Schlüsselwörter
Varikose - Krossektomie - Langzeitergebnisse - Barriere-Techniken
Key words
varicose vein disease - flush ligation - long term results - barrier techniques
Einleitung
Ca. 80 % der Rezidive nach Krossektomie und Stripping der Vena saphena magna werden
durch Insuffizienzen aus dem Krossenbereich gespeist. Dementsprechend kommt der Krossenregion
eine Schlüsselfunktion zu, wenn es um die Vermeidung von Rezidiven geht. Dieser Zusammenhang
war bereits in den 60er-Jahren phlebochirurgischen Pionieren wie Nabatoff oder Dodd
bekannt [1]
[20]. In größeren Fallserien konnten die Autoren nachweisen, dass die inkomplette Entfernung
der VSM mit Belassen eines Krossestumpfes zur Ausbildung von Rezidiven führt. Dieser
Erkenntnis folgend wurde das Prinzip der Krossektomie entwickelt: die Resektion der
krankhaft veränderten VSM im Krossenbereich mit bündiger Ligatur des Gefäßes an der
Vena femoralis communis. Das Motto „No stump, no recurrence“ ist seither zu einem
phlebochirurgischen Leitsatz geworden, der in venenchirurgischen Lehrbüchern [11] und in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie Berücksichtigung
findet [21].
Krossenrezidive können aber auch nach technisch einwandfreier Operation auftreten.
Ausgehend von der Ligaturstelle an der tiefen Vene beeinträchtigen sogenannte Neovaskulate
das Operationsergebnis. In einem noch weitgehend unerforschten Prozess kommt es infolge
der Neubildungen zur Wiederherstellung der unerwünschten Passage vom tiefen in das
oberflächliche Venensystem [3]. Ab einem Durchmesser von ca. 5 mm werden die Refluxwege in der Krosse klinisch
relevant und können zum proximalen Insuffizienzpunkt einer Rezidivvarikose werden.
Die Neovaskulate entspringen direkt neben der ursprünglichen Ligaturstelle als Mono-Channel
oder Multi-Channel-Rezidiv [2]. Sie können aber auch mit einer Rekanalisation des ligierten Saphenastumpfes einhergehen.
In diesem Fall schließt sich das Neovaskulat direkt an den Resektionsrand der Vene
an ([Abb. 1a, b]).
Abb. 1 Resektate von saphenofemoralen Rezidiven mit Rekanalisation des ligierten Saphenastumpfes
und anschließender Neovaskularisation. a Präparat mit rekanalisierter Ligatur (Mersilene R), Resektionsrand an der V. femoralis
communis. b Dünnwandiges und geschlängeltes Neovaskulat, das sich an einem rekanalisierten Saphenastumpf
entwickelt hat.
Die klinische Bedeutung der Neovaskularisation ist bis dato nicht eindeutig geklärt.
In ultraschallbasierten Studien wurden Neovaskularisationsraten von bis zu 60 % beschrieben.
Diese Studien waren jedoch methodisch fragwürdig, nachdem ein duplexsonografischer
Nachweis von Neovaskulaten nur eingeschränkt möglich ist [6]. Dennoch wurde die Neovaskularisation vielfach als Hauptursache des Krossenrezidivs
angesehen [3]
[18]
[23] und damit die Sinnhaftigkeit einer operativen Krossektomie infrage gestellt.
Mit der Deutschen Leistenrezidiv-Studie [7]
[16]
[18] erfolgte erstmalig eine histopathologische und immunhistochemische Analyse der Rezidivursachen
in einem großen Kollektiv. An 7 Zentren für Varizenchirurgie wurde bei 427 Patienten
anlässlich der Reoperation das Rezidivgefäß exstirpiert und zur feingeweblichen Untersuchung
eingeschickt. Nur 16,2 % (n = 69) der Rezidive waren tatsächlich auf ein Neovaskulat
zurückzuführen. Dagegen zeigte sich bei 65,3 % (n = 279) der Präparate ein zu lang
belassener Saphenastumpf als Rezivursache. Nicht die Neovaskularisation, sondern die
technisch fehlerhafte Krossektomie ist also die Hauptursache des Leistenrezidivs.
Im Umkehrschluss bestätigte die Studie den phlebochirurgischen Grundsatz, dass die
ordnungsgemäße Krossektomie ein Leistenrezidiv weitestgehend verhindert.
Zur Überprüfung dieser These wurde von der Arbeitsgemeinschaft Varizenoperationen
der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie die LaVaCro-Studie initiiert [22]. An 12 phlebochirurgischen Zentren wurden 841 Patienten mit 1070 standardisiert
durchgeführten Krossektomie- und Stripping-Operationen in die Studie aufgenommen.
Nur bei 2,24 % der prospektiv untersuchten Extremitäten zeigte sich im Verlauf nach
1 Jahr ein duplexsonografisch verifizierbarer Krossenreflux, der nur in 0,29 % der
Fälle klinisch relevant war. Damit lieferte auch die LaVaCro-Studie eine Bestätigung
der alten phlebochirurgischen Weisheit: Die ordnungsgemäße Krossektomie verhindert
weitestgehend das Rezidiv.
Rezidivprophylaxe durch eine ordnungsgemäße Krossektomie
Rezidivprophylaxe durch eine ordnungsgemäße Krossektomie
Die ultraschallassistierte Operationsplanung mit Anzeichnung der Refluxwege durch
den Operateur ist ein wichtiges Qualitätskriterium für eine ordnungsgemäße Krossektomie.
Anatomische Varianten werden bereits präoperativ aufgedeckt und können damit in die
Operationsplanung einbezogen werden. Im Bedarfsfall muss auch intraoperativ auf den
Ultraschall zurückgegriffen werden können.
Selbstverständlich ist eine atraumatische Operationstechnik mit schonender Präparation
erforderlich. Das Subkutangewebe wird mit einem glatten Schnitt bis zur Camper-Faszie
durchtrennt. Diese wird anschließend längs gespalten. Bei der dann folgenden Präparation
im lymphatischen Gewebe wird nur noch in Längsrichtung präpariert. Die Durchtrennung
von Lymphbahnen muss vermieden werden. Es folgt die Dissektion der VSM und ihrer Seitenäste.
Dabei werden auch das Foramen ovale und die Vorderwand der tiefen Vene dargestellt
([Abb. 2a]). Nach Absetzen der Seitenäste wird die VSM in Höhe der Mündungsklappe abgeklemmt
([Abb. 2b]). Die VSM wird anschließend abgesetzt und mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial
im Niveau der tiefen Vene ligiert. Zur Prophylaxe einer Neovaskularisation sollte
das an der Stumpfrosette freiliegende Endothel der VSM ausgeschaltet werden. Hierzu
verschorfen wir vorsichtig das Endothel mit dem Elektrokauter. Anschließend führen
wir noch eine Invertierungsplastik nach Frings [5] durch. Mit einer überwendlich gestochenen Naht wird dabei die Stumpfrosette verschlossen
und damit das Endothel der Vene bedeckt. ([Abb. 2c]). Ein weiterer wichtiger Operationsschritt ist der Verschluss des Foramen ovale
mit einer Naht ([Abb. 2 d]). Diese Maßnahme dient ebenfalls der Rezidivprophylaxe. Schließlich nehmen sämtliche
saphenofemoralen Rezidive ihren Weg durch das Foramen hindurch. Der Faszienverschluss
soll eine Barriere bilden und das tiefe Kompartiment vom oberflächlichen dauerhaft
trennen. De Maeseneer et al. [15] konnten im Vergleich zu einer historischen Kontrollgruppe einen signifikanten Vorteil
der Barriere-Technik zeigen mit einer Reduktion der inguinalen Neorefluxraten im 1-Jahres-Follow-up
von 14,8 % auf 6,7 %.
Abb. 2 a Einmündungsbereich der Saphenakrosse mit der Einmündung der V. epigastrica superficialis
(X). Blick auf das Foramen ovale der Fascia lata (XX). Direkt unterhalb der Faszie
liegt die V. femoralis communis. b Eine Overholt-Klemme wird im Niveau der Mündungsklappe gesetzt. c Blick in das Foramen ovale (XX) nach erfolgter Krossektomie und Invertierungsplastik
des Endothels nach Frings. d Verschluss des Foramen ovale mit resorbierbarem Nahtmaterial. Der Saphenastumpf bleibt
unterhalb der Faszia lata. Die Schaffung einer Faszienbarriere dient der Prophylaxe
von Krossenrezidiven. Quelle: Rabe E, Stücker M (Hrsg). Phlebologischer Bildatlas.
WPV. Verlag, Köln 2015. [rerif]
Operative Therapie des inguinalen Krossenrezidivs
Operative Therapie des inguinalen Krossenrezidivs
Der Zugang zum saphenofemoralen Rezidiv kann über verschiedene Wege gewonnen werden
[8]
[9]
[10]
[12]
[13]. Die am häufigsten gebräuchlichen Methoden sind die präfemorale Stumpfligatur nach
Hach [10] und der modifizierte Zugang nach Junod [12]. Bei beiden Methoden wird das Narbengewebe der Voroperation umgangen, und zwar von
proximal bei der von Hach beschriebenen Methode und von lateral bei dem Zugang nach
Junod. Nach unserer Erfahrung bietet der laterale Zugang Vorteile im Hinblick auf
die Schonung des lymphatischen Gewebes, das umgangen wird.
Ausgehend von einer Inzision in der Leistenfalte erfolgt nach der Durchtrennung des
Fettgewebes die Darstellung der Camper-Faszie, welche das lymphatische Gewebe bedeckt.
Nun wird nur noch in Längsrichtung präpariert. Die Längsdurchtrennung des lymphatischen
Gewebes erfolgt dann 1–2 Querfinger lateral des Leistenpulses. Dort läuft das lymphatische
Gewebe aus. Wesentliche Schädigungen des Lymphapparates sind hier nicht zu erwarten.
Nach Darstellung der Faszie ändert sich die Präparationsrichtung nach medial. Unter
atraumatischer Abhebung des Lymphgewebes wird über die pulsierend tastbare Arterie
hinweg präpariert bis an den Rand des meist vernarbten Foramen ovale, wo sich das
saphenofemorale Rezidiv befindet. Die Faszie wird längs geöffnet und die Vorderwand
der V. femoralis communis dargestellt. Unter Beachtung der hier meist quer verlaufenden
A. pudenda externa wird das Rezidiv von subfaszial aus in das epifasziale Gebiet hinein
zirkulär freipräpariert, bis das Gefäß klemmbar ist und durchtrennt werden kann. Der
proximale Gefäßstumpf wird analog zum Ersteingriff mit nicht resorbierbarer Naht versorgt.
Der distale Stumpf wird ebenso übernäht. Gegebenenfalls kann nach distal hin auch
noch eine Schaumsklerosierung von chirurgisch schlecht erreichbaren Konvoluten angeschlossen
werden.
Rezidivprophylaxe mit der Barriere-Operation
Dem Verschluss der Faszienlücke im Foramen ovale kommt bei der Rezidivoperation eine
besondere Bedeutung zu. Wegen der üblicherweise nach Voroperation bestehenden narbigen
Veränderungen ist allerdings der Verschluss der Faszienlücke durch eine einfache Naht
oft nicht möglich. In dieser Situation kann die Durchtrittspforte für saphenofemorale
Rezidive mit der sogenannten Barriere-Operation verschlossen werden. Ein 3 × 2 cm
durchmessender Flicken aus Polytetrafluorethylen wird zentral auf das ligierte Saphenastumpfrezidiv
aufgenäht. Hierzu dient eine 5 × 0-Naht aus Polypropylen. Die 4 Ecken des Flickens
werden ebenfalls mit Polypropylennähten an der Fascia lata angeheftet, sodass eine
strikte Trennung der tiefen Vene vom oberflächlichen Kompartiment resultiert ([Abb. 3]).
Abb. 3 Verschluss des Foramen ovale der Fascia lata mit einem 3 × 2 cm durchmessenden Flicken
aus Polytetrafluorethylen. Dadurch soll die Faszienbarriere zwischen dem tiefen und
dem oberflächlichen Kompartiment komplettiert werden.
Diskussion
Dreh- und Angelpunkt für die Nachhaltigkeit einer Varizenoperation ist die Krossenregion.
Hier gilt es, eine strikte Trennung zwischen dem tiefen und dem oberflächlichen Kompartiment
dauerhaft herbeizuführen. Die ordnungsgemäße Krossektomie ist dabei ein entscheidender
Faktor. Es muss unbedingt vermieden werden, einen Stumpf der krankhaft veränderten
V. saphena magna in situ zu belassen. Jeder Stumpf – auch ein noch so kurzer – ragt
durch das Foramen ovale hindurch in das oberflächliche Kompartiment hinein und kann
damit zum proximalen Insuffizienzpunkt eines Varizenrezidivs werden ([Abb. 4]).
Abb. 4 Sonografische Darstellung der V. saphena magna-Krosse. Die Fascia lata liegt der
tiefen Vene unmittelbar auf. Auch ein kurzer Stumpf würde in das oberflächliche Kompartiment
(rote Linie) hineinragen.
Die potenzielle Durchtrittspforte für das spätere saphenofemorale Rezidiv – das Foramen
ovale – sollte im Rahmen der Krossektomie verschlossen werden. Auf diese Weise kann
eine dauerhafte Faszienbarriere zwischen den Kompartimenten hergestellt werden. In
der bereits erwähnten Multicenterstudie von Papapostolou et al. [22] konnte gezeigt werden, dass eine ordnungsgemäße Krossektomie in Verbindung mit dem
Faszienverschluss zu guten Langzeitergebnissen führt.
Die strikte Trennung der Kompartimente ist auch bei der Rezidivoperation ein wesentliches
Ziel, das allerdings meistens nur durch eine Art Bruchlückenverschluss, augmentiert
mit einem Flicken aus Polytetrafluorethylen, erreicht werden kann. Die Wirksamkeit
der sogenannten Barriere-Operation wurde bereits durch eigene [4] und internationale Studien [14]
[24] belegt.
Die aus der operativen Rezidivforschung gewonnenen Erkenntnisse gelten grundsätzlich
auch für die endovenösen Verfahren. Die im Vergleich zur operativen Therapie höhere
Rate saphenofemoraler Rezidive [17]
[19]
[25] hängt sehr wahrscheinlich damit zusammen, dass die dauerhafte Trennung der Kompartimente
allein auf endovenösem Wege problematisch ist. Analog zu den Leitlinienempfehlungen
für die operative Behandlung müsste ein endovenöser Krossenverschluss unterhalb vom
Niveau der Fascia lata bleiben. Inwieweit dies technisch möglich ist, muss durch weitergehende
Studien geklärt werden.