Diabetologie und Stoffwechsel 2022; 17(02): 109-110
DOI: 10.1055/a-1732-8870
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Kommentar zu Diabetesprävention: Reduzieren Antihypertensiva das Erkrankungsrisiko?

Contributor(s):
Stephan Jacob

Seit vielen Jahren wird immer wieder darüber diskutiert, ob Antihypertensiva mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes (DM2) assoziiert sind, und ob es einen Zusammenhang zwischen der Höhe des Blutdrucks und der Entwicklung des DM2 gibt. Im vorliegenden Paper wurde eine Metaanalyse zu dieser Fragestellung veranlasst.

Auch hier wird bestätigt, dass Antihypertensiva durchaus mit einem unterschiedlichen Risiko für die Entwicklung des DM2 in Zusammenhang gebracht werden müssen.

Überraschend auf den ersten Blick ist die Beobachtung, dass Blutdrucksenkung möglicherweise alleine das Risiko vermindert, wird doch beschrieben, dass bei einem tieferen Blutdruck das Neuauftreten des DM2 vermindert ist.

Das erscheint verwunderlich, bedenkt man, dass Betablocker und Diuretika, die den Blutdruck senken, mit einem erhöhten Risiko des DM2 assoziiert sind.

Vielmehr wird deutlich, dass die wissenschaftliche Erklärung andersherum sein könnte: schon sehr früh wurde sichtbar, dass auch normalgewichtige Menschen mit Hypertonie eine Insulinresistenz haben und dass es zwischen dem Ausmaß der Insulinresistenz und der Hyperinsulinämie einerseits und dem systolischen und diastolischen Blutdruck andererseits Zusammenhänge gibt, wie unter anderem auch die EGIR Gruppe bei Gesunden zeigen konnte [1].

In Anbetracht dieser Beobachtungen ist daher anzunehmen, dass wenn nur eine geringere Insulinresistenz und kompensatorische Hyperinsulinämie besteht, dass auch die Höhe des Blutdrucks nicht so ausgeprägt und bei guter Insulinsensitivität auch das Neuauftreten des DM2 geringer ist.

Darüber hinaus sind die Beobachtungen der erhöhten Diabetes-Inzidenz unter Betablocker und Diuretika schon lange beschrieben [2]. Es gibt sogar mehrere Untersuchungen, die die Einflüsse dieser Medikamente auf die Insulinsensitivität, z.B. gemessen im euglykämisch-hyperinsulinämischen Glucose-Clamp, untersuchten und eindeutige Veränderungen fanden [3]: Betablocker und Diuretika verschlechtern die Insulinsensitivität, während vasodilatierende Betablocker eher stoffwechselneutral sind. Weiterhin ist diese Verschlechterung der Insulinwirkung auch mit einer typischen Erhöhung der Triglyzeride und Absenkung der HDL-Spiegel assoziiert.

Dagegen haben die ACE-Hemmer und Sartane günstige Effekte zur Prävention des DM2, wie es auch unter anderem in der HOPE- und der NAVIGATOR-Studie gezeigt wurde; in letzterer war sogar prospektiv untersucht worden, ob Valsartan bei Menschen mit gestörter Glukosetoleranz das Neuauftreten des DM2 reduziert.

Neben vielen anderen Arbeitsgruppen haben auch wir klinisch mit Glucose-Clamp-Untersuchungen und in vitro (bei Zucker-Ratten) nachweisen können, dass es direkte Stoffwechselwirkungen am Skelettmuskel gibt, die sogar akut – d.h. nach einmaliger Gabe z.B. von Captopril nachweisbar sind, sowohl in vitro als auch beim Menschen [4]. Interessanterweise sind die günstigen Stoffwechseleffekte der ACE-Hemmer nur bei Insulinresistenz und nicht bei Stoffwechsel-Gesunden zu sehen!

Demzufolge sind die in dem Artikel von Narzazadeh et al. beschriebenen (un-) günstigen Effekte der Antihypertensiva auf die Diabetes-Inzidenz eine weitere Bestätigung dessen, was seit längerer Zeit immer wieder diskutiert wird, nämlich, dass die Verschlechterung der Insulinsensitivität, wie z.B. unter Betablocker-Therapie, sich auch in einer erhöhten und bei ACE-Hemmern und Sartanen in einer niedrigeren DM2-Inzidenz widerspiegelt.



Publication History

Article published online:
04 April 2022

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