Aktuelle Dermatologie 2021; 47(12): 558-561
DOI: 10.1055/a-1525-3982
Kasuistik

Spontanes Auftreten einer Prurigo pigmentosa

Spontaneous Occurrence of Prurigo pigmentosa
J. Koch
Hautklinik Lüdenscheid, Märkische Kliniken GmbH, Lüdenscheid
,
B. Pfeiff
Hautklinik Lüdenscheid, Märkische Kliniken GmbH, Lüdenscheid
,
F. Scholl
Hautklinik Lüdenscheid, Märkische Kliniken GmbH, Lüdenscheid
,
D. Dill
Hautklinik Lüdenscheid, Märkische Kliniken GmbH, Lüdenscheid
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Die Prurigo pigmentosa (Nagashimaʼs disease) ist eine seltene entzündliche Dermatose unklarer Genese. Sie ist klinisch gekennzeichnet durch pruritische, stammbetonte, zumeist symmetrische, rezidivierende Effloreszenzen, gefolgt von netzartigen Hyperpigmentierungen.

Das 1971 erstmals in Japan beschriebene Krankheitsbild wurde mittlerweile bei Männern und Frauen aller Altersgruppen und Ethnien beobachtet, jedoch tritt es bevorzugt bei asiatischen jungen Frauen im gebärfähigen Alter auf. Häufig ist es mit diätetisch oder diabetisch bedingten ketotischen Zuständen assoziiert, daher auch im englischsprachigen Raum die Krankheitsbezeichnung „keto-rash“. Weiterhin wurden Assoziationen mit fettreduzierter Diät, Atopie, Schwangerschaft, Still-Syndrom, Sjögren-Syndrom und Helicobacter pylori beobachtet.

Begünstigende Faktoren können mechanische Irritation, Hitze, Sonnenexposition sowie vermehrtes Schwitzen sein. Topische Glukokortikoide zeigen typischerweise keine oder nur geringe Wirkung. Als Therapie der Wahl haben sich Tetrazykline wie Mino- oder Doxycyclin bewährt. Hyperpigmentierungen können auch nach erfolgreicher Therapie persistieren. Rezidive treten potenziell Monate bis Jahre nach Erstmanifestation auf.

Wir berichten über eine junge, mitteleuropäische Patientin ohne bekannte Vorerkrankungen, bei der anhand von Anamnese, Klinik und Histologie die Diagnose einer Prurigo pigmentosa gestellt werden konnte.


Abstract

Prurigo pigmentosa (Nagashimaʼs disease) is a rare inflammatory dermatosis of unknown origin, characterized by a pruritic, polymorph, recurrent rash, followed by reticulated hyperpigmentation.

Prurigo pigmentosa is described in male and female individuals of all ages and ethnicies, however, it is more common amongst young Asian women. There is a noticeable association with diet- or diabetes-induced ketotic states, therefore also known as „keto-rash“. Further, the skin condition can be related to fat-reducing diet, atopic condition, pregnancy, Still’s disease, Sjögren Syndrome as well as with Helicobacter pylori.

Amongst possible triggering factors there are mechanic irritation, sun exposure, heat and sweating. Typically, external glucocorticoids show poor or no effect. Systemic therapy with Mino- or Doxycycline usually leads to a good remission, although hyperpigmentations may persist. Recurrency may occur month to years after first manifestation.

We present a case of a young Caucasian female without known preexisting diseases, in which, based on history, clinical picture and histology, we diagnosed Prurigo pigmentosa.


Anamnese

Eine 17-jährige, normgewichtige Patientin in gutem Allgemeinzustand stellte sich mit seit mehr als 1,5 Jahren bestehenden, stark juckenden Ekzemen vor, die zu Beginn jeweils als gerötet und quaddelförmig beschrieben wurden, im Verlauf unregelmäßige, flächige Ekzeme bildeten und bei Abklingen braune Flecken hinterließen. Die Erscheinungen traten initial axillär rechts mit symmetrischer Ausdehnung im Bereich des Körperstamms auf. Intermittierende Therapieversuche mit topischen Glukokortikoiden hatten nur eine geringe, kurzfristige Besserung erbracht. Die im Vorfeld erhobene Labordiagnostik inklusive Borrelienserologie hatte keine pathologischen Befunde ergeben. Histopathologisch war 1 Jahr zuvor eine Interface-Dermatitis beschrieben worden. Zugleich konnten Lupus erythematodes, Erythema anulare centrifugum sowie eine Dermatitis herpetiformis Duhring ausgeschlossen werden. Bezüglich letzterer hatte auch die gastroenterologische Diagnostik keinen Anhalt für eine Zöliakie ergeben. Lediglich eine Reflux-Ösophagitis Grad II war nachgewiesen worden. Bis auf eine regelmäßige Einnahme eines Ovulationshemmers mit Dienogest/Ethinylestradiol bestand keine Dauermedikation.


Untersuchungsbefund

Klinisch zeigten sich infrasternal, präsakral, axillär und suprapubisch symmetrisch verteilte großflächige, bräunlich-livide Plaques aus teilweise exkoriierten konfluierenden Papeln und Papulovesikeln unterschiedlicher Ausprägung sowie geringer bis deutlicher netzförmiger Hyperpigmentierung. Hauttyp II–III (Fitzpatrick) (siehe [Abb. 1] und [Abb. 3]). Submammär und dorsal thorakal beidseits fanden sich jeweils ca. 2 × 4 cm große, blass erythematöse makulopapulöse Plaques.

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Abb. 1 Axilla rechts: Herd mit ausgeprägter netzartiger Hyper-pigmentierung sowie geringen Entzündungszeichen im kaudalen Randbereich.
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Abb. 2 Axilla rechts: Nach 3-wöchiger Therapie mit Doxycyclin zeigt sich ein kompletter Rückgang des Pruritus bei fast unverändertem klinischen Bild.
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Abb. 3 Lumbosakral, Prurigo pigmentosa vor Therapie: Hyperpigmentierte Areale neben erythematösen Papeln und Plaques, vereinzelt exkoriierte Vesikel.

Histologischer Befund

Die histologische Untersuchung ergab eine psoriasiforme Akanthose der Epidermis, dermal perivaskuläre, vorwiegend lymphozytäre Infiltrate mit einzelnen eosinophilen Granulozyten und Melanophagen im Papillarkörper und im oberen Korium (siehe [Abb. 5]). Die Immunfluoreszenzuntersuchung (hier nicht abgebildet) zeigte bandförmige Fibrinpräzipitate entlang der junktionalen Grenzzone. Immunglobulin-Präzipitate fanden sich nicht.

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Abb. 4 Lumbosakral, nach 3-wöchiger Doxycyclin-Therapie: Abklingen der Rötung, aber persistierende Hyperpigmentierung (Pfeil: hypertrophe Narbe an der Biopsie-Entnahmestelle).
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Abb. 5 Histologie der Hautbiopsie: links: HE-Färbung; Mitte und rechts: Färbung mit Dioxyphenylalanin, Übersicht und Vergrößerung des markierten Bereiches.

Labor

Labordiagnostisch wurden Differenzialblutbild, klinische Chemie, Autoimmundiagnostik, Immunserologie, Entzündungsparameter, Proteindiagnostik, Vitamin D-, Folsäure- und Zinkspiegel herangezogen. Die gewonnenen Laborwerte inklusive Anti-DNS-AK, ENA, HbA1C waren normwertig bis auf folgende, mäßiggradige Abweichungen:

ANA 1:320; 25-OH-Vitamin D11 ng/ml; C1q-Fr. 7,6 μg Eq/ml, Basophile absolut 0,2 × 103/l; Mykoplasmen-IgG i. S. (EIA) 51 RE/ml.

Die Zusammenschau der klinischen und histologischen Bilder ergab die Diagnose einer Prurigo pigmentosa. Es wurde eine Systemtherapie mit Doxycyclin 200 mg/d p. o. für 21 Tage eingeleitet, anschließend Doxycyclin 100 mg/d p. o. für weitere 21 Tage. Es erfolgte die Lokaltherapie mit Methylprednisolondipropionat-Creme 1 × täglich für 14 Tage sowie zusätzliche antipruriginöse Pflege mit Polidocanol-haltigen Externa und konsequenter UV-Schutz der betroffenen Areale. Unter dieser Therapie zeigte sich ein rasches Abklingen der pruritischen Herde. Bislang befindet sich die Patientin in stabiler Remission mit persistierenden Hyperpigmentierungen (siehe [Abb. 2] und [Abb. 4]).


Diskussion

Die Prurigo pigmentosa tritt i. d. R. stammbetont in den seborrhoischen Arealen mit Aussparung des Gesichts auf. Eine Schleimhaut- oder Nagelbeteiligung besteht nicht [1]. Die klinische Manifestation ist gekennzeichnet durch symmetrisch verteilte pruritische, initial urtikarielle, erythematöse Plaques, die im Verlauf Papeln und Papulovesikel aufweisen, gefolgt von retikulärer Hyperpigmentierung. Es können gleichzeitig unterschiedliche Stadien vorliegen. Die wichtigsten klinischen Differenzialdiagnosen umfassen, je nach dominierendem klinischem Bild, Erythema exsudativum multiforme, nummuläres Ekzem, M. Darier, Lichen amyloidosus, Erythema dyschromicum perstans (Ashy Dermatosis) sowie Papillomatosis confluens et reticularis (M. Gougerot-Carteaud). Letztere wird, im Gegensatz zur Prurigo pigmentosa, nicht von Pruritus begleitet. Der chronische Verlauf kann sich schubweise über mehrere Monate bis Jahre erstrecken [2]. Die in der Fachliteratur beschriebenen Fälle betreffen v. a. Patientinnen asiatischer Herkunft mit Hauttyp III–IV (Fitzpatrick). Ein Grund hierfür könnte die bessere Kenntnis des Krankheitsbildes im asiatischen Raum sein.

Die Bezeichnung „keto-rash“ findet sich zunehmend im englischsprachigen Raum in Laienforen zu den Themen Diät, Muskelaufbau etc. Eine Ketose kann im Rahmen eines unkontrollierten Diabetes mellitus oder einer ketogenen Diät mit eingeschränkter Kohlenhydrataufnahme auftreten. Die Rolle der Ketonkörper ist dabei bislang ungeklärt. In der Fachliteratur wird in vielen Fällen eine spontane Abheilung nach Normalisierung der Stoffwechsellage beschrieben [3]. Rezidive können nach erneuter Stoffwechselentgleisung auftreten [4] [5]. Zudem wurde auch ein Auftreten der Prurigo pigmentosa bei einseitiger, fettreduzierter Diät beobachtet [6]. Bezüglich einer genetischen Prädisposition existieren bisher keine Daten.

Im vorliegenden Fall konnte kein Zusammenhang zu o. g. Faktoren eruiert werden. Bei der Patientin war im Vorfeld zwar eine moderate Gastritis nachgewiesen worden, jedoch keine H.pylori-Beteiligung. Die Patientin gab an, sich ausgewogen zu ernähren, ohne diätetische Einschränkungen vor oder während der Hautmanifestationen. Die Familienanamnese war bezüglich chronischer Haut- oder Systemerkrankungen negativ. Eine asiatische oder mediterrane Herkunft liegt bei unserer Patientin nicht vor.

Das histologische Bild ist stadienabhängig, sodass die Kenntnis des klinischen Korrelats für die histologische Diagnose essentiell ist. Initial finden sich dermal superfizielle perivaskuläre und interstitielle, vorwiegend neutrophile Infiltrate, die im Verlauf in die Epidermis aufsteigen (Epidermotropie). Hinzu kommen Abszesse, Spongiose, intra-/subepidermale Vesikel, nekrotische Keratinozyten und neutrophile Kerntrümmer. Im weiteren Verlauf überwiegen lichenoide lymphozytäre Infiltrate und fokale Parakeratose. Im späten Stadium findet man in der papillären Dermis Ansammlungen von Melanophagen. Eine Pigmentinkontinenz lässt sich in älteren Läsionen beobachten [1] [3] [7].

Wichtig ist die Erkennung und Behandlung vorliegender Stoffwechselstörungen oder z. B. diätetisch bedingter Mangelerscheinungen. Therapeutisch haben sich Tetrazykline wie Doxycyclin oder Minocyclin [8] bewährt. Deren antiinflammatorische Eigenschaften beruhen auf Interaktionen in der Synthese und Aktivierung unterschiedlicher Entzündungsmediatoren [9]. Darüber hinaus können Tetrazykline freie Sauerstoffradikale binden und somit Gewebeschäden reduzieren oder verhindern [9]. Weitere Therapieoptionen umfassen Makrolide [10], Isotretinoin [11] sowie DADPS (Dapson) und Sulfamethoxazol [12]. Letztere führten nach initial guter Wirkung meist zu keiner dauerhaften Remission und weisen ein ungünstigeres Nebenwirkungsspektrum auf [13]. Typischerweise zeigen systemische und lokale Glukokortikoide auf den Krankheitsverlauf keine oder nur geringe Wirkung, können jedoch, wie auch Antihistaminika, im akuten Schub den teils heftigen Pruritus reduzieren. Die netzförmigen Hyperpigmentierungen persistieren häufig auch nach erfolgreicher Therapie. Im Januar 2021 berichtete die Patientin 3 Monate nach Abklingen der akuten Symptomatik über eine leichte spontane Rückbildung der Hyperpigmentierungen.



Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Johanna Koch
Fachärztin für Dermatologie
Oberstr. 50
45134 Essen
Deutschland   

Publication History

Article published online:
10 December 2021

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Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Axilla rechts: Herd mit ausgeprägter netzartiger Hyper-pigmentierung sowie geringen Entzündungszeichen im kaudalen Randbereich.
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Abb. 2 Axilla rechts: Nach 3-wöchiger Therapie mit Doxycyclin zeigt sich ein kompletter Rückgang des Pruritus bei fast unverändertem klinischen Bild.
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Abb. 3 Lumbosakral, Prurigo pigmentosa vor Therapie: Hyperpigmentierte Areale neben erythematösen Papeln und Plaques, vereinzelt exkoriierte Vesikel.
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Abb. 4 Lumbosakral, nach 3-wöchiger Doxycyclin-Therapie: Abklingen der Rötung, aber persistierende Hyperpigmentierung (Pfeil: hypertrophe Narbe an der Biopsie-Entnahmestelle).
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Abb. 5 Histologie der Hautbiopsie: links: HE-Färbung; Mitte und rechts: Färbung mit Dioxyphenylalanin, Übersicht und Vergrößerung des markierten Bereiches.