Intensivmedizin up2date 2021; 17(02): 179-196
DOI: 10.1055/a-1166-0724
Allgemeine Intensivmedizin

Entscheidungen am Lebensende und Palliativtherapie in der Intensivmedizin

Frank Erbguth
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Die vielfältigen Herausforderungen der intensivmedizinischen Behandlung kritisch Kranker am Ende des Lebens erfordern eine Integration palliativmedizinischer Behandlungskompetenzen in die „Kultur“ der Intensivstation. Die angemessene Handhabung eines palliativen Therapiezielwechsels setzt eine reflektierte Prognosestellung bezogen auf definierte Behandlungsziele sowie die Kenntnis der ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen von End-of-Life-Situationen voraus.

Kernaussagen
  • Bei etwa zwei Dritteln der Intensivpatienten stellen sich in den unterschiedlichen Behandlungsphasen Fragen nach einem Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen und nach einer möglichen Änderung des Therapieziels hin zu einer palliativen Versorgung.

  • Die vermeintliche Gegensätzlichkeit von Intensiv- und Palliativmedizin ist abgelöst worden von einer integrativen Sicht des Ineinandergreifens beider Therapieformen.

  • Die Identifikation der Bedingungen und des angemessenen Zeitpunkts einer Therapiezieländerung stellt eine große Herausforderung für alle Beteiligten dar: für den Patienten selbst, seine Angehörigen oder Betreuungspersonen sowie die betreuenden Ärzte und Pflegekräfte.

  • Für eine angemessene Entscheidung am Ende des Lebens müssen die medizinischen, rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen sorgfältig analysiert werden und die Kriterien und Umstände eines palliativen Therapiezielwechsels transparent und partizipativ kommuniziert werden.

  • Zunächst ist die Prognose und die daraus resultierende Indikation für kurative und/oder lebensverlängernde Maßnahmen zu analysieren und dann der Wille des Patienten zu ermitteln.

  • Prognosen sollten auf die entsprechenden konkreten Outcomes und Therapieziele bezogen und kategorisiert werden, z. B. infaust hinsichtlich Überleben, Wiederherstellung oder Lebensqualität.

  • Anhand der vier medizinethischen Prinzipien hinsichtlich Wohlergehen, Nicht-Schaden, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit können Entscheidungen im Einzelfall abgewogen und getroffen werden.

  • Die Hinzuziehung palliativer Kompetenz und ethischer Beratungsmöglichkeiten erleichtert Entscheidungen zum palliativen Therapiezielwechsel und dessen Durchführung in komplexen End-of-Life-Situationen.



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Article published online:
27 May 2021

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