Schlüsselwörter Lufttamponade - epiretinale Membran - Vitrektomie mit Membrane Peeling - intraretinale
zystoide Veränderungen
Einleitung
Epiretinale Membranen (ERM), eine Pathologie der Makula, die zu Metamorphopsien und
Sehverschlechterung führt, zeigen sich selten bei unter 60-Jährigen mit einer Prävalenzrate
von 2%, jedoch
zeigt sich ein Anstieg der Prävalenz auf 12% – 20% bei über 70-Jährigen [1 ]. Diese Zahlen entsprechen auch anderen Berichten über Prävalenzraten der ERM von
1% – 28,9% [2 ].
Ultrastrukturelle und immunhistochemische Untersuchungen von ERM konnten Hyalozyten
und Müller-Zellen eine Rolle bei der Entstehung von ERM zuordnen [3 ], [4 ]. Hyalozyten befinden sich etwa 20 – 50 µm vor der vitrealen Seite der „internal
limiting membrane“ (ILM) [5 ], und Müller-Zellen können auf
die retinale Oberfläche migrieren [6 ]. Sowohl Hyalozyten als auch Müller-Zellen haben die Fähigkeit zur Transdifferenzierung
in andere Zelltypen [6 ], [7 ]. Unter den Zellen, die in ERM gefunden wurden, befinden sich auch Myofibroblasten,
die kontraktile Eigenschaften besitzen [4 ]. Präoperative retinale Kontraktion, die durch tangentiale Kontraktion ausgelöst
wird, gehört zu den Faktoren mit positiver Assoziation in Bezug auf die postoperative
Verbesserung der Sehkraft [8 ], während präoperative intraretinale zystoide Veränderungen keine signifikanten Auswirkungen
auf die postoperative Visusverbesserung
hatten [8 ]. Unabhängig davon sind präoperative intraretinale zystoide Veränderungen ein signifikanter
Risikofaktor für die Entstehung von postoperativen
intraretinalen zystoiden Veränderungen [9 ], die ein Faktor für ein geringeres Potenzial auf eine postoperative Visusverbesserung
sind, verglichen mit Patienten ohne
diese Veränderungen [10 ], [11 ].
Die Behandlung von ERM erfolgt durch eine Vitrektomie mit Membrane Peeling, welche
die Chance auf eine Verbesserung des Visus unabhängig vom Vorhandensein einer retinalen
Kontraktion oder von
intraretinalen zystoiden Veränderungen ermöglicht. Trotzdem sollte bei der präoperativen
Planung beachtet werden, dass Veränderungen in der ellipsoiden Zone mit einer schlechteren
Visuserholung assoziiert sind [12 ], [13 ], [14 ], [15 ], [16 ], [17 ], [18 ], [19 ].
Die Verwendung von Luft als Tamponade am Ende der Operation ist ein häufig angewandter
Schritt bei der Vitrektomie mit Membrane Peeling. Leitritz et al. berichteten über
eine bessere
postoperative foveale Kontur und einen Trend für einen besseren Visus in der Gruppe
mit Lufttamponade, verglichen mit „balanced salt solution“ (BSS) [20 ]. In
unseren eigenen Publikationen konnten wir keine Hinweise auf bessere Visusergebnisse
bei Patienten (gemischte Patientengruppe mit und ohne intraretinale zystoide Veränderungen)
in der Gruppe
mit Lufttamponade verglichen mit BSS finden [9 ], [10 ]. Da die Resultate unterschiedlich zu den Ergebnissen von Leitritz et al. sind,
besteht eine Rationale für die Untersuchung eines möglichen Effektes von Lufttamponade
auf Patienten mit präoperativen intraretinalen zystoiden Veränderungen.
Das Ziel der Studie ist es, Unterschiede in den Resultaten zwischen Lufttamponade
und BSS in einer Patientengruppe mit präoperativen intraretinalen zystoiden Veränderungen
zu untersuchen.
Patienten und Methoden
In diese prospektive, randomisierte Studie wurden Patienten, die zur 23-G-Pars-plana-Vitrektomie
mit Membrane Peeling aufgrund einer ERM und intraretinalen zystoiden Veränderungen
im Zeitraum
von 2017 bis 2019 an der Augenabteilung des Hanusch-Krankenhauses Wien, Österreich,
geplant waren, eingeschlossen. Einschlusskriterien für die Studie waren
Präsenz einer ERM mit präoperativen intraretinalen zystoiden Veränderungen,
Indikation für ein Membrane Peeling aufgrund einer signifikanten Sehverschlechterung
und/oder Metamorphopsien durch die ERM und
schriftliches Einverständnis zur Teilnahme an der Studie.
Patienten mit Makulaödem aufgrund einer anderen Ursache als ERM (wie z. B. choroidale
Neovaskularisationen, diabetisches Makulaödem, retinale Venenverschlüsse, …) wurden
von der Studie
ausgeschlossen. Die Studie erfolgte im Einklang mit der Deklaration von Helsinki und
erhielt ein positives Votum durch die Ethikkommission der Stadt Wien. Das schriftliche
Einverständnis zur
Studie wurde von allen eingeschlossenen Patienten gegeben. Clinical Trials Registration:
NCT 03457584.
Nach dem Einschluss der Patienten in die Studie wurde die Randomisierung mittels Minimisierung
[21 ] durchgeführt. Die Patienten wurden den Gruppen Lufttamponade
oder BSS (1 : 1) zugeteilt, und die Randomisierung mittels Minimisierung erfolgte
nach folgenden Kriterien: präoperative intraretinale zystoide Veränderungen (Mikrozysten,
definiert durch
einen Durchmesser < 100 µm/intraretinale zystoide Veränderungen größer als Mikrozysten),
Linsenstatus (phak/pseudophak/geplante Phakovitrektomie) und bestkorrigierter Fernvisus
(DCVA
< 35 Buchstaben/35 Buchstaben oder mehr). Mikrozysten wurden definiert als intraretinale
zystoide Veränderungen mit einem maximalen Durchmesser < 100 µm.
Bei allen Patienten wurde eine 23-G-Pars-plana-Vitrektomie (23-G-PPV) mit Membrane
Peeling durchgeführt. Zur Visualisierung der ERM und ILM erfolgte eine Chromovitrektomie
mit einem auf
Trypanblau und „brilliant blue G“ basierenden Farbstoff. Die ERM wurde mit einer endgreifenden
Pinzette gepeelt. Das ILM-Peeling wurde als 2. Schritt bei Patienten mit persistierender
Fältelung der retinalen Oberfläche nach dem ERM-Peeling durchgeführt. Das Membrane
Peeling wurde mittels kontinuierlicher intraoperativer optischer Kohärenztomografie
(iOCT; Rescan 700, Carl
Zeiss Meditec AG, Deutschland) assistiert. Die Gabe von Lufttamponade am Ende der
Operation erfolgte entsprechend der Randomisierung – nur aus medizinischen Gründen
für eine postoperative
Tamponade wurde die Randomisierung „overruled“. Im Falle einer Lufttamponade wurde
ein kompletter Flüssigkeits-Luft-Tausch durchgeführt und die Patienten führten eine
„face-down“-Lagerung für
24 h durch. Die Sklerotomien wurden am Ende der Operation auf Leckage geprüft und
wenn nötig mit einer Naht verschlossen (Vicryl 8 – 0, Johnson & Johnson Medical Limited,
Maidenhead, UK).
Die OCT-Aufnahmen der Makula wurden mit einem „spectral domain“ OCT (SD-OCT; Cirrus
HD-OCT, Carl Zeiss Meditec AG, Deutschland) vor der Operation, 5 Tage und 3 Monate
nach der Operation
durchgeführt. Alle Patienten erhielten eine postoperative Behandlung mit steroidalen
und nicht steroidalen Augentropfen während des 1. postoperativen Monats.
Eine kombinierte Phakoemulsifikation mit Intraokularlinsenimplantation und 23-G-PPV
mit Membrane Peeling wurde nur im Falle einer Katarakt mit Visusbeeinträchtigung durchgeführt.
Die
Indikation zur Kataraktoperation wurde aufgrund
des Gradings der Katarakt im Vergleich zur kontralateralen Seite und
des präoperativen Visus gestellt.
Aufgrund der Randomisierung war die Anzahl der pseudophaken Patienten bei der Abschlusskontrolle
(3 Monate postoperativ) vergleichbar in beiden Gruppen.
Intraretinale zystoide Veränderungen in der Makula wurden mittels OCT diagnostiziert.
Veränderungen der retinalen Dicke wurden mit der „central subfield thickness“ des
OCT-Gerätes mit einem
Durchmesser von 1 mm und die Fovea miteinschließend gemessen. Der DCVA wurde vor der
Operation und 3 Monate postoperativ mit ETDRS-Sehtafeln (ETDRS: „Early Treatment Diabetic
Retinopathy
Study“; Precision Vision, USA) bei einer Distanz von 4 m von „masked“ Untersuchern
durchgeführt.
Vor dem Einschluss in die Studie wurde das Vorhandensein von intraretinalen zystoiden
Veränderungen anhand der ambulant durchgeführten präoperativen OCT-Aufnahmen (Spectralis
OCT, Heidelberg
Engineering, Deutschland) geprüft. Nachdem die Patienten ihr Einverständnis zur Studienteilnahme
gegeben hatten, wurden alle studienbezogenen SD-OCT-Aufnahmen im Studienzentrum mit
einem dem
iOCT technisch vergleichbaren SD-OCT (Cirrus HD-OCT, Carl Zeiss Meditec AG, Deutschland)
durchgeführt. Im Fall, dass in den ambulanten SD-OCT-Aufnahmen (Spectralis OCT) Mikrozysten
gesehen
wurden, jedoch nicht bei den präoperativen SD-OCT-Aufnahmen im Studienzentrum (Cirrus
HD-OCT), wurden die Patienten der Gruppe mit Mikrozysten zugerechnet.
Bei der Planung der Studie wurde die Fallzahlberechnung unter den folgenden Annahmen
durchgeführt:
der Effekt der Tamponade bietet eine Hypothese für bessere postoperative Resultate
bei Patienten mit ERM mit intraretinalen zystoiden Veränderungen und
die Daten, auf denen die Fallzahlberechnung basiert, zeigten einen Trend für eine
bessere Resorption von präoperativen intraretinalen zystoiden Veränderungen in der
Gruppe mit
Lufttamponade [10 ].
Um ein mögliches Bias bei der Fallzahlberechnung durch den Einfluss der Kataraktoperation
auf die Resorption von intraretinalen zystoiden Veränderungen auszuschließen, wurden
nur Patienten,
die bereits pseudophak zum Zeitpunkt der Vitrektomie mit Membrane Peeling waren, für
die Berechnung ausgewählt. Die Fallzahlberechnung erfolgte mit dem Chi-Quadrat-Test
aufgrund der nicht
metrischen Daten mit der Software BiAS (epsilon Verlag, Deutschland). Eine Resorption
von präoperativen intraretinalen zystoiden Veränderungen konnte bei 7 von 23 Patienten
in der Gruppe mit
Lufttamponade und bei 1 von 18 Patienten in der Gruppe mit BSS gesehen werden. Die
Fallzahlberechnung ergab eine Fallzahl von 44 pro Gruppe und es wurden noch 8 weitere
Patienten zugerechnet,
um mögliche Studienabbrüche durch Patienten zu kompensieren (insgesamt 96 Patienten).
Die statistische Analyse erfolgte für Mittelwert, Standardabweichung, Median, Interquartilsabstand
(IQR) und Range deskriptiv. Die Daten wurden auf Normalverteilung mittels Shapiro-Wilk-Test
und Kolmogorow-Smirnow-Test untersucht. Im Falle eine Normalverteilung wurden Mittelwert
und Standardabweichung, und sonst Median, IQR und Range berechnet. Weiterhin wurde
der t-Test für
normalverteilte Daten, und sonst der Mann-Whitney-U-Test, bei gepaarten Daten der
Wilcoxon-matched-Pairs-Test und bei nicht metrischen Daten der Fisherʼs Exact Test,
verwendet. Die
Regressionsanalyse wurde als logistische Regressionsanalyse mit Elimination der Faktoren
mit p > 0,05 durchgeführt. Ein p-Wert von < 0,05 wurde als Anzeichen für statistisch
signifikante
Unterschiede zwischen den Gruppen gewertet und bei multiplem Testen wurde zusätzlich
der Bonferroni-Test verwendet. Die statistische Analyse erfolgte mit BiAS (epsilon
Verlag,
Deutschland).
Resultate
Von den 96 Augen von 96 Patienten, die für die Studie rekrutiert wurden, hatten 85
Patienten ein vollständiges „follow-up“ und konnten in die Analyse der Resultate inkludiert
werden. Die
übrigen Patienten entschieden, nicht an der Untersuchung 3 Monate nach der Operation
teilzunehmen und mussten daher von der Analyse ausgeschlossen werden. Das mittlere
Alter der Patienten, die
in die Analyse eingeschlossen wurden, war 73 Jahre ± 6 Jahre, davon waren 46 weiblich
und 39 männlich, und 42 rechte und 43 linke Augen. Die BSS wurde bei 35 Patienten
am Ende der Operation
belassen, Lufttamponade wurde bei 47 Patienten und SF6 bei 3 Patienten am Ende der Operation appliziert ([Tab. 1 ]).
Tab. 1 Demografische Daten der Patienten.
demografische Daten
Patientenzahl/Jahre
mittleres Patientenalter
73 (± 6)
Geschlecht
46 weiblich, 39 männlich
Auge
42 rechts, 43 links
Operationsindikation
78
7
Lufttamponade/BSS/SF6
47 Luft, 35 BSS, 3 SF6
Linsenstatus
7 phak, 31 pseudophak, 47 Phakovitrektomie
Größe der intraretinalen zystoiden Veränderungen
64 Mikrozysten, 21 größere intraretinale zystoide Veränderungen
Eine idiopathische ERM (iERM) konnte bei 78 Patienten und eine ERM mit Zeichen eines
lamellären Makulaschichtforamens bei 7 Patienten, davon 3 Makulapseudoforamen, 3 ERM-Foveoschisis
und 1
atrophes lamelläres Makulaschichtforamen, diagnostiziert werden. Einer der Patienten
mit iERM benötigte eine 2. Operation aufgrund einer postoperativen Blutung in den
Glaskörperraum. Der
Patient mit einem atrophen lamellären Makulaschichtforamen entwickelte postoperativ
ein Makulaforamen, das mit einer 2. Operation mit „pedicle ILM flap transposition“
und
SF6 -Tamponade geschlossen werden konnte.
Die Randomisierung zu BSS wurde bei 5 Patienten „overruled“, wobei 3 dieser Patienten
eine zusätzliche Endolaserbehandlung und Lufttamponade und 2 eine Endolaserbehandlung
mit
SF6 -Tamponade aufgrund von peripheren Netzhautlöchern, die bei der Operation aufgefunden
wurden, erhielten. Die Randomisierung zur Lufttamponade wurde bei einem Patienten
„overruled“, der eine Endolaserbehandlung mit SF6 -Tamponade aufgrund von peripheren Netzhautlöchern erhielt. Sieben Patienten verblieben
phak nach der Operation, 31 Patienten waren
bereits pseudophak vor der Operation und bei 47 Patienten wurde eine Phakovitrektomie
mit Membrane Peeling durchgeführt.
Nach Ausschluss der Patienten, bei denen die Randomisierung „overruled“ wurde, hatten
Patienten mit BSS eine mediane Verbesserung des DCVA 3 Monate nach der Operation von
+ 16 ETDRS-Buchstaben (IQR: 8 – 22, Range: − 8 – 33), verglichen mit Patienten, die
Lufttamponade am Ende der Operation erhalten hatten, mit einer medianen Verbesserung
des DCVA 3 Monate nach
der Operation von + 13 ETDRS-Buchstaben (IQR: 8 – 17, Range: − 14 – 39). Dieser Unterschied
zwischen den beiden Gruppen ist nicht signifikant (p = 0,182; Mann-Whitney-U-Test).
Der mediane DCVA
3 Monate nach der Operation war bei Patienten mit BSS 50 ETDRS-Buchstaben (IQR: 45 – 53,
Range: 30 – 60), verglichen mit Patienten, die Lufttamponade am Ende der Operation
erhalten hatten, mit
einem medianen DCVA 3 Monate nach der Operation von 48 ETDRS-Buchstaben (IQR: 41 – 55,
Range: 5 – 38). Dieser Unterschied zwischen den beiden Gruppen ist nicht signifikant
(p = 0,447;
Mann-Whitney-U-Test). In beiden Gruppen war der postoperative DCVA signifikant gebessert,
verglichen zum präoperativen DCVA (BSS: p < 0,001; Lufttamponade: p < 0,001;
Wilcoxon-matched-Pairs-Test). Detaillierte Resultate entsprechend den Operationsindikationen
und Größen der intraretinalen zystoiden Veränderungen sind in [Tab. 2 ] dargestellt.
Tab. 2 Eine Übersicht über die mediane Verbesserung des DCVA und des postoperativen DCVA
für die Patienten mit Lufttamponade und BSS am Ende der Operation (alle
Patienten, entsprechend den Operationsindikationen und Größe der intraretinalen zystoiden
Veränderungen). Weder Lufttamponade noch BSS zeigen statistisch signifikante Unterschiede
(Mann-Whitney-U-Test).
Verbesserung der DCVA – Luft
Verbesserung der DCVA – BSS
postoperativer DCVA – Luft
postoperativer DCVA – BSS
alle Patienten
+ 13 Buchstaben, IQR 8 bis 17
+ 16 Buchstaben, IQR 8 bis 22
p = 0,2
48 Buchstaben, IQR 41 bis 55
50 Buchstaben, IQR 45 bis 53
p = 0,5
iERM-Patienten (alle)
+ 13 Buchstaben, IQR 9 bis 17
+ 16 Buchstaben, IQR 10 bis 23
p = 0,2
48 Buchstaben, IQR 42 bis 55
50 Buchstaben, IQR 45 bis 53
p = 0,4
+ 14 Buchstaben, IQR 10 bis 17
+ 16 Buchstaben, IQR 8 bis 21
p = 0,3
49 Buchstaben, IQR 43 bis 55
50 Buchstaben, IQR 47 bis 54
p = 0,6
+ 11 Buchstaben, IQR 6 bis 16
+ 19 Buchstaben, IQR 10 bis 25
p = 0,1
40 Buchstaben, IQR 15 bis 48
45 Buchstaben, IQR 43 bis 55
p = 0,2
ERM mit Zeichen eines lamellären Makulaforamens
+ 6 Buchstaben, IQR − 14 bis 10
+ 9 Buchstaben, IQR − 4 bis 18
p = 0,6
50 Buchstaben, IQR 15 bis 55
45 Buchstaben, IQR 39 bis 54
p = 1,0
Präoperative intraretinale zystoide Veränderungen waren am häufigsten nur in der inneren
nukleären Schicht der Netzhaut (68%) vorhanden. Intraretinale zystoide Veränderungen
in der äußeren
nukleären Schicht (26%) und Ganglionzellschicht (7%) waren bei den meisten Patienten
zusätzlich zu intraretinalen zystoiden Veränderungen in der inneren nukleären Schicht
vorhanden. Die
präoperativen intraretinalen zystoiden Veränderungen waren bei 75% (n = 64) Mikrozysten
und bei 25% (n = 21) größer als Mikrozysten ([Abb. 1 ] und [2 ]). Der größte Durchmesser der intraretinalen zystoiden Veränderungen war im Median
36 µm (IQR: 24 – 57; Range: 14 – 94) bei Mikrozysten und 142 µm (IQR: 132 – 197;
Range: 104 – 426) für intraretinale zystoide Veränderungen größer als Mikrozysten
und war zwischen diesen beiden Gruppen signifikant unterschiedlich (p < 0,001; Mann-Whitney-U-Test).
Abb. 1 Präoperative Mikrozysten (oberes Bild) haben das Potenzial, sich nach der Operation
zurückzubilden (unteres Bild).
Abb. 2 Präoperative intraretinale zystoide Veränderungen größer als Mikrozysten (oberes
Bild) zeigen eine Größenreduktion 3 Monate nach der Operation.
Die intraretinalen zystoiden Veränderungen (Mikrozysten oder größer) bildeten sich
bei 58% (n = 45) der Patienten mit iERM nach der Operation zurück ([Abb. 1 ]),
während neue postoperative intraretinale zystoide Veränderungen größer als Mikrozysten
(die aus präoperativen Mikrozysten entstanden sind) sich bei 5% (n = 4) der Patienten
zeigten. Patienten
mit iERM, die neue postoperative intraretinale zystoide Veränderungen größer als Mikrozysten
entwickelten, hatten eine signifikant schlechtere Verbesserung des DCVA 3 Monate nach
der Operation
(p = 0,001; Mann-Whitney-U-Test) und einen Trend für einen niedrigeren postoperativen
DCVA, allerdings nicht statistisch signifikant (p = 0,1; Mann-Whitney-U-Test). Es
zeigten sich keine
statistisch signifikanten Unterschiede in der Resorption von intraretinalen zystoiden
Veränderungen bei Patienten mit präoperativen Mikrozysten oder präoperativen intraretinalen
zystoiden
Veränderungen größer als Mikrozysten (p = 0,3; Fisherʼs Exact Test). Bei Patienten
mit einem Zeichen eines lamellären Makulaschichtforamens zeigte sich eine Resorption
von intraretinalen
zystoiden Veränderungen nur bei einem Patienten (14%) und dieser war der BSS-Gruppe
zugeordnet.
51% der Patienten (n = 43) hatten ein ERM und ILM-Peeling en bloc (die ILM wurde nicht
aktiv gepeelt, sondern löste sich spontan mit der ERM), bei 36% (n = 31) wurde das
ILM-Peeling als
2. Schritt durchgeführt und bei 13% (n = 11) erfolgte nur ein ERM-Peeling. Unabhängig
davon hatten 15% (n = 13) einen bekannten Diabetes mellitus, jedoch ohne diabetisches
Makulaödem. Die
logistische Regressionsanalyse (mit Elimination von Faktoren mit p > 0,05 und 3 zugelassenen
Prädiktoren) zeigte keinen der Faktoren (Lufttamponade, ILM-Peeling und bekannter
Diabetes
mellitus) als signifikanten Prädiktor für eine bessere Resorption von intraretinalen
zystoiden Veränderungen oder für eine postoperative Verbesserung des DCVA von 10 ETDRS-Buchstaben
oder
mehr.
Diskussion
Eine Verbesserung des DCVA und der finale DCVA waren nicht signifikant unterschiedlich
zwischen Lufttamponade und BSS, aber es zeigte sich ein Trend für eine bessere Verbesserung
des DCVA in
der Patientengruppe mit BSS.
Die ERM zählen zu den 3 häufigsten Ursachen für die Entwicklung von Mikrozysten [22 ]. Präoperative intraretinale zystoide Veränderungen (Mikrozysten oder größer)
kommen bei etwa 24% – 39% der Patienten mit ERM vor [9 ], [23 ]. Abgesehen von einer mechanischen Ursache durch ERM-bedingten Zug am Gewebe
können auch oxidativer Stress und Entzündungsmediatoren zu einem gestörten Flüssigkeitstransport
der Müller-Zellen führen, mit der Folge eines retinalen Ödems [24 ].
Die chirurgische Entfernung von ERM und damit auch des ERM-bedingten Zugs an der Netzhaut
ermöglicht bei einer überwiegenden Mehrheit der Patienten eine Verbesserung des Visus
und unabhängig
davon auch eine Rückbildung intraretinaler zystoider Veränderungen bei mehr als der
Hälfte unserer Patienten. Die Tatsache, dass eine Rückbildung der intraretinalen zystoiden
Veränderungen
nach der Operation möglich ist, bestätigt ERM als einen der Gründe für die Entwicklung
dieser intraretinalen zystoiden Veränderungen. Abgesehen von der Rückbildung kann
die Vitrektomie mit
Membrane Peeling auch neue postoperative intraretinale zystoide Veränderungen auslösen,
die bei 1% – 61% der Patienten mit iERM beschrieben sind [11 ], [25 ] – [29 ]. Diese Tatsache lässt Spekulationen über postoperative entzündliche Prozesse im
Rahmen des Heilungsverlaufes als Ursache offen.
Die Auswirkungen von intraretinalen zystoiden Veränderungen auf die postoperativen
Resultate wird kontrovers diskutiert, einige Autoren berichten, dass diese den postoperativen
Visus nicht
beeinträchtigen [25 ], [27 ], [28 ], [29 ], während andere Autoren bei
intraretinalen zystoiden Veränderungen schlechtere Visusergebnisse gesehen haben [11 ], [26 ]. In der aktuellen Studie hatten alle
eingeschlossenen Patienten präoperativ bestehende intraretinale zystoide Veränderungen
(Mikrozysten oder größer), daher konnten wir nur die Konversion von Mikrozysten zu
intraretinalen
zystoiden Veränderungen größer als Mikrozysten erfassen, mit negativem Einfluss auf
den postoperativen Visus, wie zu erwarten war.
Patienten mit iERM und Mikrozysten zeigten einen Trend für eine bessere Visusverbesserung
und einen signifikant besseren finalen DCVA verglichen mit Patienten mit intraretinalen
zystoiden
Veränderungen größer als Mikrozysten. Die postoperative Resorption von intraretinalen
zystoiden Veränderungen war nicht signifikant unterschiedlich zwischen Lufttamponade
und BSS.
Lufttamponade am Ende der Operation, ein durchaus übliches Vorgehen nach Membrane
Peeling, zeigte keinen Benefit für unsere Patienten. Vielmehr zeigte sich eher ein
Trend zu geringfügig
schlechteren DCVA-Ergebnissen in der Gruppe mit Lufttamponade. Dieses Ergebnis ist
in Übereinstimmung mit unseren früheren Resultaten [9 ], [10 ], [30 ], allerdings waren in diesen Studien das Vorhandensein oder Fehlen von intraretinalen
zystoiden Veränderungen keine Ausschlusskriterien. Im
Gegensatz zu unseren Resultaten berichteten Leitritz et al. [20 ] über einen besseren Visus in der Gruppe mit Lufttamponade, wobei auch erwähnt werden
muss, dass es
sich um eine retrospektive Studie handelt, in der eine ungleiche Verteilung der Patienten
bez. des Linsenstatus, des präoperativen Visus, der präoperativen Makuladicke und
die Präferenz der
Chirurgen zur Wahl der Tamponade ein Bias darstellen kann. Allgemein sollte bei der
Entscheidung zur Lufttamponade auch bedacht werden, dass die Akkumulierung von inflammatorischen
Zytokinen
im residualen Flüssigkeitskompartiment einen negativen Einfluss auf intraretinale
zystoide Veränderungen haben könnte.
Leider war die Zahl von Patienten mit vollständigem „follow-up“ mit 85 unter der präoperativ
berechneten Fallzahl von 88 Studienteilnehmern. Wir haben aus diesem Grund eine
Post-hoc-Fallzahlberechnung mit den Ergebnissen der Patienten mit iERM durchgeführt
und für den Parameter Resorption von intraretinalen zystoiden Veränderungen mit dem
Chi-Quadrat-Test eine
Fallzahl von 24 581 pro Gruppe (Power 80% und p = 0,05) und für den Parameter Unterschied
im DVCA bei Anwendung des Mann-Whitney-U-Tests eine Fallzahl von 315 pro Gruppe (Power
80% und
p = 0,05) berechnet. Da beide Fallzahlen zu groß für ein einzelnes Studienzentrum
sind und daher auch die zu erwartenden Unterschiede zwischen den Gruppen sehr klein
sind, haben wir
entschieden, die Zahl der Patienten in dieser Studie nicht zu erhöhen.
Eine Limitation in dieser Studie ist die kleine Zahl an Patienten mit ERM mit Zeichen
eines lamellären Makulaschichtforamens, die durch die Tatsache begründet ist, dass
an unserer Abteilung
deutlich mehr Patienten mit iERM als lamellären Makulaschichtforamina operiert werden.
Wir haben daher auch keine Subgruppenanalysen für diese Operationsindikation berechnet.
Abgesehen davon,
haben wir bei der Studienplanung zwar gewusst, dass unterschiedliche OCT-Geräte bez.
der Vermessung der Makuladicke nicht vergleichbar sind [30 ], [31 ], jedoch nicht, dass es auch Diskrepanzen bei der Beurteilung von intraretinalen
zystoiden Veränderungen geben kann. Bei der Planung der Studie haben wir ein unserem
iOCT-Gerät (Rescan 700, Carl Zeiss Meditec AG, Deutschland) technisch vergleichbares
OCT-Gerät ausgewählt (Cirrus HD-OCT, Carl Zeiss Meditec AG, Deutschland). Um jedoch
entsprechend den
ethischen Standards das Vorliegen der Einschlusskriterien für die Studie vor Einschluss
von Patienten in die Studie prüfen zu können, haben wir diese anhand der routinemäßig
in der Ambulanz
durchgeführten OCT-Befunde (Spectralis OCT, Heidelberg Engineering, Deutschland) geprüft.
Zusammenfassend konnten wir keine signifikanten Unterschiede bez. Resorption von präoperativen
intraretinalen zystoiden Veränderungen, Verbesserung des Visus und des postoperativen
DCVA
zwischen BSS und Lufttamponade nach Vitrektomie mit Membrane Peeling zur chirurgischen
Entfernung einer ERM feststellen.