäden liegen vor [14] [18] [19]. Versorgende und Verantwortungsträger in Einrichtungen sollten sicherstellen, dass für den Fall fehlender oder eingeschränkter persönlicher Kommunikation digital-gestützte Angebote proaktiv und niedrigschwellig bereitgehalten, und die Mitarbeitenden bei der Nutzung unterstützt und ggfs. geschult werden (HE 14 in [3]).


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Mitarbeitende unterstützen (HE 20–26 in [3])

Einzelne Belastungen wurden signifikant häufiger von Befragten berichtet, die mehr Schwerkranke und Sterbende als zuvor versorgten: erhöhte Arbeitsbelastung, Erleben der psychischen Belastung der Schwerkranken und Sterbenden und der erschwerte/unmögliche Abschied am Sterbe-/Totenbett. Die geschilderten Belastungen (s. [Tab. 4]) können in 2 Kategorien eingeteilt werden: Direkte eigene Belastungen (erhöhte Arbeitsbelastung, Sorge vor Ansteckung, verschärfte Hygieneregeln) und indirekte Belastungen durch die Wahrnehmung des Leids Anderer (Vereinsamung der Patient*innen, psychische Belastung der Schwerkranken und Sterbenden sowie der Angehörigen und Hinterbliebenen, Durchsetzung des Besuchsverbots gegenüber Angehörigen und erschwerte Kommunikation mit Angehörigen). Im Vergleich zu einer Befragung von stationär und ambulant tätigen Mitarbeitenden im deutschen Gesundheitswesen berichteten in unserer Studie mehr Befragte über eine Zunahme der Arbeitsbelastung (73,7 % vs. 42 % in [20]). Der Anteil der Mitarbeitenden mit Angst vor eigener Ansteckung war ebenfalls höher (60,4 % vs. 27 %). Auch wenn diese Unterschiede vermutlich auf die Selektion der Befragten zurückzuführen sind, so sollte angesichts zu erwartender unterschiedlicher Belastungsmuster immer angepasst an die Situation vor Ort reagiert werden. Konkrete Entlastungs- und Unterstützungsangebote, die auch innerhalb der Arbeitszeit genutzt werden können, werden aktuell erst in weniger als 10 % der deutschen Krankenhäuser vorgehalten [1]. Hier besteht Nachbesserungsbedarf (dazu konkret HE 24 und 25 in [3]).


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Strukturen und Angebote der Palliativversorgung unterstützen und aufrechterhalten (HE 26–33 in [3])

152/505 (30,1 %) der Befragten hatten keine Möglichkeit, palliativmedizinisches Fachpersonal in die Patientenversorgung einzubeziehen; 166/505 (32,9 %) hatten keine Verlegungsoption auf eine Palliativstation. Eine aktuelle Studie aus New York zeigt, dass insbesondere auch an COVID-19 erkrankte Sterbende selten palliativmedizinisch mitbetreut werden [21]. Strukturen der spezialisierten Palliativversorgung im Krankenhaus sollten in Pandemiezeiten erhalten bzw. vorausschauend weiter ausgebaut werden (HE 27 in [3]). Eine Analyse von 990 hochwertigen internationalen Leitlinien ergab, dass Palliativmedizin nur in einer Minderheit der Leitlinien berücksichtigt wurde – in 151 analysierten deutschen Leitlinien lag der Anteil palliativmedizinischer Inhalte unter 3 % [22]. Um die Belange von Schwerkranken und Sterbenden auch in Pandemiezeiten ausreichend berücksichtigen zu können, sollte das Thema Palliativversorgung in Strukturen und Gespräche der Bundes-/Landesregierungen und in kommunale Verwaltungen (incl. Krisenstäbe, Pandemiepläne) eingebunden sein (HE 29–33 in [3]).

Die Befragten wünschten sich mehrheitlich weitere SPV-Angebote in Form von Fortbildungen, Informationen und schriftlichen Handlungsanweisungen (s. [Tab. 5]). Die während der Pandemie publizierten Handreichungen zur Palliativversorgung von COVID-19-Patient*innen [9] [10], die PallPan-Handlungsempfehlungen sowie die im Aufbau befindliche Internetplattform gehen auf diesen Bedarf ein. Fortbildungsangebote – auch in digitaler Form – sollten ausgebaut werden. Da dies ohne personelle Ressourcen der SPV nicht realisierbar ist, sind für eine erfolgreiche Implementierung auch die Krankenhausträger, Krankenkassen und die Politik gefragt.


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Limitationen

Aus Datenschutzgründen fehlten der Forschungsgruppe Informationen über die Anzahl und die Erreichbarkeit der patientennah tätigen Mitarbeitenden in deutschen Krankenhäusern. Deshalb ist die Befragung weder für die deutsche Krankenhauslandschaft noch in Bezug auf die Mitarbeitenden bzw. einzelne Berufsgruppen repräsentativ. Im Vergleich zur üblichen Rekrutierungsrate bei einer Online-Befragung von 10–20 % [23] [24] ist die Rekrutierungsrate mit 5,7 %, bezogen auf die auswertbaren Fragebögen, niedriger als erwartet. Eine mögliche Erklärung ist der erforderliche Zeitaufwand für die Bearbeitung, ebenso wie die Durchführung der Befragung während der ressourcenbindenden 2. Welle der Pandemie. Dies mag auch einen relevanten Selektionseffekt bedingen – so ist davon auszugehen, dass eher diejenigen Beschäftigten teilnahmen, die hierfür in der „2. Welle“ zeitliche Valenzen zur Verfügung hatten – was wiederum tendenziell eine Unterschätzung, z. B. von Belastungsfaktoren, bedingen mag. Darüber hinaus sprechen Online-Befragungen oft andere Zielgruppen an als Paper-Pencil-Befragungen. Verzerrungen durch den unerwartet hohen Anteil Befragter von über 20 % mit Zusatzqualifikation „Palliativmedizin“ sind ebenfalls nicht auszuschließen. Ein relevantes Bias mag auch durch die Rückschau auf die „1. Welle“ zustande kommen, die zum einen durch Erinnerungsfehler und zum anderen durch die aktuelle Situation in der „2. Welle“ gefärbt sein mag. Die Fokussierung auf die Erfahrungen in der 1. Welle der Pandemie lässt keine Rückschlüsse auf Lerneffekte [25] und damit verbundene Verbesserungen in den folgenden Wellen zu.


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Fazit

Um der berichteten Vielzahl von Belastungen und Herausforderungen im Sinne einer pandemic preparedness gerecht zu werden, sollte die spezialisierte Palliativversorgung in Krankenhäusern vorausschauend ausgebaut werden. In Pandemiezeiten fehlen Kapazitäten, um neue Angebote und Strukturen zu etablieren. Desiderate sind insbesondere digital-gestützte Angebote zur Unterstützung der Kommunikation sowie Fortbildungen und leicht zugängliche Informationen. Palliativversorgung sollte auch in Pandemie- und Krisenpläne integriert werden, um ein würdevolles Sterben – auch in Krisenzeiten – zu ermöglichen. Der Umgang mit Sterbenden und ihren Angehörigen stellt einen Gradmesser in unserer Gesellschaft dar.

Kernaussagen
  • Die Begleitung Schwerkranker und Sterbender im Krankenhaus sowie die Unterstützung der Nahestehenden war besonders in der 1. Welle der Pandemie deutlich erschwert. Dies führte sowohl zu einer verschlechterten Versorgungsqualität als auch zu einer erhöhten Belastung für die Mitarbeitenden.

  • Um einer Vereinsamung der Patient*innen entgegenzuwirken, sollten digitale Wege zur Unterstützung der Kommunikation mit Angehörigen proaktiv und niedrigschwellig bereitgehalten werden, wenn keine persönliche Begleitung möglich ist. Eine Unterstützung durch Seelsorge und Hospiz-Ehrenamtliche sollte ermöglicht werden.

  • Die patientennah tätigen Mitarbeitenden waren bereits in der 1. Welle der Pandemie vielfältig belastet und die interdisziplinäre und multiprofessionelle Zusammenarbeit war deutlich eingeschränkt. Dem sollte zukünftig mit vorausschauender Bereitstellung von Informationen sowie personellen und materiellen Ressourcen im Sinne einer pandemic preparedness begegnet werden.

  • Unterstützung bei der Begleitung Schwerkranker und Sterbender durch Mitarbeiter der spezialisierten Palliativversorgung sollte vorausschauend ausgebaut und aufrechterhalten werden, um ein würdevolles Sterben – auch zu Krisenzeiten – zu ermöglichen.


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Einhaltung ethischer Richtlinien


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Birgitt van Oorschot
Interdisziplinäres Zentrum Palliativmedizin
Klinik für Strahlentherapie
Universitätsklinikum Würzburg
Josef-Schneider-Straße 11, B1
97080 Würzburg
Deutschland   

Publication History

Article published online:
24 October 2022

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