Dtsch Med Wochenschr 2021; 146(09): 598-602
DOI: 10.1055/a-1404-6763
Kasuistik

Erste Fälle des Multisystem Inflammatory Syndrome nach SARS-CoV-2-Infektion bei jungen Erwachsenen in Deutschland

First Cases of Multisystem Inflammatory Syndrome following SARS-CoV-2 infection in Adults in Germany
Karl Rieper
1   DRK-Kliniken Berlin-Westend, Klinik für Innere Medizin, Schwerpunkt Kardiologie
,
Andreas Sturm
2   DRK-Kliniken Berlin-Westend, Klinik für Innere Medizin, Schwerpunkt Gastroenterologie
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund Das seltene Multisystem Inflammatory Syndrome ist bisher bei Kindern als neuartiges Hyperinflammationssyndrom mit Beteiligung verschiedener Organsysteme nach stattgehabter Infektion mit SARS-CoV-2 beschrieben worden. Nachdem bisher vereinzelte Fälle aus Großbritannien und den USA mit „Multisystem Inflammatory Syndrome in Adults“ (MIS-A) beschrieben wurden, werden erstmals 2 Fälle von „Multisystem Inflammatory Syndrome in Adults“ (MIS-A) aus Deutschland vorgestellt, die sich initial zeitgleich und atypisch präsentierten.

Anamnese #1: 27-jähriger Patient mit Fieber bis 40 °C, rechtsseitigen Unterbauchschmerzen und Diarrhöen, Peritonismus. #2: 21-jährige Patientin mit okzipital betonten Kopf- sowie Nackenschmerzen, Somnolenz, Fieber bis 40 °C.

Befunde #1: Es zeigten sich erhöhte Entzündungsparameter und ein erhöhtes Nt-proBNP. Im CT-Abdomen wurden initial Zeichen einer Ileitis terminalis und Kolitis beschrieben. Koloskopisch konnte ein Morbus Crohn ausgeschlossen werden. In der transthorakalen Echokardiografie zeigte sich ein schmaler Perikarderguss ohne hämodynamische Relevanz. Ein SARS-CoV-2-Antikörpertest war positiv. #2: Es zeigten sich erhöhte Entzündungsparameter und ein erhöhtes Nt-proBNP. Die kraniale Computertomografie war unauffällig. Mittels Lumbalpunktion konnte eine Meningitis ausgeschlossen werden. Ein Thorax-CT und eine Abdomen-Sonografie waren ohne pathologischen Befund. In der transthorakalen Echokardiografie zeigte sich eine leichtgradig reduzierte LVEF von 50 %. Ein SARS-CoV-2-Antikörpertest war positiv.

Therapie und Verlauf #1: Eine antibiotische Therapie brachte keine Besserung. Auch eine Prednisolon-Therapie blieb ohne Erfolg. Bei Kreislaufversagen war eine hochdosierte Katecholamin-Therapie notwendig. Erst eine hochdosierte intravenöse Hydrokortison-Therapie brachte eine erhebliche klinische Besserung. #2 Der klinische Zustand verschlechterte sich trotz antibiotischer Therapie. Bei unzureichender klinischer Besserung unter Hydrokortison erfolgte eine hochdosierte intravenöse Immunglobulin-Therapie. Darunter stabilisierte sich der Zustand und die Patientin konnte schließlich beschwerdefrei mit normalisierter LVEF entlassen werden.

Folgerung Das Multisystem Inflammatory Syndrome präsentiert sich als klinisches Chamäleon. Im Rahmen der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie muss mit zunehmenden Fallzahlen auch bei Erwachsenen gerechnet werden. Aufgrund des potenziellen schweren klinischen Verlaufs und möglicher kardialer Beteiligung muss bei Fieber und erhöhten Entzündungswerten der Ausschluss von Differenzialdiagnosen erfolgen und nach Diagnosestellung eine Therapie mit Hydrokortison, ASS und Immunglobulinen evaluiert werden.


#

Abstract

Introduction Multisystem Inflammatory Syndrome is a rare condition that affects multiple organs following SARS-CoV-2 infection. It was first observed in children, however few cases of adults with Multisystem Inflammatory Syndrome (MIS-A) were published in the US and the UK. We present two cases of Multisystem Inflammatory Syndrome in adults which occurred in Germany.

History #1: A 27-year-old male presented with fever (40 °C), right lower abdominal pain, diarrhea and peritonism. #2: A 21-year-old female presented with fever (40 °C) occipital headaches, neck stiffness, and somnolence.

Findings #1: Increased inflammation parameters and elevated Nt-proBNP were found. Abdominal CT showed signs of ileitis terminalis and colitis. Crohn’s disease was excluded endoscopically. Echocardiography showed minor pericardial effusion. A SARS-CoV-2 antibody test was positive. #2: Increased inflammation parameters and an increased Nt-proBNP were found. Cranial CT showed pathology. Meningitis was excluded via lumbar puncture. Thoracic CT and abdominal ultrasound showed no signs of infection. Echocardiography showed reduced LVEF (50 %). A SARS-CoV-2 antibody test was positive.

Therapy and course #1: Antibiotic therapy as well as oral prednisolone didn’t improve the clinical course. High-dose vasopressor therapy was necessary. The clinical condition improved only after adding hydrocortisone therapy. #2 Despite antibiotic therapy the clinical condition deteriorated. Because of insufficient effect of hydrocortisone, high-dose immunoglobulins were administered. Consequently, symptoms improved and LVEF normalized.

Conclusions Multisystem Inflammatory Syndrome presents as a chameleon of symptoms. In the context of the ongoing SARS-CoV-2 pandemic, rising numbers of cases in adults can be expected. In patients with fever, increased inflammation parameters and lack of other explanations, Multisystem Inflammatory Syndrome must be considered. Due to the potential severity of clinical courses and possible cardiac involvement, a therapy with hydrocortisone, ASS and immunoglobulins should be considered early.


#

Einleitung

Seit der ersten Krankheitswelle der SARS-CoV-2-Pandemie in Europa im April 2020 wurden Fälle eines neuen hyperinflammatorischen Krankheitsbildes mit Schocksymptomatik und Beteiligung verschiedener Organsysteme bei Kindern beobachtet. Diese Symptomatik trat typischerweise 2–4 Wochen nach symptomatischer oder asymptomatischer SARS-CoV-2-Infektion auf. Initial wurde häufig der Verdacht auf ein Kawasaki- oder toxisches Schocksyndrom gestellt, bis der Symptomkomplex schließlich als eigene Entität im zeitlichen Kontext einer SARS-CoV-2-Infektion als „Multisystem Inflammatory Syndrome in Children“ (MIS-C) oder „Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome“ (PIMS) zusammengefasst wurde [1] [2].

Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) schloss als Diagnosekriterien folgende Charakteristiken des MIS-C ein: Fieber > 48 h, erhöhte Inflammationsparameter, Fehlen einer anderen Ursache sowie 2 der folgenden Symptome: Exanthem/Konjunktivitis, Hypotension/Schock, kardiale Beteiligung, Koagulopathie, gastrointestinale Symptomatik, hämatologische Auffälligkeiten. Bisher wurden im Register der DGPI 40 MIS-C-Fälle in Deutschland bestätigt (https://dgpi.de/pims-survey-anleitung/). Bis Januar 2021 waren keine Fälle des „Multisystem Inflammatory Syndrome in Adults“ (MIS-A) in Deutschland bekannt [3].

In einer internationalen Fallserie wurden jedoch 16 Fälle von MIS-A aus Großbritannien und den USA veröffentlicht. Bei diesen Fällen, die von März bis August 2020 beobachtet wurden, bestanden kaum oder keine pulmonalen Symptome. Stattdessen wurden gastrointestinale, hepatische, renale und neurologische Beteiligungen beobachtet.

Obwohl die genaue Pathophysiologie bisher nicht geklärt ist, werden eine inadäquate Immunantwort auf eine SARS-CoV-2-Infektion, endotheliale Dysfunktion, Thromboinflammation und Beteiligung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems vermutet [4]. Ein systematischer Review von 662 pädiatrischen Patienten zeigte eine Mortalität von 1,7 % bei MIS-C [2].


#

Kasuistik #1

Anamnese

Es stellte sich ein bislang gesunder, 27-jähriger Patient mit Fieber bis 40 °C, Erbrechen, Diarrhö, Peritonismus, Kopf- und Gliederschmerzen vor.


#

Klinische Untersuchung

Bei Aufnahme bestand Fieber (38,1 °C) sowie ein gespanntes Abdomen mit Druckschmerzhaftigkeit im rechten Unterbauch. Im weiteren Verlauf zeigten sich eine beidseitige Konjunktivitis sowie Arthralgien der großen Gelenke mit wechselnder Lokalisation.


#

Befunde

Laborchemisch fielen ein deutlich erhöhtes CRP (max. 51 mg/dl; Normwert: < 0,5 mg/dl) und Procalcitonin (max. 22 ng/ml; Normwert: < 0,4 ng/ml), eine Thrombozytopenie (118/nl), eine milde Anämie (13 g/dl), Lymphozytopenie (6 %, normal: 20–55 %), Granulozytose (89 %, normal: 37–75 %) und erhöhte Transaminasen auf. Serielle PCR-Tests auf SARS-CoV-2 waren negativ, ein SARS-CoV-2-Antikörpertest war positiv (beide Roche Diagnostics, Mannheim).

Auch Blutkulturen blieben ohne Erregernachweis. Im CT-Abdomen zeigten sich eine Ileitis terminalis und eine rechtsseitige Kolitis. Bei einem Nt-proBNP von 9765 ng/l (Normwert < 98 ng/l) zeigte die transthorakale Echokardiografie einen schmalen Perikarderguss ohne hämodynamische Relevanz bei erhaltener LVEF ohne Hinweis auf erhöhten pulmonalarteriellen Druck. Ein Quantiferon- und HIV-Test waren negativ. Die Stuhl-infektiologische Diagnostik war ebenfalls unauffällig, das Calprotectin war trotz der Durchfälle normwertig. Immunologisch waren das IFN-γ mit 253 pg/ml (normal: 322–10 000 pg/ml) sowie das C3- und C4-Komplement leicht erniedrigt (C3 750 mg/l; normal: 900–1800 mg/l und C4 80 mg/l; normal: 100–400 mg/l). ANA, pANCA, cANCA, Rheumafaktor und Anti-DS-DNA-Antikörper waren nicht nachweisbar.


#

Therapie und Verlauf

Bei initialem Verdacht auf einen schweren Morbus Crohn erfolgte die Einleitung einer oralen Prednisolon-Therapie und einer kalkulierten antibiotischen Therapie (Ceftriaxon und Metronidazol). Der Patient wurde dann in unsere Klinik als Tertiärzentrum für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen weiter verlegt. Nach der Verlegung verschlechterte sich sein klinischer Zustand innerhalb 24 Stunden rasch. Die abdominellen Schmerzen exazerbierten und es entwickelte sich ein Subileus. Zudem kam es zu fast unerträglichen Gelenkschmerzen an beiden Knien, im linken Ellbogen und in der Schulter. Bei einer nach 2 Tagen auftretenden Somnolenz und Hypotonie (systolischer RR < 90 mmHg) erfolgte die Verlegung auf unsere Intensivstation. Bei einem weiteren Blutdruckabfall musste eine Katecholamin-Therapie begonnen werden. Es zeigten sich sonografisch beidseitige Pleuraergüsse, ein schmaler Perikarderguss und Aszites. Die Differenzialdiagnose eines M. Crohn wurde bei normwertigem Calprotectin, dem völlig atypischen klinischen Verlauf und einer normalen Koloskopie verworfen. Auch histologisch zeigte sich eine architekturell regelhafte, tumor- und entzündungsfreie enterale Schleimhaut.

Im Rahmen der vermuteten Sepsis und der fehlenden Verbesserung des Verlaufs durch die i. v.-Steroide hatten wir nach der Verlegung des Patienten auf unsere Intensivstation mit einer kontinuierlichen Hydrokortison-Therapie begonnen (200 mg/24 h). Nach 5 Tagen verbesserte sich der klinische Zustand des Patienten, die Katecholamine konnten ausgeschlichen werden und die Bauch- und Gliederschmerzen des Patienten waren regredient.

Die Diagnose des MIS-A wurde von uns an Tag 5 gestellt. Da sich der klinische Zustand des Patienten bereits signifikant verbessert hatte und die Entzündungswerte rückläufig waren, verzichteten wir auf eine Immunglobulin-Therapie. Wir begannen eine prophylaktische Thrombozytenaggregationshemmung mit 100 mg ASS. Der Patient konnte an Tag 15 beschwerdefrei aus der Klinik entlassen werden.


#
#

Kasuistik #2

Anamnese

Es stellte sich eine 21-jährige Patientin in deutlich reduziertem Allgemeinzustand mit okzipital betonten Kopf- und Nackenschmerzen, Fieber bis 40 °C, Bauchschmerzen und Diarrhö in einer Berliner Rettungsstelle vor. Die Patientin hatte keine Vorerkrankungen.


#

Klinische Untersuchung

Bei Aufnahme bestanden eine Somnolenz, Fieber von 38,9 °C, Nackensteifigkeit, diffuser abdomineller Druckschmerz sowie ein stammbetontes Exanthem.


#

Befunde

Laborchemisch zeigten sich deutlich erhöhte Entzündungsparameter (CRP 16,4 mg/dl; Normwert: < 0,5 mg/dl, PCT 7,5 ng/ml; Normwert: < 0,4 ng/ml). Auch bei ihr waren serielle PCR-Tests auf SARS-CoV-2 negativ und ein SARS-CoV-2-Antikörpertest positiv (beide Roche Diagnostics, Mannheim). In der kranialen CT ergab sich kein Hinweis auf erhöhten Hirndruck, eine Blutung oder eine Ischämie. Mittels Lumbalpunktion konnte eine Meningitis ausgeschlossen werden. Eine Thorax-CT, eine abdominelle Sonografie und die Urindiagnostik waren ohne pathologischen Befund. Auch diese Patientin hatte mit 2376 ng/l ein erhöhtes Nt-proBNP. Die transthorakale Echokardiografie zeigte eine leichtgradig reduzierte LVEF von 50 % bei normalem sPAP (23 mmHg) ohne Verdacht auf eine Endokarditis. Interessanterweise waren der TNF-α-Spiegel mit 7 pg/ml (normal: 40–1717 pg/ml), IFN-γ mit 38 pg/ml (normal: 322–10 000 pg/ml) und Interleukin-2 mit 1 pg/ml (normal: 27–467 pg/ml) im Serum deutlich erniedrigt.


#

Therapie und Verlauf

Nach Meningitisausschluss und Einleitung einer Breitbandantibiose wurde die Patientin in unsere Klinik verlegt, 3 Tage nach der Aufnahme von Fall #1. Innerhalb von 24 Stunden entwickelten sich ebenfalls rasch eine Hypotension (systolischer Blutdruck < 80 mmHg) und Somnolenz. Es erfolgte eine Übernahme der Patientin auf unsere Intensivstation. Aufgrund der Parallelität der Fälle konnten wir jetzt rasch bei erfüllten Diagnosekriterien ein MIS-C/MIS-A diagnostizieren und leiteten umgehend eine Therapie mit Hydrokortison, ASS und hochdosierten Immunglobulinen (2 g/kg KG über 12 Stunden) ein. Unter diesen Maßnahmen stabilisierte sich der Zustand innerhalb von 24 Stunden. Katecholamine waren nicht notwendig und die Patientin klarte rasch auf. Die LVEF normalisierte sich im Verlauf, Exanthem, Kopfschmerzen und abdominelle Symptomatik waren an Tag 3 nach Therapiebeginn verschwunden. Die Patientin konnte nach 17 Tagen beschwerdefrei aus der Klinik entlassen werden.


#
#

Diskussion

Während MIS-C mittlerweile bei hunderten Kindern weltweit beschrieben wurde, sind Fälle von MIS-A in Deutschland bisher unbekannt [5] [6] [7]. Die hier beschriebenen Fälle zeigen jedoch, dass auch bei Erwachsenen, die sich mit Fieber, erhöhten Entzündungswerten ohne Infektfokus sowie Erkrankungen verschiedener Organsysteme vorstellen, ein zeitlicher Zusammenhang mit einer möglicherweise asymptomatischen SARS-CoV-2-Infektion in Betracht gezogen werden muss. Es ist mit einer Zunahme solcher Fälle auch bei Erwachsenen zu rechnen. Ein nationales Register, das auf das bestehende PIMS-Register aufbaut, ist daher in Planung [3].

Die klinische Präsentation des MIS-A ist äußerst heterogen. Während sich in unserem ersten Fall initial das klinische Bild eines Morbus Crohn zeigte, bestand beim zweiten Fall zunächst ein begründeter Meningitisverdacht. Ein dritter junger MIS-A-Patient, den wir nach Fertigstellung dieser Fallberichte behandelten, präsentierte sich mit einer fulminanten Myokarditis und einer Ejektionsfraktion < 20 %, passend zur einer Fallserie von Hékimian et al., die 11 MIS-C-Patienten mit ausgeprägter kardialer Symptomatik vorstellte [8].

Trotz der erheblichen Unterschiede in der klinischen Präsentation sahen wir auch entscheidende Gemeinsamkeiten, die eine Diagnosestellung ermöglichten. Bei beiden Fällen zeigten sich ein mehr als 5 Tage anhaltendes Fieber, eine ausgeprägte Hypotonie, massiv erhöhte Entzündungsparameter ohne Fokusnachweis, ein erhöhter Nt-proBNP sowie Bauchschmerzen ([Tab. 1]).

Tab. 1

Vergleich der PIMS-Kriterien nach DGPI mit Fallpräsentationen.

PIMS-Kriterium nach DGPI

Fall #1

Fall #2

Fieber > 48 h (obligat)

ja

ja

erhöhte Inflammationsparameter (obligat)

ja

ja

SARS-CoV-2-Exposition (vermutet)

Antikörper-positiv

Antikörper-positiv

Exanthem/Konjunktivitis

Konjunktivitis

Exanthem

kardiale Beteiligung

NtproBNP erhöht, Perikarderguss

NtproBNP erhöht, reduzierte LVED

Hypotension/Schock

Katecholamin-pflichtig

Hypotonie syst. bis 80 mmHg

Koagulopathie

nein

nein

gastrointestinale Symptomatik

Ileitis terminalis im CT, Peritonismus, Diarrhö

Diarrhö, Bauchschmerzen

hämatologische Auffälligkeiten

Thrombozytopenie, Anämie, Lymphopenie, Granulozytose

Anämie, Lymphopenie, Granulozytose

bisher kein PIMS-Kriterium

Arthralgien,

Somnolenz

starke Zephalgien, Somnolenz

Nach Diagnosestellung muss eine Therapie mit Steroiden, Immunglobulinen und – aufgrund möglicher koronararterieller Beteiligung – eine ASS-Prophylaxe evaluiert werden. Diese Therapie entspricht im Wesentlichen den Therapieempfehlungen beim Kawasaki-Syndrom bei Kindern. Bei kardialer Beteiligung mit signifikant reduzierter LVEF muss neben einer Herzinsuffizienztherapie in Einzelfällen auch eine Antikoagulation durchgeführt werden [9]. In einigen Fällen mit schwerem Verlauf ist auch die Notwendigkeit einer maschinellen Beatmung bis hin zur extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) beschrieben [10].

Obwohl die Pathophysiologie des PIMS noch ungeklärt ist, lassen die klinischen Parallelen zum Kawasaki-Syndrom eine Vaskulitis mit autoimmunologischer Genese vermuten [11].

Während beim Kawasaki-Syndrom eine erhöhte IL-17-vermittelte Hyperinflammation festgestellt wurde, zeigten sich beim MIS-C vermehrt Autoantikörper gegen Immunzellen sowie Hinweise auf eine diffuse endotheliale Beteiligung [11]. Die These der Autoantikörper-vermittelten Reaktion wird durch die gute Wirksamkeit von Immunglobulinen gestützt. Auch ein rekombinanter IL-1-Rezeptor-Antagonist (Anakinra) sowie IL-6-Inhibitoren wie Tocilizumab und Siltuximab wurden erfolgreich bei MIS-C eingesetzt [11] [12]. Auch in unseren Fällen zeigten sich Hinweise auf eine Beteiligung des Komplementsystems.

Unsere Patientin hatte deutlich reduzierte TNF-α-Spiegel, eine Beobachtung, die sich mit erniedrigten TNF-α-Spiegeln beim MIS-C im Gegensatz zur SARS-CoV-2-Infektion deckt [11]. TNF-α-Inhibitoren sollten daher beim PIMS nicht eingesetzt werden.

In beiden Fällen konnten die Patienten nach Abschluss der Therapie das Krankenhaus nach gut 2 Wochen beschwerdefrei verlassen. Auch in einer klinischen Verlaufskontrolle konnten keine Residuen festgestellt werden. Dies lässt auf eine gute Prognose unter optimaler Therapie und intensivmedizinischer Betreuung hoffen.

Kernaussagen
  • Das Multisystem Inflammatory Syndrome ist eine seltene Erkrankung nach SARS-CoV-2-Infektion, die sowohl bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen auftreten kann.

  • Bei Fieber und erhöhten Entzündungsparametern ohne klaren Entzündungsfokus muss eine zurückliegende asymptomatische SARS-CoV-2-Infektion eruiert werden.

  • Der klinische Verlauf kann auch bei jungen Erwachsenen ohne Vorerkrankungen dramatisch sei, sodass eine frühzeitige intensivmedizinische Betreuung in Betracht gezogen werden muss.

  • Unter Therapie mit Hydrokortison, Immunglobulinen und ASS besteht eine gute Prognose.


#
#

Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Wir bedanken uns bei den Teams der Kliniken für Anästhesie, Schmerztherapie, Intensiv- und Notfallmedizin (Prof. med. Arnd Timmermann), Kardiologie (PD Dr. med. Christian Opitz, PD Dr. med. Sascha Rolf), dem Institut für Labormedizin (PD Dr. med. Mathias Zimmermann), dem Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie (PD Dr. med. Bernd Frericks), allen DRK-Kliniken Berlin sowie bei Frau Sanaz Rastin (Fachärztin für Pädiatrie) für den entscheidenden Hinweis bei der Diagnosestellung.


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Andreas Sturm
DRK-Kliniken Berlin-Westend
Klinik für Innere Medizin I
Schwerpunkt Gastroenterologie
Spandauer Damm 130
14050 Berlin
Deutschland   

Publication History

Article published online:
11 March 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany