Schlüsselwörter
Arzneimitteltherapiesicherheit - Arzneimittelanamnese - Bundeseinheitlicher Medikationsplan
- Diskrepanzen
Key words
patient safety - medication reconciliation - standardised medication list - information
discrepancies
Einleitung
Abweichungen zwischen der Aufnahmemedikation im Krankenhaus und der jeweiligen Vormedikation
eines Patienten sind aufgrund einer unvollständig erhobenen Arzneimittelanamnese (AM-Anamnese)
in 2 von 3 Fällen zu finden, wobei je nach Studie 11–59 % der Diskrepanzen als klinisch
relevant erachtet werden [1]. Um die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen, ist eine qualitativ hochwertige
AM-Anamnese Voraussetzung für eine ebenso hochwertige stationäre Weiterführung der
Therapie und auch für ein qualitativ hochwertiges Entlassmanagement. Denn immerhin
40 % der Medikationsfehler in der Aufnahmemedikation werden in ärztlichen Entlassbriefen
wiedergefunden [2], wobei mindestens ein Fünftel dieser Abweichungen als potenziell kritisch für den
Patienten bewertet werden [3]
[4]
[5].
Um die Arzneimitteltherapiesicherheit unter anderem an der Schnittstelle ambulante-stationäre
Versorgung zu verbessern, wurde zum 1. Oktober 2016 im Rahmen des E-Health-Gesetzes
die Einführung des Bundeseinheitlichen Medikationsplans (BMP) beschlossen (§ 31a SGB
V). Der BMP soll dabei möglichst alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel sowie
relevante Selbstmedikation enthalten, wobei die gesamte Information des Plans über
den auf dem Plan aufgedruckten Data-Matrix-Code digital in zertifizierte Softwaresysteme
eingelesen, aktualisiert und als neuer Plan wieder ausgedruckt werden kann [6].
Prinzipiell hat der BMP daher das Potenzial, eine schnell zugängliche Informationsquelle
auch für die AM-Anamnese bei der stationären Aufnahme zu sein, die das Anamnesegespräch
nicht nur strukturieren, sondern, ggf. auch unter Einsatz technischer Hilfsmittel
wie Data-Matrix-Code-Scanner, verkürzen könnte. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine
im Sinne der Vollständigkeit und Aktualität hohe Qualität der auf dem BMP dokumentierten
Informationen.
Es sollte deshalb systematisch untersucht werden, wie häufig ein BMP in der AM-Anamnese
vorhanden ist und ob es Abweichungen zwischen den Angaben des BMP und der strukturierten
AM-Anamnese bei Krankenhausaufnahme gibt. Aus den Ergebnissen soll abgeleitet werden,
auf welche möglichen Diskrepanzen bei der AM-Anamnese besonders geachtet werden muss
und wie diese bei der Erstellung eines BMP möglichst verhindert werden könnten.
Methoden
Über einen Zeitraum von 6 Monaten (10/2017–03/2018) wurden retrospektiv und pseudonymisiert
für alle pharmazeutischen AM-Anamnesen der erwachsenen Patienten der Chirurgischen
Universitätsklinik Heidelberg alle verfügbaren Informationsquellen dokumentiert. Die
pharmazeutische AM-Anamnese erfolgte standardisiert und qualitätsgesichert basierend
auf einer Checkliste, welche die Empfehlungen des High-5s-Projektes zu Medication
Reconciliation aufgreift [7]: Apotheker*innen der Klinikapotheke des Universitätsklinikums Heidelberg erhoben
anhand von mindestens 2 unterschiedlichen Quellen (z. B. Patienten-/Angehörigengespräch
und Medikationspläne, mitgebrachte Arzneimittelpackungen, Rückfragen an verordnende
Arztpraxis etc.) systematisch eine möglichst vollständige Liste der aktuellen bzw.
in letzter Zeit eingenommenen Arzneimittel des Patienten (die sogenannte „Eintrittsmedikation“).
Ergaben sich Abweichungen zwischen der bisherigen Verordnung und der Medikation, wie
der Patient sie zuletzt eingenommenen hat, wurde dies für die weiterbehandelnden Ärzte
auf Station dokumentiert. Die Medikation wurde anschließend auf arzneimittelbezogene
Probleme (ABP) hin überprüft und auf die im Krankenhaus gelisteten Arzneimittel umgestellt
(die sogenannte „Klinikmedikation“). Bei der ABP-Prüfung wurde insbesondere auf das
perioperative Management bestimmter Arzneimittel geachtet. Die AM-Anamnese wurde zunächst
im Gespräch bzw. papierbasiert durchgeführt, anschließend erfolgte die Eingabe der
Eintrittsmedikation in die Software AiDKlinik
®, wo auch die Umstellung auf die Klinikmedikation durchgeführt wurde. Eintrittsmedikation,
die vorgeschlagene Klinikmedikation und etwaige Anmerkungen, Empfehlungen und Hinweise
aus der ABP-Prüfung wurden anschließend anhand des sogenannten „Switch-Ausdrucks“
(ein von der Software erstelltes pdf-Dokument mit den erfassten Informationen und
einem qualifizierten Vorschlag zur Umstellung auf die Hausliste) bei Bedarf mit Ärzten
oder Pflegekräften besprochen.
Anhand aller im Zeitraum dokumentierten AM-Anamnesen wurde der Anteil an mitgebrachten
BMP zur AM-Anamnese berechnet. Anschließend wurden 100 konsekutiv ausgewählte BMP
genauer untersucht. Als BMP-Eigenschaften wurden das Alter des BMP (als Differenz
des BMP-Druckdatums zum Datum der AM-Anamnese), die ausstellende Facharztdisziplin,
die verwendete Software, aus der der BMP gedruckt wurde, und die Anzahl der aufgelisteten
Präparate, unterteilt in rezeptpflichtig und rezeptfrei, dokumentiert.
Der Inhalt des BMP wurde mit der entsprechenden Eintrittsmedikation verglichen, wobei
die Eintrittsmedikation als Goldstandard definiert wurde. Angelehnt an Steuerbaut
et al. wurden alle Unstimmigkeiten folgenden 7 Diskrepanzenarten zugeordnet [8]: Arzneimittel, das in der AM-Anamnese erfasst wurde, fehlt auf dem BMP ①, Arzneimittel
auf dem BMP wird nicht mehr eingenommen ②, Stärke ③ oder Dosierung fehlt auf dem BMP
④, oder Stärke ⑤ oder Dosierung auf dem BMP ist falsch ⑥, oder die Darreichungsform
auf dem BMP ist falsch ⑦. Ebenso wurden pharmazeutische Empfehlungen oder Hinweise
der ABP-Prüfung an die behandelnden Ärzte
erfasst. Die Analyse erfolgte im 4-Augen-Prinzip. Zudem wurden die involvierten Präparate
gemäß Wirkstoff/-gruppe (entsprechend ihres Level-1-ATC-Codes, anatomisch-therapeutisch-chemisches
Klassifikationssystem) und Arzneiform gruppiert (siehe auch [Abb. 1]).
Abb. 1 Beispiel einer fiktiven Diskrepanzanalyse mit Notizen der Apothekerin (blau) und
den gefundenen Diskrepanzen (rot). Im Rahmen der Arzneimittelanamnese stellt sich
heraus, dass Ramipril nicht mehr eingenommen wird (②, Arzneimittel wird nicht mehr
eingenommen), dafür aber Candesartan (①, Arzneimittel fehlt), und Torasemid nur nach
Bedarf eingenommen wird (⑥, falsche Dosierung). Im Rahmen des perioperativen Managements
wird u. a. die letzte Einnahme des Blutverdünners ASS erfasst (
, pharmazeutische Empfehlung/Hinweis). Neben den erhobenen Eigenschaften Alter des
BMP, ausstellende Facharztdisziplin und verwendete Software wurden die erhobenen Präparate
gezählt und in rezeptpflichtig und rezeptfrei eingeteilt. dd.mm.yyy hh:mm… Datum und
Uhrzeit.
Um Assoziationen zwischen den 7 definierten Diskrepanzen und den BMP-Eigenschaften
als Einflussvariablen zu untersuchen, wurden die Diskrepanzen als Zielgrößen festgelegt,
als Anzahl an Diskrepanzen operationalisiert und separate verallgemeinerte lineare
Modelle auf Basis der negativen Binomialverteilung mit Log-Linkfunktion erstellt.
Das Risiko der einzelnen BMP-Eigenschaften auf die Art der Diskrepanzen wurde als
Inzidenzratenverhältnis multivariat beschrieben. Darauf aufbauend wurde untersucht,
ob sich ein Alter des BMP in Tagen definieren lässt, ab dem das Risiko für Diskrepanzen
steigt. Dazu wurde auf Basis desselben Modells univariat eine optimale Trenngrenze
in der Verteilung des BMP-Alters über den sogenannten Minimum-p-Value-Ansatz ermittelt
[9]; als optimale Trenngrenze gilt demnach dasjenige Alter des BMPs, welches bei Überschreitung
das Risiko im Verhältnis zu den Tagen unterhalb der Trenngrenze gemessen am kleinsten
p-Wert maximiert.
Die statistischen Analysen wurden mit R Software/Environment Version 3.5.1 (R foundation
for statistical computing, Wien, Österreich) durchgeführt. Die Aufbereitung und Analyse
der Daten erfolgten mithilfe MS Excel 2010 (Microsoft, Redmond, USA). Die kategorischen
Variablen wurden als Häufigkeit und in Prozent angegeben.
Das Studienprotokoll wurde von der zuständigen Ethikkommission der Medizinischen Fakultät
der Universität Heidelberg genehmigt (Nummer des Ethikvotums: S-454/2019).
Ergebnisse
Anteil des BMP in der Arzneimittel-Anamnese und seine Eigenschaften
Insgesamt wurden im untersuchten Zeitraum 931 AM-Anamnesen verzeichnet; darunter waren
für 271 Patienten keine oder weniger als 3 systemisch wirksame Dauermedikamente dokumentiert.
Für 142 AM-Anamnesen brachten Patienten einen BMP mit. Dies entspricht einem BMP-Anteil
von 15,3 % (142/931) aller AM-Anamnesen bzw. 21,5 % (142/660) der Patienten mit mindestens
3 systemisch wirksamen Dauermedikamenten.
Die 100 exemplarisch untersuchten BMP waren im Mittel 44 Tage alt (Median = 13 Tage,
q1 = 6, q3 = 43) und wurden in Praxen von Fachärzten für Allgemeinmedizin (n = 59),
Innere Medizin (n = 34) oder Fachärzten für Innere und Allgemeinmedizin (n = 2) ausgestellt.
Fünf BMP wurden am Universitätsklinikum Heidelberg ausgestellt, wobei Informationen
zu Autor und Fachabteilung nicht auf dem BMP hinterlegt wurden. Insgesamt wurden die
Pläne mit 13 verschiedenen Software-Herstellern erstellt, wobei bmplife.de am häufigsten
verwendet wurde (n = 29), gefolgt von medatixx (n = 25) und clickdoc.de (n = 10).
Für 16 BMP konnte die Software nicht bestimmt werden. Im Mittel wurden 7,1 ± 3,7 Präparate
pro BMP gezählt (min. = 2, max. = 19), wobei 6,1 ± 3,3 Präparate rezeptpflichtig waren
und 1,4 ± 1,0 rezeptfrei.
Diskrepanzanalyse
Von den 100 auf Diskrepanzen untersuchten BMP wiesen 78 % Abweichungen im Vergleich
zur AM-Anamnese auf, mit insgesamt 226 dokumentierten Diskrepanzen ①–⑦ (2,3 ± 0,6
Abweichungen/Anamnese).
Von 100 untersuchten BMP waren demnach nur 22 BMP inhaltlich identisch zur pharmazeutischen
AM-Anamnese (siehe [Abb. 2]). Berücksichtigt man außerdem die 177 pharmazeutischen Empfehlungen
(betrifft 88 BMP), hätten 6 BMP ohne Korrekturen oder pharmazeutische Hinweise als
Grundlage für die weitere Therapie im Krankenhaus übernommen werden können. Von den
pharmazeutischen Hinweisen und Empfehlungen betrafen die meisten das perioperative
Management der Antithrombotika (n = 55) und Antidiabetika (n = 28), aber auch Empfehlungen
zur Dosisanpassung oder bekannte Diagnosen ohne pharmakotherapeutische Behandlung
(je n = 18) waren häufig. Hinweise zu unerwünschten Arzneimittelereignissen wurden
10-mal dokumentiert.
Abb. 2 Anteil betroffener BMP nach Art der Diskrepanzen in 100 BMP. Dunkelblau: Anteil BMP
mit Diskrepanzen, Mehrfachzählung pro BMP möglich. Hellblau: Anteil BMP ohne Diskrepanzen.
Bei der häufigsten Diskrepanz ① (Arzneimittel fehlt auf dem BMP) waren 60 verschiedene
Wirkstoffe betroffen, die sich in 13 der 15 verschiedenen Level-1-ATC-Codes gruppieren
ließen. Am häufigsten fehlten Schmerzmittel (n = 14), allen voran das rezeptpflichtige
Metamizol (n = 7), gefolgt von Antithrombotika (n = 12) sowie Mittel gegen Obstipation
und Mineralstoffpräparate, die zur Selbstmedikation gezählt werden (je n = 8, [Abb. 3]).
Abb. 3 Auflistung der Arzneimittelgruppen nach ATC-Code und deren Häufigkeit, die im BMP
nicht dokumentiert, jedoch laut Patienten eingenommen wurden. Anwdg = Anwendung; f.
d. NS = für das Nervensystem; gg = gegen; system = systemische.
Von den Arzneiformen waren von allen Diskrepanzen erwartungsgemäß orale Arzneiformen
wie Tabletten und Kapseln (n = 145) am häufigsten betroffen. Von den besonderen Arzneiformen
folgten Inhalatoren (n = 24), Fertigspritzen und Arzneiformen zur Anwendung am Auge
(je n = 15), wobei 13 der Ophthalmika in die Diskrepanz-Kategorie ① (Arzneimittel
fehlt auf dem BMP) gezählt wurden. Von diesen 13 Ophthalmika enthielten 7 einen Wirkstoff
(6 Glaukommittel, 1 Antiphlogistikum), die restlichen Präparate zählten zu den Tränenersatzprodukten,
die in der Regel als Medizinprodukt und nicht als Arzneimittel zugelassen sind und
damit in die Kategorie Selbstmedikation fallen.
Einfluss von BMP-Eigenschaften auf Art und Anzahl der Diskrepanzen
In der multivariaten Analyse gab es keinen Zusammenhang zwischen den untersuchten
Eigenschaften des BMP und fehlenden ① oder nicht mehr eingenommenen Arzneimitteln
②. Der Einfluss der verwendeten Software konnte aufgrund der Vielfalt verwendeter
Software-Systeme mit zum Teil geringen Stichprobengrößen nicht untersucht werden.
Aufgrund der geringen Zahlen für fehlende (③, ④) und falsche Stärke oder Dosierung
(⑤, ⑥) wurden diese zu einer Gruppe zusammengefasst. Für fehlende Stärken oder Dosierungen
(③, ④) ergab sich ebenfalls kein statistischer Zusammenhang. Das Risiko für Falschangaben
bei Stärke und Dosierung (⑤, ⑥) stieg jedoch mit dem Alter des BMP signifikant (p = 0,047).
Die Untersuchung zum Einfluss des BMP-Alters für das Auftreten von Falschangaben (⑤,
⑥) zeigte ein 2,6-fach erhöhtes Risiko, wenn der BMP älter als 1 Monat war ([Abb. 4]).
Abb. 4 Optimale Trenngrenze für die Wahrscheinlichkeit von Falschangaben bei Stärke und
Dosierung der Arzneimittel in Abhängigkeit des BMP-Alters in Tagen.
Diskussion
Die Anzahl mitgebrachter BMP in der AM-Anamnese der Chirurgischen Klinik des Universitätsklinikums
Heidelberg war mit 15,3 % aller AM-Anamnesen steigend im Vergleich zu Erhebungen aus
den vorherigen Halbjahren (von 3,1 % im Zeitraum der Einführung 10/2016–03/2017 über
9,5 % zwischen 04/2017 und 09/2017) [10], wobei sich der BMP-Anteil an genutzten Informationsgrundlagen zuletzt (06/2019–01/2020)
bei knapp 19 % hielt. Der BMP stellt somit eine wichtige, immer häufiger, aber womöglich
noch zu selten genutzte Informationsquelle in der AM-Anamnese dar – selbst wenn bei
den knapp 80 % der Patienten ohne BMP einige dabei gewesen sein mögen, die ihren Anspruch
auf einen BMP gar nicht eingefordert haben oder aber privat versichert waren und daher
formal gar keinen Anspruch gehabt hätten.
Die vorliegende Arbeit zeigt deutlich, dass eine unkritische Übernahme der BMP-Informationen
in 78 % der Fälle zu Diskrepanzen mit der tatsächlich aktuell vom Patienten eingenommenen
Medikation geführt hätte. Davon betroffen waren vor allem fehlende Angaben (57 %)
zu mitunter risikobehafteten Arzneimitteln wie Antithrombotika, Schmerzmitteln und
Antidiabetika. Bei den besonderen Arzneiformen waren es vor allem die Inhalativa und
Ophthalmika, die auf dem BMP fehlten. Weitere Präparate gehörten zur Selbstmedikation
oder waren Nahrungsergänzungsmittel, die ebenfalls wichtig sein können, da sie z. B.
Aufschluss geben können über Begleiterkrankungen (z. B. Laxanzien bei Verdauungsstörungen),
zu Interaktionen mit der stationären Therapie führen können (z. B. mehrwertige Kationen
in Mineralstoffpräparaten mit bestimmten Antibiotika) oder Laborergebnisse beeinflussen
können (z. B. Biotin) [11]. Oft fehlten nicht nur Arzneimittel, bei fast einem Drittel standen Arzneimittel
auf dem BMP, die laut Patienten nicht mehr eigenommen wurden. Dies deckt sich mit
einer Erhebung aus Deutschland von 2015, bei der in öffentlichen Apotheken Medikationspläne
auf ähnliche Weise nach Diskrepanzen untersucht wurden: nur 6,5 % der Medikationspläne
wiesen keine Diskrepanzen auf, bei 30 % fehlte ein Arzneimittel und 18 % der Pläne
verzeichneten Arzneimittel, die bereits nicht mehr eingenommen wurden [12]. Auch in der internationalen Literatur waren auf Medikationsplänen fehlende Arzneimittel
die häufigste Diskrepanzart (42–69 %) [4]
[5]
[8], während die weiteren Diskrepanzkategorien, nicht zuletzt aufgrund unterschiedlicher
Methodik und Terminologie, breit streuen. Die hier verwendeten Diskrepranzarten knüpfen
an die ausführlichen und klaren Definitionen von Steuerbaut et al. an [8], wobei die vorliegende Arbeit, angepasst an die in Deutschland gegebene Situation
der häufig wechselnden Rabattvertragsarzneimittel, die Diskrepanzart „anderer Fertigarzneimittelname“
nicht berücksichtigt. Diskrepanzen scheinen demnach kein spezifisches Problem des
BMP zu sein. Dies zeigt aber auch, dass durch die Einführung des BMP bestehende Probleme
von Medikationsplänen nicht automatisch gelöst wurden.
Die multivariate Analyse bestätigte den Eindruck aus der täglichen Routine, dass sowohl
die aktuellen als auch die älteren Pläne Diskrepanzen zwischen BMP und AM-Anamnese
aufwiesen. Nur das Auftreten von Diskrepanzen zu Falschangaben bei Stärke und Dosierung
war mit der Aktualität des BMP assoziiert. Für das Anamnesegespräch bleibt es deshalb
unerlässlich, jedes auf einem Medikationsplan genannte Präparat mit dem Patienten
bzw. seinen Angehörigen zu besprechen und kritische und häufig fehlende Arzneistoffe
genauso explizit abzufragen wie besondere Arzneiformen und die Selbstmedikation bzw.
Nahrungsergänzungsmittel. Umgekehrt sollte beim Erstellen des BMP auf diese Punkte
geachtet werden.
Neben der Überprüfung auf Vollständigkeit der Angaben bzw. der hier gezeigten Diskrepanzanalyse
zeigt die Vielzahl pharmazeutischer Empfehlungen, dass die ABP-Prüfung ein weiterer
wichtiger Schritt ist, die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen [13]
[14]
[15]. Gerade zum perioperativen Management oder Erkennen unerwünschter Arzneimittelereignisse
können Apotheker einen relevanten Beitrag leisten [16]
[17]
[18]
[19]. So wurden und werden weitere Strategien zur interprofessionellen Zusammenarbeit
in Studien und Modellprojekten erprobt und validiert, welche die Vollständigkeit und
den Nutzen des BMP für Patienten weiter erhöhen sollen [20]
[21]. Im Patientengespräch sollte zudem sichergestellt werden, dass die Patienten den
BMP auch verstehen und richtig anwenden können. Gerade Ältere und Patienten mit geringerem
Bildungsgrad haben Schwierigkeiten bei der Interpretation des BMP [22]. Darüber hinaus bietet es sich an, den Patienten selbst in die Erstellung und Aktualisierung
seines Plans einzubinden – sei es über Apps oder andere patientenzentrierte Projekte
[23].
Langfristig sollte die Nutzung eines einzigen elektronischen Dokumentes zur Erfassung
von Therapieänderungen dazu beitragen, Medikationspläne zumindest halbautomatisch
zu aktualisieren und, durch Beteiligung aller involvierten Akteure, die Vollständigkeit
der Angaben und damit auch die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen.
-
Der BMP ist eine an den Schnittstellen der Patientenversorgung immer häufiger genutzte
Informationsquelle. Eine unkritische Übernahme der Informationen aus dem BMP bei stationärer
Aufnahme hätte jedoch in 78 % zu Abweichungen zur zuletzt tatsächlich vom Patienten
eingenommenen Medikation geführt.
-
Am häufigsten fehlten auf dem BMP tatsächlich eingenommene Arzneimittel (n = 103).
Dieser Erhebung nach sollten vor allem Schmerzmittel, besondere Arzneiformen (wie
z. B. Augentropfen) und rezeptfreie Arzneimittel gezielt abgefragt und im BMP entsprechend
ergänzt werden.
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Neben der Prüfung auf Diskrepanzen zeigen die bei der Anamnese dokumentierten Hinweise
und Empfehlungen, dass die Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit ein wesentlicher
Bestandteil des Anamnesegesprächs bleiben sollte.
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Hinsichtlich der untersuchten Eigenschaften der BMP war lediglich das Auftreten von
Diskrepanzen zu Falschangaben bei Stärke und Dosierung mit der Aktualität des BMP
assoziiert, weshalb in der Praxis Pläne, die älter als einen Monat sind, besonders
kritisch hinsichtlich Angaben zu Stärke und Dosierung geprüft werden sollten.