Sprache · Stimme · Gehör 2020; 44(02): 107-115
DOI: 10.1055/a-0899-6784
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Arbeitsgedächtnis – eine Bestandsaufnahme

Working Memory – An Overview
Christiane Kiese-Himmel
Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universitätsmedizin Göttingen (UMG): Phoniatrisch/Pädaudiologische Psychologie
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Korrespondenz

Prof. Dr. rer. nat. Christiane Kiese-Himmel, Dipl.-Psych.
Phoniatrisch/Pädaudiologische Psychologie, Universitätsmedizin Göttingen
Waldweg 35
37073 Göttingen

Publication History

eingereicht 24 April 2019

akzeptiert 12 September 2019

Publication Date:
16 January 2020 (online)

 

Zusammenfassung

Das Kurzzeitgedächtnis ist ein kapazitätslimitierter passiver Informationsspeicher. Seine Facette „Arbeitsgedächtnis“ hingegen ist nicht nur speicher-, sondern auch verarbeitungsorientiert, wodurch die aufgenommene Information ohne Zeitverzug für andere kognitive Prozesse zur Verfügung gestellt werden kann. Somit ist das Arbeitsgedächtnis ein dynamisches System zur Informationsverarbeitung, in dem alle bewussten Inhalte zusammentreffen. In den letzten 50 Jahren wurde das aus der Kognitiven Psychologie kommende Konstrukt „Arbeitsgedächtnis“ zunehmend mehr in klinische und pädagogische Kontexte übertragen. Insbesondere das hierarchische Mehrkomponentenmodell zum Arbeitsgedächtnis sensu Baddeley (1986, 2000) erhielt hohe Beachtung. Hier wird auf dessen ontogenetische Entwicklung, neuronalen Hintergrund, die Diagnostik im Kindesalter und klinische Relevanz des Konstrukts eingegangen.


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Abstract

Short-term memory is a passive data storage of limited capacity whereas its facet “working memory” is not only storage-orientated, but also processing-orientated. Received information will make available immediately for other cognitive processes. As consequence of this, working memory is a dynamic system for information processing in which all conscious information comes together. Over the last 50 years, the concept of working memory as originating from cognitive psychology was transferred increasingly in many areas of clinics and education. The hierarchical multi-component approach to working memory in the tradition of Baddeley (1986, 2000) has proved extremely popular. This article will present its ontogenetic development, neuroanatomic and neuronal correlates as well as diagnostics in childhood. Finally, its clinical relevance will be addressed.


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Einleitung

Die kurzzeitige Speicherung von Reizen findet im sensorischen Gedächtnis (Ultrakurzzeitgedächtnis, UKZG) statt, bei der über die Sinnesorgane aufgenommene Daten für Millisekunden bis 10–15 Sekunden in modalitätsspezifischen sensorischen Speichern verbleiben (z. B. im echoischen, ikonischen oder haptischen UKZG). Ein kleiner Teil, und zwar die vom Individuum als bedeutsam erachteten Daten („psychologisch motivierte Weiterverarbeitung“), wird in das Kurzzeitgedächtnis (KZG) überführt. Das ist ein Speicher, der eine limitierte Informationsmenge in einem unmittelbar verfügbaren Zustand bereithält. Von ihm kann die Information durch Wiederholung in das Langzeitgedächtnis (LZG) mit unbegrenzter Kapazität und Haltedauer befördert werden (Drei-Speicher-Modell [1]).

Die meisten kognitiven Aufgaben wie auch kurzfristige Planungen erfordern einen Mechanismus zur anforderungsabhängigen Bereitstellung der im KZG hinterlegten Information, um zielgerichtet Reaktionen oder Handlungen einzuleiten. Damit ist ein Mechanismus gemeint, der die vorübergehende Aufrechterhaltung und gleichzeitige Verarbeitung von Information ermöglicht, was im Verbund mit anderen kognitiven Voraussetzungen und Aktivitäten den Ausgangspunkt für Lernen darstellt [2]. Demgemäß gilt die Funktionstüchtigkeit dieses Mechanismus, Arbeitsgedächtnis (AG) genannt, als Prädiktor für erfolgreiches Lernen. Die Kapazität des AGs im Alter von 5 Jahren sagt Schulleistungen 6 Jahre später besser voraus als der Intelligenzquotient [3]. Im Kindesalter korreliert das AG mit schulischem Erfolg [4].

Das AG ist ein Konstrukt, welches das Konzept des KZGs präzisiert und das in der pädagogischen, psychologischen und klinischen Praxis sowie Forschung seit Jahren zunehmend mehr genutzt wird, obgleich die Begrifflichkeit bereits 1960 von Miller et al. [5] eingeführt wurde. Es existieren verschiedene theoretische Konzeptionen des AGs, die sich in strukturellen wie auch in funktionellen Details unterscheiden [6]. Die meisten Modelle tragen der Vorstellung Rechnung, dass es bereichsübergreifende und bereichsspezifische Komponenten gibt, die bei der kognitiven Verarbeitung interagieren. In diesem Sinn wurde das hierarchische Mehrkomponentenmodell des Arbeitsgedächtnisses von Baddeley und Hitch [7] populär, welches sich u. a. auf zwei Modalitäten beschränkt. Es ist ein dynamisches Konzept, das sich als eine alternative Konzeption zu der eingangs skizzierten statischen und zeitlich konzipierten Kurzzeitspeicherung von Atkinson und Shiffrin [1] versteht, indem es eine passive modalitätsspezifische Speicherung (visuell-räumlich; akustisch, insbesondere phonologisch) mit Kapazitätsbegrenzung sowie eine aktive Komponente zur Verbesserung der Kurzzeitgedächtnisleistung postuliert.

Weil phonologische Verarbeitung ein Aspekt von Sprachverarbeitung ist, spricht man auch vom verbalen AG. Erfahrungsbasierte Erklärungsansätze führen interindividuelle Leistungsunterschiede im verbalen AG auf unterschiedliche Erfahrung mit verschiedenen Sprachelementen zurück. Damit unterscheidet sich das verbale AG konzeptuell nicht mehr vom Phänomen „Sprachverarbeitung“. Psycholinguistische Modelle zur Sprachverarbeitung sehen im verbalen AG die Aktivierung von LZG-Repräsentationen, z. B. semantisch-lexikalischer Information [8, 9].

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf das Baddeley-Modell zum AG, das für Praxis und Forschung in der Kognitiven Psychologie, Entwicklungspsychologie, Pädagogischen Psychologie, Sprachtherapie, Kognitiven Neuropsychologie, Klinischen Neuropsychologie und in verschiedenen Fachgebieten der Klinischen Medizin eine weitestgehend etablierte Basis darstellt. Es thematisiert die Verarbeitung auditiver sowie visuell-räumlicher Information und lässt prozessorientierte Ansätze [10, 11] außer Acht.


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Struktur des Arbeitsgedächtnisses sensu Baddeley und Kollegen

Nach dem Mehrkomponentenmodell sensu Baddeley und Hitch [7] gibt es in der auditiven Modalität einen sprachlich-akustischen Kurzzeitspeicher, die phonologische Schleife („phonological loop“) und in der visuellen Modalität den Kurzzeitspeicher visuell-räumlicher Notizblock („visuo-spatial sketch pad“). Zudem existiert eine zentrale Exekutive („central executive“), welche den beiden modalitätsspezifischen Speichern übergeordnet ist und keine Speicherressourcen hat. Dieses Modell wurde von Baddeley im Jahr 2000 [12] um eine weitere Komponente mit limitierter Speicherkapazität für multimodale Reize erweitert: den episodischen Speicher („episodic buffer“); dieser vermag Information aus den anderen Komponenten (sowie aus dem LZG als Wissensbasis) zu integrieren und anschließend in das LZG zu transferieren, indem er z. B. phonologische wie auch visuelle Information in „Episoden“ speichert ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Interagierende Komponenten und Subkomponenten im hierarchischen Arbeitsgedächtnismodell in Anlehnung an Baddeley (2000).

Die den beiden modalitätsspezifischen Komponenten und dem episodischen Speicher übergeordnete zentrale Exekutive übernimmt die Selektion bzw. Fokussierung der Aufmerksamkeit, die Koordination, z. B. der modalitätsspezifischen Speicher, Kontrolle und Nutzung der Bearbeitung von Information aus den modalitätsspezifischen Speichern, wählt Abrufstrategien aus und steuert den Abruf der Information.

Die phonologische Schleife (sprachlicher Kurzzeitspeicher) besteht aus

  • einer passiven Komponente, dem phonologischen oder akustischen Speicher, der Lautsprache für ca. 2 Sekunden hält („phonological store“) und

  • einem aktiven artikulatorischen Kontrollprozess („subvocal articulatory rehearsal system“), der subvokalen Wiederholung bzw. dem „stillen Sprechen“.

Der artikulatorische Kontrollprozess vermag zudem durch subvokales Benennen die Umkodierung von visuellem Input in ein sprachliches Format zu leisten. Wenn Bilder oder Schriftsymbole subvokal „phonologisiert“ und in der „phonologischen Schleife“ gehalten werden, kann die Behaltensleistung erhöht werden. Es gibt Hinweise, dass die Verarbeitung linguistischer und musikalischer Informationen auf dieselben kognitiven Ressourcen zurückgreift, doch weitere Forschung muss zeigen, ob diese tatsächlich im phonologischen Arbeitsgedächtnis liegen [13].

Eingehende verbo-akustische Information zerfällt im passiven Kurzzeitspeicher innerhalb von ca. 2 Sekunden. Der Zerfallsprozess kann aufgehalten werden, wenn die Information durch subvokale Wiederholung „aufgefrischt“ wird, so wieder in den Speicher gelangt und damit länger erhalten bleibt. Selbst Patienten mit einer Dysarthrie, die die periphere Kontrolle über ihre Sprechmuskulatur verloren haben, können dies noch leisten [14]. Hasselhorn et al. [15] haben in einem erweiterten AG-Modell die beiden Komponenten der phonologischen Schleife nach ihrer (spezifischen Funktion) weiter differenziert und unterscheiden den Speicher nach seiner Größe und Verarbeitungspräzision; beim aktiven artikulatorischen Kontrollprozess unterteilen sie nach der Geschwindigkeit des Kontrollprozesses und dem Automatisierungsgrad seiner Aktivierung.

Der visuell-räumliche Notizblock hat ebenfalls eine begrenzte Speicherkapazität und besteht auch aus einer passiven und einer aktiven Komponente:

  • die passive Komponente (Speicher) leistet das Behalten statisch-visueller Information (wie Farbe, Form, Textur von Objekten) über wenige Sekunden (nach Logie [16]: „visual cache“),

  • die aktive Komponente ist ein Kontrollprozess für dynamisch-räumliche Informationsverarbeitung wie Objektposition oder -bewegung (nach Logie [16]: „inner scribe“). Analog zur subvokalen Wiederholung wird im „inneren Schreiben“ ein visuell-räumlicher Kontrollprozess vermutet, der die Information im visuell-statischen Speicher auffrischt.

Das visuell-räumliche AG korreliert stark mit mathematischen Fähigkeiten, das phonologische AG mit verbalen Fähigkeiten, in der primären Sprachentwicklung u. a. mit dem rezeptiven Wortschatz als Vorläufer des expressiven Lexikons [17], und es ist ein Marker für Sprachentwicklungsstörungen [18]. Auch beim Zweitspracherwerb spielt es eine Rolle [19]. Phonologisches und visuell-räumliches AG sind eng mit der syntaktischen Verarbeitung verknüpft [20]. Gesunde Personen haben einen Vorteil für auditives (gegenüber visuellem) Merkmaterial („Modalitätseffekt“ [21]).


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Entwicklung des Arbeitsgedächtnisses

Das AG ist positiv alterskorreliert, da seine Funktionstüchtigkeit mit ansteigendem Lebensalter in der frühen und mittleren Kindheit zunimmt [22], allerdings nimmt seine Leistungsfähigkeit im Alter wieder ab [23]. Als Grund für den mentalen Leistungsabbau im Alter werden verringerte AG-Ressourcen und/oder deren ineffiziente Nutzung wie auch eine kognitive Verlangsamung des Individuums diskutiert.

Für die Entwicklung der „zentralen Exekutive“, deren Aufgabe es u. a. ist, Aufmerksamkeitsressourcen vorzuhalten, sind die ersten 5 Lebensjahre maßgeblich [24]. Die gerichtete (selektive oder fokussierte) Aufmerksamkeit wird im 1. Lebensjahr allmählich ausgebildet und verbessert sich im Alter von 5 bis 7 Jahren deutlich. In einer empirischen Studie an 8- bis 15-jährigen Kindern zeigten Gathercole et al. [25], dass die 3 AG-Komponenten (zentrale Exekutive, phonologische Schleife, visuell-räumlicher Notizblock) im Alter von 6 Jahren zwar funktionsfähig sind, doch die Kapazität jeder Komponente auf dem Hintergrund der zerebralen Entwicklung und der Ausdifferenzierung zentral-exekutiver Kontrollprozesse linear bis zur frühen Adoleszenz ansteigt.

Die passive Speicherkomponente der „phonologischen Schleife“ entwickelt sich ontogenetisch früh, wohingegen der „subvokale Wiederholungsprozess“ erst etwa in einem Alter von 6 bis 7 Jahren (automatisch) einsetzt. Dieser läuft in Abhängigkeit von der Entwicklung der individuellen Sprechgeschwindigkeit zunehmend zügiger ab, und eine Zunahme der Verarbeitungsgeschwindigkeit geht mit einer effizienteren Verarbeitung und folglich höheren Leistung in der Bewältigung von kurzzeitigen Gedächtnisanforderungen einher.

Ein 3-jähriges Kind kann sich 2–3 klangunähnliche Wörter merken, am Ende des Grundschulalters sind es 4 Wörter [22] oder ca. 6 Ziffern bzw. etwa 7 statisch-visuelle oder 5 bis 6 räumlich-dynamische Elemente [26]. In der Regel ist spätestens am Ende der Adoleszenz die Gedächtnisspanne voll ausgebildet, die nach Miller [27] im Mittel für 7 plus/minus 2 Elemente ausgelegt ist; stehen die zu merkenden Items in einem Sinnzusammenhang, z. B. Wörter in einem Satz, kann die Gedächtnisspanne durchaus höher ausfallen. Die „Ziffern- oder Zahlenspanne“ (digit span) entwickelt sich schneller als die „Wortspanne“ (word span).

Die Entwicklung des passiven visuellen Speichers im „visuell-räumlichen Notizblock“ steigt von ca. 5 richtig reproduzierten Kästen in der Matrixaufgabe (s. Abschnitt „Visuelle Modalität“) über 7 am Ende der Grundschulzeit zu ca. 10–14 im frühen Erwachsenenalter an. Die räumlich-dynamische Funktion verbessert sich von einer Corsi-Spanne von ca. 4 korrekt behaltenen Corsi-Blöcken (s. Abschnitt „Visuelle Modalität“) im Vorschulalter bis zu 6/7 in der Adoleszenz. Es ist anzunehmen, dass die visuelle Informationsverarbeitung mit höherem Lebensalter stärker von der „phonologischen Schleife“ und der „zentralen Exekutive“ übernommen wird.


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Neurologische Korrelate des Arbeitsgedächtnisses

Das AG, welches mentale Repräsentationen kurzzeitig verfügbar hält, ist kein eigenständiges neuroanatomisches Modul [28]; es existiert keine Isomorphie von AG und einer einzelnen Hirnregion. Das AG wird in posterioren und in anterioren kortikalen Netzwerken realisiert, die in Abhängigkeit von der Gedächtnisanforderung spezifische Aktivierungsmuster zeigen, wobei der präfrontale Kortex [29] – der nicht nur das neuronale Korrelat der „zentralen Exekutive“ ist – eine herausragende Bedeutung hat [30].

Phonologische Speicherung wird von einem links temporo-parietalen Areal geleistet, „stilles Wiederholen“ (subvocal rehearsal) findet in einem links-frontalen Areal (Broca-Zentrum in den Brodmann Arealen 44/45) innerhalb der Großhirnhemisphäre statt. Gemäß funktionell-bildgebenden Verfahren werden während einer Prüfung des AGs der linke inferiore Parietallappen (phonologischer Speicher), der posteriore Teil in der Pars triangularis des Gyrus frontalis inferior bzw. das Broca-Zentrum, motorische Assoziationsfelder, der prämotorische Kortex und das Zerebellum neuronal aktiviert [31, 32]. Es handelt sich damit vorwiegend um die Integration neuronaler Prozesse in höheren kortikalen Strukturen, auf denen auch die Sprachwahrnehmung und Sprachproduktion basieren [33].

Ebenso wird bei der Verarbeitung visueller bzw. visuell-räumlicher Anforderungen ein Netzwerk aus präfrontalen, posterioren parietalen und okzipitalen Arealen aktiviert. Objekterkennungsaufgaben beanspruchen die linke Hirnhemisphäre, räumliche Aufgaben mehr die rechte.


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Kurzzeit- bzw. Arbeitsgedächtnisdiagnostik

In Anbetracht der Bedeutung des AGs für die kognitive Entwicklung und den schulischen Lernerfolg eines Kindes ist es ratsam, dessen Funktionstüchtigkeit früh zu überprüfen, denn das ist ein diagnostischer Beitrag zur Risikobestimmung umschriebener Entwicklungsstörungen [34].

Die Beurteilung von Aufmerksamkeit und Gedächtnis gehört mit zu den wichtigsten diagnostischen Aufgaben, weil Testuntersuchungen der Kognition von Aufmerksamkeit (Aufmerksamkeitsaktivierung und -zuwendung) und vom intakten sensorischen Input abhängig sind. Da Testanweisungen meistens mündlich gegeben werden, besteht die Gefahr der Verfälschung von Testergebnissen, wenn die Testperson eine periphere Hörstörung oder auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) hat. Um im Kindesalter Aufmerksamkeit differenziert zu untersuchen, bietet sich die KITAP an, eine computergestützte Aufmerksamkeitstestbatterie [35]; für das Alter von 6 bis 10 Jahren liegen Normen vor. Mit ihr werden primär Geschwindigkeit, Flexibilität, geteilte Aufmerksamkeit, kontrollierte Reaktionsbereitschaft und visuelle Scan-Leistung erfasst. Ergänzt wurde diese Testbatterie durch Verfahren zur Ablenkbarkeit, Vigilanz und Daueraufmerksamkeit.

Im Vergleich zu Intelligenztests sind AG-Aufgaben weniger bildungs- und wissensabhängig, doch sie ergänzen die klassische Intelligenzdiagnostik. Die Leistung der modalitätsspezifischen Speicher wird mit sog. Spannenmaßen geprüft. Diese bestehen aus Aufgaben zum unmittelbaren seriellen Behalten und Reproduzieren („serial recall“). Einfache Gedächtnisspannentests sind der klassische Indikator für das KZG, mit komplexen Gedächtnisspannentests hingegen wird das AG untersucht. Beide Testtypen teilen einen beträchtlichen Varianzanteil.

Auditive Modalität

Bei einfachen Gedächtnisspannentests in der auditiven Modalität gilt es, akustisch vorgegebene Folgen ansteigender Länge aus Ziffern (Ziffern- oder Zahlenspanne), einsilbigen, semantisch unverbundenen Wörtern (Wortspanne) oder nicht vertrauten sinnleeren Silbensequenzen (phonologisches AG für Kunst-, Pseudo- oder Nichtwörter) unmittelbar nach ihrer Darbietung, also nach einmaligem Hören, in der Darbietungsabfolge mündlich zu reproduzieren. Diese Leistung ist durch die individuelle Kapazität der „phonologischen Schleife“ bestimmt.

  • Zahlenspannenmaße sind in Subtests von standardisierten Intelligenztests enthalten, z. B. in der K-ABC-II [36], im WISC-V [37] oder WAIS-IV [38].

  • Der Mottier-Test [39] – ursprünglich eine informelle Prüfung mit 30 Nachsprechaufgaben von sinnleeren Silbensequenzen (2- bis 6-Silber) – wurde später von verschiedenen Autorengruppen in ein standardisiertes Prüfverfahren mit Audiopräsentation zur Erfassung des phonologischen AGs für für Kunst-, Pseudo- oder Nichtwörter überführt. Für dieses existieren Referenzwerte aus verschiedenen Studienpopulationen und für verschiedene Altersgruppen [40–47], die jedoch unterschiedliche Qualität aufweisen [48]. Die Pseudowortreproduktion ist ein Indikator zur Verarbeitung neuer phonologischer Muster.

  • Der standardisierte Sprachentwicklungstest für 3- bis 5-jährige Kinder mit dem Untertitel „Diagnose von Sprachverarbeitungsfähigkeiten und auditiven Gedächtnisleistungen“ (SETK 3–5 [49]) untersucht das phonologische AG mit 3 Subtests:

    • Phonologisches AG für Nichtwörter

    • Gedächtnisspanne für 1-silbige Wortfolgen

    • Satzspanne (unmittelbares Satzgedächtnis für korrekte und sinnlose Sätze ansteigender Länge).

  • Für Kinder älter als 5 Jahre wird zur Erfassung der Satzspanne auch der Subtest „Imitation grammatikalischer Strukturformen“ aus dem Heidelberger Sprachentwicklungstest (HSET [50]) verwendet, dessen Normen allerdings veraltet sind.

Die e. g. Spannenmaße basieren – ausgenommen die Satzspanne – ausschließlich auf phonologischen Repräsentationen. Die korrekte Wiedergabe eines Satzes beruht zudem auf propositional-konzeptuellen, lexikalischen und syntaktischen Repräsentationen [51]. Testpersonen unterscheiden sich in der Satzspanne v. a. durch ihre Verstehensleistung in der syntaktischen Analyse.

Durch folgende, experimentell nachgewiesene Effekte bei „Serial Recall Aufgaben“ wird der „phonologischen Schleife“ empirische Evidenz für ihre Existenz zugeschrieben:

  1. Lexikalitätseffekt [52]

  2. Wortfrequenzeffekt [53, 54]

  3. Wortlängeneffekt [55]

  4. Phonologischer Ähnlichkeitseffekt [56]

  5. Effekt der artikulatorischen Unterdrückung [57].

Im Einzelnen bedeutet dies:

  1. Reale Wörter werden leichter behalten als Kunstwörter, da bei der Wortwahrnehmung deren semantisch-konzeptuellen Repräsentationen im LZG angesprochen werden.

  2. Die Behaltensleistung ist besser für hoch- als für niedrig frequente Wörter, weil die lexikalische Information für häufig vorkommende Wörter leichter zugänglich ist (niedrigere Aktivierungsschwelle).

  3. Kurze, schnell aussprechbare Items wie Einsilber lassen sich subvokal schneller wiederholen als längere, mehrsilbige Wörter. Das liegt daran, dass durch die subvokale Wiederholung die Gedächtnisspur der vorhergehenden Wörter nicht so leicht zerfällt, in Folge dessen die Gedächtnisspanne für kürzere Wörter, also solche mit wenigen Silben, größer ausfällt. Das trifft auch für Kunstwörter zu.
    Die Geschwindigkeit der subvokalen Wiederholung („Rehearsalgeschwindigkeit“) entspricht in etwa der Sprechrate und lässt sich auch über diese bestimmen, indem z. B. ein vorgegebenes Worttripel möglichst schnell 10 × hintereinander korrekt laut nachzusprechen ist. Aus den 5 kürzesten Sprechzeiten wird die mittlere Silbenzahl berechnet, die pro Sekunde fehlerfrei nachgesprochen wurde. Die benötigte Zeit ist dann der Referenzwert für die Geschwindigkeit der subvokalen Wiederholung. Das Fehlen des Wortlängeneffekts weist auf die fehlende Nutzung der subvokalen Wiederholung hin.

  4. Phonologisch unähnliche Items sind leichter zu wiederholen als phonologisch ähnliche, weil ähnliche Gedächtnisspuren schwerer voneinander zu unterscheiden sind. Insofern wird die individuelle Prüfung der Gedächtnisspanne mit sprachklanglich unähnlichem Merkmaterial bei gesunden Personen höher ausfallen. Dieser Effekt ist auf Grund der phonologischen Repräsentationen realer Wörter im LZG größer als für Kunstwörter. Das gilt auch für vertraute Wortbausteine, so dass Kunstwörter mit solchen silbischen Elementen ebenfalls einem phonologischen Ähnlichkeitseffekt unterliegen.

  5. Der „Effekt der artikulatorischen Unterdrückung“ reduziert die Gedächtnisspanne und tritt auf, wenn die subvokale Wiederholung im Rahmen einer Merkaufgabe unterdrückt wird, z. B., weil die Testperson fortwährend irrelevante Sprachlaute, z. B. „blabla“ oder ein Wort leise aufsagen oder rückwärts zählen muss und somit die zu behaltene Information nicht in den phonologischen Speicher gelangen kann.

Nicht nur durch die erhaltende Wiederholung i. S. von „stillem Sprechen bzw. subvokalem Wiederholen“, sondern auch durch „Chunking“ (Verschlüsselung eingehender Information durch Gruppierung in größere semantische Informationseinheiten wie etwa Ziffern in ein Geburtsdatum oder einzelne Buchstaben in einen Namen) kann die Gedächtnisspanne vergrößert werden. Die Kapazität wird dann durch die Anzahl der Chunks (bedeutungsvolle Informationseinheiten) festgelegt. Daneben existieren weitere interne (und externe) Gedächtnisstrategien, die an dieser Stelle nicht ausgeführt werden.

Komplexe Gedächtnisspannentests bzw. aktive Spannenmaße in der auditiven Modalität sind u. a. die:

  • Ziffern- oder Zahlenspanne rückwärts.
    Um diese zu ermitteln, muss die Testperson eine ihr vorwärts vorgesprochene Zahlenfolge präsent halten, sie in der Reihenfolge umkehren und anschließend folgerichtig reproduzieren.
    Die Rückwärtswiedergabe soll vermeiden, dass die Testperson eine Gedächtnisstrategie wie „Chunking“ einsetzt. Das Prinzip solcher Aufgaben ist also, dass das AG während der Verarbeitung mit einer weiteren Anforderung belastet wird, was die attentionale „zentrale Exekutive“ beansprucht.

  • WISC-V-Subtest Buchstaben-Zahlen-Folgen.
    Eine Reihe von Buchstaben und Zahlen ist in neuer Anordnung zu reproduzieren, wobei die Zahlen in eine aufsteigende und die Buchstaben in eine alphabetische Reihenfolge zu bringen sind [37].


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Visuelle Modalität

Bei der Untersuchung des „visuell-räumlichen Notizblocks“, der für das Memorieren von Bildern zuständig ist, wird zwischen den Merkmalen „visuell“ und „räumlich“ unterschieden.

Das unmittelbare Behalten statisch-visueller Sequenzen wird mit Matrixaufgaben untersucht. Ergebnis ist die

  • einfache Matrixspanne. Hierzu werden Sequenzen von Schwarz-Weiß-Mustern unterschiedlicher Komplexität in einer 4 × 4- oder 5 × 5-Matrix per Computer angeboten, die unmittelbar danach in einer leeren Matrix zu erinnern sind.

  • Eine ältere Prüfung ist ein Bilderspannen-Subtest mit symbolischen, nicht konkreten Items: der Subtest „visuelles Symbolfolgengedächtnis“ aus dem Psycholinguistischen Entwicklungstest (PET [58]).

Das unmittelbare Behalten räumlich-dynamischer Sequenzen im visuellen AG wird erfasst mit

  • Corsi Block-Spannenaufgaben [26].
    Das verlangt die Reproduktion einer raumzeitlichen Sequenz, z. B. einer vom Untersucher im Sekundentakt vorgegebenen „Berührungsserie“ durch das Antippen von Blöcken;

  • dem Subtest Handbewegungen aus der K-ABC-II [36], der die Reproduktion einer Kette vorgemachter Handbewegungen (aus Handfläche, Handkante, Faust) von jeweils 2–4 Handbewegungen ansteigenden Komplexitätsgrades verlangt.

  • Im schriftsprachlichen Bereich wird häufig die Lesespanne erhoben. Hierbei ist eine Serie von Sätzen laut vorzulesen (Verarbeitung) und das letzte Wort eines Satzes muss für die spätere Abfrage gemerkt werden (Speicherung). Mit anderen Worten: Die kurzzeitige Erinnerung ist mit der Satzverarbeitung gekoppelt. Am Ende der Serie sind die gespeicherten letzten Wörter wiederzugeben. Die derart erhobene AG-Kapazität ist eng mit der individuellen Lesefähigkeit verbunden.


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Zentrale Exekutive

Traditionelle Maße für die „zentrale Exekutive“ sind u. a. die:

  • Zählspanne.
    Die Prüfung der Zählspanne besteht aus einer ansteigenden Sequenz von zufällig angeordneten Symbolen (wie Kreise) via Computer, die die Testperson zählen, sich merken und anschließend in der richtigen Abfolge wiedergeben soll.

  • Zahlenspanne rückwärts bzw.
    Wortspanne rückwärts.
    Ansteigende Sequenzen von Zahlen bzw. Wörtern, die in umgekehrter Reihenfolge zu wiederholen sind, definieren diese beiden Maße.

  • Objektspanne.
    Die Prüfung der Objektspanne verlangt die Speicherung von Informationen, während gleichzeitig eine andere Aktivität ausgeführt und dadurch der Behaltensprozess erschwert wird. Zum Beispiel werden Bildern von Objekten gezeigt, die mehrheitlich einer Kategorie (z. B. Tiere) zuzuordnen sind, unter denen sich aber auch andere Objekte befinden (z. B. Affe, Elefant, Kerze, Schlange, Bonbon, Raupe, Ball). Jedes Objekt ist zu klassifizieren, da in diesem Beispiel jeweils beantwortet werden muss, ob es sich bei ihm um ein Tier handelt. Hiernach sind die gezeigten Objekte in der präsentierten Reihenfolge verbal zu reproduzieren.

  • Farbspanne rückwärts.
    Zur Prüfung der Farbspanne werden kurz nacheinander farbige Kreise angeboten. In einem Farbkreis sind dann die zuvor dargebotenen Farben in umgekehrter Reihenfolge aufzuzeigen.

  • Corsi Blöcke rückwärts.
    Die Corsi Block-Spannenaufgabe, das Behalten von Berührungsabfolgen, wurde in Abschnitt „Visuelle Modalität“ vorgestellt; zur Prüfung der „zentralen Exekutive“ hat die Reproduktion rückwärts zu erfolgen.

Alltagsnahe Verhaltensweisen im Bereich der exekutiven Funktionen lassen sich auch mithilfe von Fragebögen einschätzen, die ökonomisch und ökologisch valide sind z. B.:

  • für 2- bis 6-Jährige durch Eltern und Erzieher/innen im Kindergarten mit dem BRIEF-P [59],

  • für 6- bis 16-Jährige durch Eltern und Lehrer/innen mit dem BRIEF [60].

Eine umfassende, computergestützte Funktionsdiagnostik des AGs sensu Baddeley [21] – ohne Untersuchung des episodischen Puffers – erlaubt die Arbeitsgedächtnisbatterie für Kinder von 5 bis 12 Jahren (AGTB 5–12; [61]). Sie besteht aus 12 Subtests, für deren Ergebnisse altersspezifische Normen vorliegen.

  • Mit 6 Subtests (Ziffernspanne rückwärts; Farbspanne rückwärts; Objektspanne; Zählspanne; Go-/No-Go-Items und Stroop Test als Maß der selektiven Fokussierung/Inhibitionskontrolle) wird die „zentrale Exekutive“ geprüft,

  • mit 4 Subtests (Ziffernspanne vorwärts; Wortspanne 1-silbig vorwärts; Wortspanne 3-silbig vorwärts; Kunstwörter Nachsprechen) das „phonologische AG“ und

  • mit 2 Subtests (Matrixspanne; Corsi Block-Spanne) das „visuelle AG“.

Es existiert auch eine Screeningversion mit 6 Subtests (Ziffernspanne vorwärts; Kunstwortspanne; Corsi Block-Spanne; Matrixspanne; Objektspanne; Ziffernspanne rückwärts).


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Klinische Relevanz des Arbeitsgedächtnisses und Komorbidität

Läsionen im Bereich des Frontalhirns beeinträchtigen zentral-exekutive Prozesse. Eine Komorbidität von AG-Defiziten mit anderen klinischen Störungsbildern wird für solche berichtet, bei denen die Funktionstüchtigkeit des Frontallappens gestört ist, etwa nach einem Apoplex, traumatischen Hirnverletzungen, zerebralen Entzündungen, bei einer Epilepsie, multiplen Sklerose, Schizophrenie-Spektrum-Störung, Borderline-Persönlichkeitsstörung, Posttraumatischen Belastungsstörung, Angststörung oder schweren endogenen (major) Depression. Das vorherrschende kognitive Defizit bei der Alzheimer-Erkrankung ist die Störung des „episodischen Speichers“. Die „phonologische Schleife“ ist im präklinischen Stadium noch intakt, doch mit Fortschreiten der Erkrankung zunehmend gestört; dasselbe gilt für die „zentrale Exekutive“ und das „visuell-räumliche Gedächtnis“.

Dysfunktionen im AG bei Kindern werden zur Erklärung allgemeiner Lernstörungen und spezifischer Leistungsschwächen herangezogen, z. B. in der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung, in der primären Sprachentwicklung, hier v. a. beim Erwerb von Wörtern und Wortformen, aber auch in der sekundären Sprachentwicklung (Schriftspracherwerb), im Rechnen, bei tiefgreifenden Entwicklungsstörungen aus dem autistischen Formenspektrum oder bei Kindern mit einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). In Anbetracht der großen Zahl an klinischen Studien wird die klinische Relevanz des AGs im Folgenden hier lediglich für das Kindesalter angerissen.

Arbeitsgedächtnis und Intelligenzeinschränkung

An der Verarbeitung von Informationen wirkt das AG aktiv mit, um eine zielgerichtete Reaktion/Antwort zu ermöglichen, weswegen eine höhere individuelle Leistungsfähigkeit des AGs mit einer höheren kognitiven Leistungsfähigkeit einhergeht. Weil das AG im Sinne einer „Hilfs- bzw. Stützfunktion“ wesentlich an allen höheren kognitiven Leistungen beteiligt ist, wird eine enge Beziehung zwischen AG und allgemeiner Intelligenz sowie schlussfolgerndem Denken angenommen. Eine solche wird durch entsprechende Korrelationsmaße bestätigt [62]; deren Stärke ist jedoch auch von der Ähnlichkeit der jeweiligen Intelligenztestaufgaben mit denen zur Prüfung des AGs abhängig.

Die AG-Kapazität ist der stärkste Prädiktor für die allgemeine Intelligenz [63]. Insbesondere die „fluide Intelligenz“ (diese beinhaltet die Fähigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen und Lösungen für unbekannte Probleme zu finden) korreliert studienabhängig mit dem Konstrukt „Informationsverarbeitung“ im mittleren bis hohem Ausmaß [64].

Mähler [65] stellte in einer vergleichenden Studie im Mehrgruppen-Design fest, dass lernbehinderte Kinder in allen untersuchten AG-Funktionen auffällig waren, 10-Jährige v. a. in der „phonologischen Schleife“. Probleme in der Verarbeitung phonologischer Information scheinen einer der Gründe für kognitive Beeinträchtigungen bei Personen mit intellektuellen Minderleistungen zu sein. Zum Beispiel ist die „phonologische Schleife“ auch bei Kindern mit Down-Syndrom beeinträchtigt [66]. Ein Überblick zu AG-Studien an Personen mit nicht spezifischen Intelligenzminderungen geben Lifshitz et al. [67].


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Arbeitsgedächtnis und Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS)

Wesentliche Komponenten des AGs stimmen mit zentralen Bestandteilen in Modellen der auditiven Wahrnehmung überein. So enthält z. B. das „Buffalo-Modell“ zur auditiven Wahrnehmung [68] die Komponenten „verbales KZG“ und „zentrale Exekutive“.

Kognitive Probleme in der auditiven Modalität erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Diagnose „AVWS“. Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) [69] empfiehlt als Diagnosekriterium eine individuelle Leistungsabweichung von mehr als 2 Standardabweichungen vom Mittelwert der Referenzgruppe nach unten in mindestens 2 auditiven Tests/Subtests, wobei die Zahl der durchzuführenden Tests/Subtests aber nicht festgelegt ist. In der Leitlinie heißt es, dass für jedes Kind eine Testbatterie zusammengestellt werden soll, die ausreichend breit ist, um die verschiedenen Ebenen und Mechanismen des auditiven Systems abzubilden, während gleichzeitig die zugrundeliegenden Beschwerden und die in der Anamnese geschilderten Symptome berücksichtigt werden. Eine Beeinträchtigung im sprachlich-auditiven KZG als einziger positiver Befund in einer AVWS-Diagnostik reicht für die Diagnosestellung „AVWS“ jedoch nicht aus, da es möglich ist, fälschlicherweise eine „AVWS“ zu diagnostizieren, wenn auf Grund einer Schwäche im phonologischen AG die Bearbeitung spezifischer Testanforderungen in der auditiven Modalität nicht gelingt.


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Arbeitsgedächtnis und Sprachentwicklungsstörung

Die Bedeutung der „phonologischen Schleife“ für die primäre Sprachentwicklung ist seit mehr als 20 Jahren empirisch belegt (u. a. [70, 71]), insbesondere für den Wortschatzerwerb [72] im jungen Kindesalter. Je besser Lautsprache in der „phonologischen Schleife“ verarbeitet wird, desto schneller werden von gesunden Kindern neue Wörter gelernt. Defizite in der „phonologischen Schleife“, v. a. in der Verarbeitungspräzision des Speichers, werden als verursachend [73] oder zumindest als mitbedingend für Sprachentwicklungsstörungen angenommen [74], so dass inzwischen in einer nach unten altersabweichenden AG-Leistung ein klinischer Marker für Sprachentwicklungsstörungen gesehen wird [18,75]. Schon bei Late Talkern (von denen einige ab dem 3. Altersjahr als sprachentwicklungsgestört diagnostiziert werden), wird eine unzureichende phonologische Bewusstheit und Verarbeitung vermutet, weil sie keine Präferenz für geläufige sprachliche Klangmuster zeigen – im Gegensatz zu sprachunauffälligen Kindern. Sie haben Probleme beim Erwerb neuer Wörter [76]. Mit ansteigendem Lebensalter, ca. ab 5 Jahren, dreht sich aber die Wirkrichtung von AG und Sprache um: Nun wird lexikalisches Wissen für die Verbesserung des AGs maßgeblich; der Wortschatz im mentalen Lexikon vermag zur Entlastung des AG beizutragen. Doch dieser Effekt hängt primär von der Güte des individuellen Sprachentwicklungsstandes ab.

Ein Defizit sprachentwicklungsgestörter Kinder betrifft die Verarbeitungskapazität der „phonologischen Schleife“, die auf eine reduzierte Verarbeitungsqualität im phonologischen Speicher zurückgeführt wird, weswegen z. B. das Nachsprechen von Kunstwörtern schlechter ausfällt als der Abruf bei Zahlenspannenaufgaben. Hinzu kommt, dass Kunstwörter doch stärker sprachabhängig sind als man dachte, weil sie von lexikalischen und sublexikalischen Eigenschaften desjeweiligen Nachsprech-Items („Wortähnlichkeit“) beeinflusst werden. Darüber hinaus bestehen bei sprachentwicklungsgestörten Kindern nicht selten Beeinträchtigungen in zentral-exekutiven Verarbeitungsressourcen, aber auch im visuell-räumlichen AG [77].


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Arbeitsgedächtnis und schriftsprachliche sowie Rechenstörungen

Die Funktionstüchtigkeit des AGs, insbesondere aber der „phonologischen Schleife“, ist auch bedeutsam für den Erwerb der Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen und deren Qualität. Die Ausbildung dieser domänenspezifischen Fähigkeiten hängt allerdings ebenso von der Entwicklung von Aufmerksamkeit, allgemeinen Sprachmaßen (Wortschatz, grammatikalische Fähigkeiten) und visuell-räumlichen Fähigkeiten ab, so dass das AG eine notwendige, doch nicht hinreichende Voraussetzung zum Erwerb der e. g. schriftsprachlichen Leistungen ist. Stets ist bei Kindern mit Lese-, Rechtschreib- oder Rechenschwierigkeiten diagnostisch zu berücksichtigen, ob eine ADHS vorliegt, denn eine solche ist meistens mit Problemen in verschiedensten Lernfeldern assoziiert.

Bei Kindern mit Minderleistungen in Lesen und/oder Rechtschreibung wurden Dysfunktionen im AG festgestellt, primär in der „phonologischen Schleife“ [78]. Eher selten wurden Beeinträchtigungen des visuellen AGs berichtet [79]. In einer empirischen Studie von Brandenburg et al. [80] an Drittklässlern mit isoliertem Lesedefizit, isoliertem Rechtschreibdefizit oder einem kombinierten Lese- und Rechtschreibdefizit war die Funktionstüchtigkeit des visuellen AGs in keiner der e. g. Gruppen im Vergleich zu lernunauffälligen Kontrollkindern betroffen. Kinder mit isoliertem Lesedefizit hatten Probleme in der „phonologischen Schleife“ (Zahlenspanne), noch deutlicher, in der „zentralen Exekutive“. Kinder mit isoliertem Rechtschreibdefizit hatten ausschließlich, jedoch massive Probleme in der „phonologischen Schleife“ (Zahlenspanne, Kunstwörter-Nachsprechen; tendenziell zudem in der Wortspanne). Kinder mit einem kombinierten Defizit wiesen die niedrigsten Ergebnisse in der „phonologischen Schleife“ und in der „zentralen Exekutive“ auf. Die „zentrale Exekutive“ scheint auch für Textverstehen maßgeblich zu sein. Hasselhorn et al. [81] hatten in einer vergleichenden Gruppenstudie an Kindern im Alter von 7;6 bis 11;8 Jahren ähnliche Befunde aufgezeigt (wenngleich sie nicht das visuelle AG überprüften). In ihrer Studie war der Lexikalitätseffekt (vgl. Abschnitt „Auditive Modalität“) bei Kindern mit einer isolierten Lesestörung ausgeprägter als bei Kindern mit einer isolierten Rechtschreibstörung, bei denen wiederum der Wortlängeneffekt (vgl. Abschnitt „Auditive Modalität“) größer war. Da ältere Schulkinder die Reproduktion von Wortitems aus ihrer Wissensbasis normalerweise besser als jüngere leisten, könnte dieser Lexikalitätseffekt bei Kindern mit einer isolierten Lesestörung bedeuten, dass sich deren Speicherprobleme ungünstig auf die Rekonstruktion von Wortrepräsentationen im mentalen Lexikon ausgewirkt haben oder aber, dass diese Probleme nun als Speicherproblem imponieren. Bei Kindern mit einer isolierten Rechtschreibstörung hingegen könnte die Funktion der Rehearsalkomponente in der „phonologischen Schleife“ beeinträchtigt sein. Die Autoren folgern daher, dass (1) Lese-/Rechtschreibstörungen spezifische AG-Defizite zu Grunde liegen – zumindest in der deutschen Sprache und (2) zwischen isoliert auftretenden und kombinierten Schriftsprachstörungen zu trennen ist.

Des Weiteren wird angenommen, dass bei Kindern mit Rechenstörungen zwar Defizite in allen 3 AG-Komponenten bestehen, doch vorwiegend in zentral-exekutiven Leistungen. Rechnen ist ein komplexes Konstrukt und Rechenstörungen äußern sich in verschiedenen Erscheinungsformen, z. B. in bereichsspezifischen rechnerischen Kompetenzen (Zählfertigkeiten, numerische Basiskompetenzen, arithmetisches Faktenwissen). Nicht zuletzt gehen sie mit Auffälligkeiten in der Schriftsprache einher. Schuchardt et al. [82] belegten phonologische und zentral-exekutive Defizite an durchschnittlich intelligenten Drittklässlern mit schwachen Schriftsprachleistungen sowie Leistungsdefizite in der „phonologischen Schleife“ bei Drittklässlern mit Minderleistungen im Rechnen. Ein signifikanter Zusammenhang mittlerer Stärke zwischen AG und Rechnen wurde in der Meta-Analyse von Peng et al. [83] aufgedeckt. Dieser Zusammenhang war bei Personen mit Rechenschwierigkeiten, die mit kognitiven Defiziten und anderen Störungen einhergingen, stärker als bei solchen, die nur Rechenprobleme hatten. van Luit und Toll [84] fanden an 84 Schülern im Alter von 8–18 Jahren mit einer Entwicklungsstörung im Rechnen, dass von 4 kognitiven Bereichen Beeinträchtigungen im AG am zweithäufigsten vorkamen.


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Arbeitsgedächtnis und Aufmerksamkeitsstörung

Aufmerksamkeit i. S. einer allgemeinen Wachheit und Reaktionsbereitschaft wie auch geteilte perzeptive Aufmerksamkeit (z. B. beim dichotischen Hören) haben eine hohe Bedeutung für die erfolgreiche Teilnahme am Schulunterricht. Ein bedeutsamer Zusammenhang von Aufmerksamkeitssteuerung und gerichteter (selektiver) Aufmerksamkeit mit Schulleistungen liegt insofern auf der Hand [85], weil ein Kind im Schulunterricht bei ablenkenden Umständen wie variierenden Grundgeräuschen, Störlärm oder Nachhall die wichtige verbo-akustische Zielreizinformation herausfiltern und höheren Verarbeitungsprozessen zugänglich machen muss, um dem Unterrichtsgeschehen folgen und den Anweisungen des Lehrers/der Lehrerin genügen zu können (handlungsbezogene Selektion). Das fällt insbesondere Kindern mit einer ADHS schwer [86, 87], die Mühe haben, ihre Aufmerksamkeit flexibel zu steuern, nicht zielführende Handlungen zu unterdrücken und zielgerichtet eigene Emotionen zu regulieren. Hierdurch bedingt ist die Leistungsfähigkeit des AGs defizitär.

Die allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit ist bei Personen mit ADHS signifikant niedriger als bei gesunden Probanden – so eine Meta-Analyse [88], wie auch Kinder mit ADHS in verschiedenen Komponenten des AGs defizitäre Leistungen aufweisen [89]. Ein AG-Training für Kinder mit einer ADHS könnte daher erfolgsversprechend und von klinischem Nutzen sein, wie Studien der schwedischen Arbeitsgruppe um Klingberg zeigten [z. B. 90]. Einer jüngeren niederländischen Studie an 5- bis 7-Jährigen gelang es allerdings nicht, mit dem „Cogmed Working Memory Training“ CWMT (25 Sitzungen über 5 Wochen) datengestützte Belege dafür zu erbringen [91]. Es gab zwar einen kleinen „Near Transfer-Effekt“ auf die „Zahlenspanne rückwärts“ (p = .041), doch dieser entfiel nach Adjustierung des Signifikanzniveaus wegen multipler Vergleiche in der statistischen Auswertung (das meint: eine einzige Nullhypothese wurde mit mehreren Tests untersucht). Auch gelang es nicht, eine statistisch bedeutsame Verbesserung in der „zentralen Exekutive“ im Prä-Posttestvergleich nachzuweisen sowie in den neurokognitiven Outcome-Maßen (KZG für räumliche Sequenzen, für Sätze, motorische Inhibition, visuelle Daueraufmerksamkeit, nonverbale visuelle Denkfähigkeit). Das traf ebenso für den Prä-Postvergleich im ADHS-Rating durch UntersucherInnen und LehrerInnen sowie für das Rating der „zentralen Exekutive“ durch die Lehrkräfte zu. Hiermit wird zum Training des AGs generell übergeleitet.


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Training des Arbeitsgedächtnisses

Studien zum Training basaler AG-Prozesse im Kindesalter zeigen eine heterogene Befundlage und die Bedingungen für Transfereffekte sind bislang noch weitgehend schlecht verstanden, so dass vorläufig zu bilanzieren ist, dass ein AG-Training bislang allenfalls bedingt gewinnbringend ist.

Eine systematische Meta-Analyse [92] deckte auf, dass AG-Trainingsprogramme nur zu reliablen Kurzzeitverbesserungen im verbalen AG führten. Spezifische Trainingseffekte generalisierten nicht, und es gab keine empirische Evidenz, dass das AG-Training auf andere verbale und nicht verbale Fähigkeiten transferierte. Für das visuell-räumliche AG ist (auf Grund der noch eingeschränkten Evidenzlage) ein evtl. länger anhaltender Effekt nicht auszuschließen. Zu einem ähnlichen Schluss kam die Meta-Analyse von Rapport et al. [93] an Kindern mit ADHS, die ein kognitives Training erhielten: Der Effekt eines alleinigen KZG-Trainings auf das KZG war moderat, ein Training der Aufmerksamkeit wirkte sich nicht signifikant auf Aufmerksamkeit und eines für zentral-exekutive Funktionen ebenfalls nicht signifikant auf eben diese Zielvariable aus. Auch waren keine signifikanten Trainingseffekte auf Schulleistungen festzustellen („Far Transfer“). AG-Training hatte lediglich eine begrenzte Auswirkung auf schriftsprachliche Kulturtechniken und Mathematik, indem vorwiegend übungsähnliche Aufgaben besser bewältigt wurden; es wirkte sich nicht vorteilhaft auf Lese-, Rechtschreib- oder Rechenleistungen aus [94]. Schulze und Kuhl [95] berichteten dagegen jüngst, welche Chancen in einer AG-sensiblen Mathematikförderung liegen könnten. Die Meta-Analyse von Sala und Gobet [96] zeigte einen leichten signifikanten Effekt eines AG-Trainings im Hinblick auf solche kognitiven Fähigkeiten, die mit dem AG-Training in Beziehung standen, doch keine „Far Transfer-Effekte“.

Mähler et al. [97,98] trainierten mit einem eigens entwickelten adaptiven Computerprogramm für Grundschulkinder die Funktionstüchtigkeit der „phonologischen Schleife“, des „visuell-räumlichen Notizblocks“ und der “zentralen Exekutive“ (18 Trainingssitzungen über 6 Wochen) an 27 unauffälligen Drittklässlern (Kontrollgruppe) sowie 43 Drittklässlern mit Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb. Die Ergebnisse der Prätest-Posttest-Follow-ups im Kontrollgruppen-Design (unmittelbar nach der Trainingsphase sowie nach weiteren 3 Monaten) belegten kurzfristige Leistungssteigerungen der Kontrollgruppe in der „zentralen Exekutive“ und im „visuell-räumlichen Notizblock“, in der klinischen Gruppe dagegen nur in der „zentralen Exekutive“.

Gründe für die häufig fehlende Evidenz der Wirksamkeit eines AG-Trainings zur Verbesserung von Schulleistungen in den Kulturtechniken liegen nicht selten schon in einem mangelhaften Studiendesign [89], wodurch die interne Validität verletzt wird. Neben kleinen Stichproben gibt es meistens nicht 2 Kontrollgruppen: eine, die kein Training erhält („passive Kontrollgruppe“) und eine, die ein alternatives Training bekommt - ohne Beziehung zum AG („aktive Kontrollgruppe“). Objektive Daten zur Bewertung eines Trainings, z. B. Ergebnisse aus standardisierten Tests oder multiple Maße, fehlen nicht selten zu Gunsten von Selbst- oder Fremdratings. Überdies finden Fremdratings häufig nicht durch verblindete Rater statt. Oft wird in Trainingsstudien auch nicht berücksichtigt, dass Trainings- und Kontrollgruppe sehr ähnliche Ausgangswerte (Prä-Trainingsleistungen) haben sollten. Eine Aussage zum Fortbestehen eines Trainingseffekts hängt im Übrigen auch von der Zahl der Follow-ups und deren Intervallen ab. Die Studie von Seitz-Stein et al. [99] zu einem visuell-statischem AG-Training mit Vorschulkindern belegte zwar einen Trainingseffekt, der sich jedoch nicht unmittelbar nach dem Training statistisch absichern ließ, sondern erst in einem Follow-up nach 10 Wochen („Sleeper Effekt“). Letztendlich sind in Trainingsstudien auch motivationale Faktoren, die mit dem Training assoziiert sind, zu kontrollieren (Stichwort: hinreichende Lernmotivation).

Fazit
  • Medizinisch sowie psychologisch indizierte Maßnahmen erfordern bei vielen Störungsbildern eine differenzielle Diagnostik, die das AG nicht außer Acht lassen darf, denn dieses ist eine grundlegende Voraussetzung für kognitive Prozesse und eine wichtige individuelle Voraussetzung für erfolgreiches Lernen.

  • Somit ist das AG ein Schlüsselsystem für komplex kognitive Anforderungen, allerdings mit beschränkter Kapazität.

  • Das AG ist ein Prädiktor für die allgemeine Intelligenz sowie für den erfolgreichen Erwerb von phonologischen, schriftsprachlichen und mathematischen Leistungen. Deswegen muss seine Funktionstüchtigkeit bereits bei jungen Kindern gegeben sein, weil sonst deren Sprach-, Lern- und schulische Leistungsentwicklung gefährdet sein kann.

  • Zum Verständnis von Lernstörungen und kognitiven Leistungsstörungen ist die Untersuchung der einzelnen AG-Komponenten hilfreich. Vor allem Dysfunktionen in der „phonologischen Schleife“ werden zur Erklärung schulischer Lernstörungen und spezifischer verbaler Leistungsschwächen herangezogen. Selbstredend, dass insofern die Überprüfung des AGs auch in der Sprachdiagnostik ihren Platz hat [100, see p. 3292].

  • Zur AG-Diagnostik stehen informelle Prüfungen sowie spezifische, standardisierte psychologische Tests zur Verfügung.

  • Viele Prüfmittel setzen intakte Sprech- und Sprachfunktionen voraus. Bei sprechauffälligen Kindern kann es bei der Lösungsantwort zu Ergebnisverfälschungen kommen. Inwieweit eine abweichende Reproduktion von vorgegebenem Sprachmaterial einer entwicklungsbedingten oder einer funktionellen Aussprachestörung zuzuschreiben oder phonologisch bedingt ist, vermag der/die Sprachdiagnostiker/In am besten zu beurteilen.

  • Ein Problem scheint immer noch darin zu bestehen, dass weitgehend unklar ist, wie das „AG“ gefördert bzw. aus klinischer Sicht behandelt werden soll, was mitunter auch Bestandteil einer Sprachtherapie ist. Zumindest muss bekannt sein, welche Komponenten/Subkomponenten des AGs im Einzelfall beeinträchtigt sind, was eine differenzierte Funktionsdiagnostik verlangt.

  • Neben der wissenschaftlich suboptimalen Anlage von Wirksamkeitsstudien ist das mangelnde Wissen über eine erfolgversprechende AG-Therapie möglicherweise ein Grund dafür, dass Nachweise einer langfristigen Trainingseffektivität noch fehlen.

  • Es ist anzunehmen, dass ein Training das neuronale Arbeitsgedächtnisnetzwerk positiv beeinflusst, doch das AG lässt sich letztlich nicht ohne die diagnostischen Instrumente, die es zu erfassen vorgeben, verstehen. In diesem Sinn liegt eine operationale Definition des AG vor (analog der Intelligenzdefinition von Edwin Boring [101]: „Intelligenz ist, was der Intelligenztest misst"): Arbeitsgedächtnis ist, was der Arbeitsgedächtnistest misst. Diese Feststellung sollte in der klinischen Praxis zu einer differenzierten Bewertung diagnostischer AG-Befunde unter Berücksichtigung der Qualität der Untersuchungsinstrumente sowie des jeweiligen Merkmaterials veranlassen.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenz

Prof. Dr. rer. nat. Christiane Kiese-Himmel, Dipl.-Psych.
Phoniatrisch/Pädaudiologische Psychologie, Universitätsmedizin Göttingen
Waldweg 35
37073 Göttingen


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Abb. 1 Interagierende Komponenten und Subkomponenten im hierarchischen Arbeitsgedächtnismodell in Anlehnung an Baddeley (2000).