Ernährung & Medizin 2022; 37(01): 53-54
DOI: 10.1055/a-1449-1065
Buchbesprechung

Buchbesprechung

Die Vermessung des Lebens

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Peter Spork: Die Vermessung des Lebens. München: DVA; 2021. 336 Seiten, 16 s/w Abb. 24,00 €. ISBN: 978–3–421–04850–9

„Wie wir mit Systembiologie erstmals unseren Körper ganzheitlich begreifen – und Krankheiten verhindern, bevor sie entstehen“ lautet der Untertitel des neuen Buches mit dem Haupttitel „Die Vermessung des Lebens“ des promovierten Neurobiologen und Wissenschaftsautors Peter Spork. Dies erinnert an die etwas hemdsärmelig daherkommenden Ratgeber amerikanischer Provenienz wie „How to be a hero“ oder „How to write a book review“. Nun, da ist es gut zu wissen, dass Autoren bei der Titelfindung in der Regel nur ein kleines Wort mitzureden haben; Verlag und Lektorat haben das Sagen. „Gesundheit ganzheitlich denken“ wäre mein Favorit.

Sporks Buch führt allgemeinverständlich und zugleich fundiert in das Denken und die Welt der Systembiologie ein. Eine eindeutige Definition des Begriffs findet sich nicht. „Die Systembiologie möchte verstehen, wie ich als ganzer Mensch mit meinem Erbe, meiner Umwelt und meiner Vergangenheit funktioniere. Und eines Tages wird sie mithilfe dieses Ansatzes sogar Vorhersagen machen können, wie es mir gelingen könnte, gesünder zu sein – oder anders gesagt: noch langsamer zu altern“ (S. 36). Dazu braucht die Systembiologie Daten, Daten über das Leben im Allgemeinen und Informationen über das Individuum; sie ist geradezu süchtig nach Daten. Um die Daten in Beziehung zu setzen, sind modernste Computertechniken erforderlich, von der Künstlichen Intelligenz bis zu Deep-Learning-Programmen.

Gesundheit wird als Prozess und als Anpassungsfähigkeit verstanden. Dabei geht es auch um die Gesundheit von Gesellschaften und der Umwelt. Auch den Klimawandel hat der Autor im Blick. Gesundheit – ganzheitlich gedacht. Medizin, wie wir sie bisher kennen, „muss zur Gesundheitswissenschaft mutieren“ (S. 16). Der Arzt wird überwiegend zum Gesundheits-Coach, unterstützt von weiteren Gesundheitsbegleitern, zu den auch Ernährungsberater*innen gehören (S. 281).

Beinahe auf jeder Seite wird die Begeisterung des Autors für systembiologisches Denken und Forschen deutlich. Und er lässt die Leser*innen an seinen Besuchen und Gesprächen in Laboren der verschiedenen biomedizinisch-systembiologischen Forschungsrichtungen wie Molekularbiologie, Einzelzellforschung oder Organoid-Forschung teilhaben. Ausgehend von der Genomik berichtet er über weitere sogenannte „-omiken“. Für Ernährungsfachkräfte dürften die Kapitel zu Proteomik, Mikrobiomik und Metabolomik von besonderem Interesse sein.

Als Vorstufe zu einem künftigen individuellen Gesundheitsnavigator lassen sich Fitnesstracker bzw. Wearables bezeichnen. Eine weitere Entwicklung wäre der „digitale Zwilling“. Peter Spork zitiert den Züricher Systembiologen Ernst Hafen: „Ein digitaler Zwilling ist etwas, mit dem ich wirklich simulieren kann, was passieren wird. Wie sich zum Beispiel mein Körper verändert, wenn ich die Magnesiumkonzentration in eine bestimmte Richtung verändere. Ist das dann gut oder ist es schlecht für mich?“ (S. 66f.). Peter Spork erwähnt Gefahren und Bedenken in Zusammenhang mit dieser datenbasierten Gesundheitsfürsorge und Selbstvermessung. Für ihn überwiegen gleichwohl die positiven Möglichkeiten. Und er schließt auf Seite 300 sein Buch mit den Worten „Alles wird gut.“ Wir werden sehen.

Martin Witzmann, Dipl.-Ernährungswissenschaftler, Berlin



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Article published online:
15 March 2022

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