Abb. 1 Häufig treten nach Schlaganfall psychische Begleiterkrankungen auf. (Quelle: Jonas
Glaubitz/stock.adobe.com; nachgestellte Situation)
So nimmt die Fragestellung nach der besten Möglichkeit zur Verbesserung der Kognition
nach Schlaganfall Platz 1 in den Top-Ten-Prioritäten der Schlaganfallforschung
ein [22]. Jedes Jahr erleiden 15 Millionen Menschen weltweit einen Schlaganfall [16]. In
Deutschland sind jedes Jahr ca. 196 000 Menschen erstmalig und 66 000 zum wiederholten
Male von einem Schlaganfall betroffen [7].
Unter der Annahme, dass die zukünftige Anzahl an Neuerkrankungen mindestens gleich
bleibt, dürfen wir davon ausgehen, dass durch eine veränderte Demografie, die
gestiegene Lebenserwartung und eine höhere Überlebensrate nach Schlaganfall die Anzahl
von Menschen mit psychischen Begleiterkrankungen nach Schlaganfall weiter
zunehmen wird [19].
Arten psychischer Begleiterkrankungen
Arten psychischer Begleiterkrankungen
Häufige Arten von psychischen Begleiterkrankungen nach Schlaganfall sind Demenz (post-stroke
cognitive impairment, PSCI, oder auch post-stroke dementia, PSD),
Depression (post-stroke depression, PSD) und Delir. Bisher gibt es zwar einige Klassifikationen,
diagnostische Kriterien und beschreibende Syndrome, die benutzt
werden können, um PSCI zu klassifizieren, jedoch fehlt es an einer breit akzeptierten
und harmonisierten Terminologie.
Definitionen Vereinfacht gesagt beschreibt PSCI jeglichen kognitiven Verfall seit dem Eintreten
eines Schlaganfalls [19].
PSCI ist eine Hauptuntergruppe vaskulär-kognitiver Einschränkungen (vascular cognitive
impairment, VCI, [
Abb. 2
]).). Sie
ist jedoch nicht deckungsgleich mit dem Begriff der vaskulären Demenz (vascular dementia,
VaD), da Letztere ein Konzept ist, das multiple kortikale oder
subkortikale Infarkte, bedeutende Einzelinfarkte, nicht infarktbedingte Läsionen der
weißen Substanz, Hirnblutungen und Hypoperfusion als Ursachen des kognitiven
Abbaus einschließt.
Abb. 2 Venn-Diagramm zur Veranschaulichung der Abgrenzung der Konstrukte, um psychische
Begleiterkrankungen nach Schlaganfall zu definieren.
VCI: vaskuläre kognitive Einschränkung (vascular cognitive impairment), VaD: vaskuläre
Demenz (vascular dementia), PSCI: kognitive Einschränkung nach
Schlaganfall (post-stroke cognitive impairment), PSD: Depression nach Schlaganfall
(post-stroke depression). (Quelle: Grafik nach Mijajlovic et al. [19]; Umsetzung:
Thieme Gruppe)
VaD kann als eine Subgruppe der VCI angesehen werden, die eine voll entwickelte Demenz
nach einem sicher identifizierten vaskulären Ereignis darstellt. Eine PSCI
kann somit bereits vor dem Schlaganfall aufgrund einer VCI oder VaS bestanden haben
oder aber auch erst durch den Schlaganfall entstanden sein. Einen Überblick zur
Differenzierung der verschiedenen Definitionen bietet [
Abb. 3
]
[19].
Abb. 3 Neuropsychologische Assessments über den gesamten Krankheitsverlauf des Assessment
Schlaganfalls hinweg. Schematische Illustration eines
möglichen Ansatzes in verschiedenen Stadien. Die genannten Tests werden in der internationalen
Literatur als Beispiele angeführt. Sie stellen jedoch keine
Empfehlung dar und sind möglicherweise nicht auf Deutsch verfügbar. Beachtenswert
ist, dass alle Domänen genutzt werden, um die klinische Diagnosefindung zu
unterstützen (Kognition, Depression, Funktion, Sonstige). Kurz nach dem Ereignis wird
das Augenmerk eher auf die Kognition vor dem Schlaganfall, ein
Delirium und durch den Schlaganfall verursachte Einschränkungen gelegt als auf ein
detailliertes kognitives Assessment.
CAM-ICU: Confusion
Assessment Method for the Intensive Care Unit, CES-D: Centre for Epidemiologic Studies
Depression, E-ADL: Extended Assessment. CAM-ICU: Confusion Method for
Activities of Daily Living, HR-QoL: Health-Related Quality of Life, IQCODE: Informant
Questionnaire for Cognitive Decline in the Elderly, MoCA: Montreal
Cognitive Assessment (mini-MoCA: Kurzform des MoCA; MoCA plus: MoCA mit zusätzlichen
Tests, wie von der European Stroke Organisation empfohlen), mRS:
modified Rankin Scale, NIHSS: National Institutes Health Stroke Scale, NINDS-CSN:
National Institute Neurological Disorders and Canadian Stroke Network,
PHQ: Patient Health Questionnaire und SCID: Structured Clinical Interview Depression.
(Quelle: Grafik nach Quinn et al. [23]; Umsetzung: Thieme Gruppe)
Psychische Erkrankungen Menschen nach einem Schlaganfall können eine Vielzahl von psychischen Erkrankungen
erfahren, die eher spezifisch für eine
Hirnverletzung (organisch bedingte) als für eine (unipolare) Depression nach Standardkriterien
(depressive Episode) sind [6]. So
kann es nach Schlaganfall häufig zu z. B. emotionaler Verflachung, emotionaler Labilität,
Enthemmung, krankhaftem Nichterkennen der offensichtlichen Schädigung
durch den Schlaganfall (Anosognosie) und Schwierigkeiten beim emotionalen Ausdruck
mittels Sprache (Aprosodie) kommen [6].
Delirium Das Syndrom des Deliriums ist eine häufige, vorübergehende Begleiterscheinung einer
akuten Erkrankung, die klinisch gestellt wird [8]. Es ist gekennzeichnet durch ein plötzlich verändertes Bewusstseinsniveau mit einem
wechselhaften Verlauf in der Orientierung, im
Gedächtnis, im Denken oder Verhalten [24]. Typisch ist der plötzliche Beginn mit häufig nächtlicher Verschlechterung. Diese
Diagnose wird eher selten gestellt und wenn doch, dann zumeist im Zusammenhang mit
einer psychiatrischen Vorerkrankung. Die Ätiologie ist häufig multifaktoriell
[8].
Zahlen, Daten, Fakten
Nach Schlaganfall leidet jeder Vierte unter kognitiven Einschränkungen, jeder Dritte
unter einer Depression und jeder Sechste unter einem Delir.
Eine Metaanalyse, die im Jahr 2009 in Lancet Neurology erschien, schloss zur Schätzung der Inzidenz von PSCI 22 krankenhaus- und acht populationsbasierte
Kohortenstudien mit insgesamt 7 511 Patienten ein [21]. Es zeigte sich, dass im Mittel einer von vier Menschen nach erstmaligem
Schlaganfall positiv auf PSCI getestet wurde. Jeder zehnte von ihnen hatte bereits
vor Eintreten des Schlaganfalls kognitive Einschränkungen. Bei einem
Schlaganfall-Reinfarkt ist die Inzidenz höher. Insgesamt schwankt sie somit zwischen
7 und 41 %.
In einer Metaanalyse von 61 Beobachtungsstudien mit mehr als 25 000 Teilnehmern aus
dem Jahr 2014 zeigte sich, dass nach einem Schlaganfall im Mittel einer von drei
Betroffenen eine Depression entwickelt [11]. Diese Inzidenz schwankte geringfügig je nach Zeitraum und Setting: Die höchste
Inzidenz war kurz nach dem Schlaganfall und im Rehabilitationsbereich zu verzeichnen.
Eine Metaanalyse, die im Jahr 2012 in Stroke erschien, zeigte, dass die Wahrscheinlichkeit, nach einem Schlaganfall ein Delir
zu entwickeln, fast doppelt so
hoch ist wie auf einer durchschnittlichen internistischen Station (13–48 % versus
10–25 %) [24].
Screenings
Es gibt gute Screenings, jedoch werden sie häufig nicht genutzt.
Bei der Diagnostik neuropsychologischer Störungen sind zwei Ansätze weit verbreitet:
das pauschale Screening aller Patienten mit Schlaganfall sowie die gezielte
Untersuchung von Patienten, bei denen der Verdacht besteht, unter einer psychischen
Begleiterkrankung zu leiden [23]. Beide Ansätze
schließen sich keineswegs gegenseitig aus.
So sollte ein Patient, der zwar ein Screening ohne Befund passiert, jedoch Anzeichen
einer psychischen Begleiterkrankung aufweist, tiefergehend untersucht werden
[23]. Zahlreiche internationale Leitlinien empfehlen ein frühes Screening auf psychische
Begleiterkrankungen [19], [23]. Dadurch kann eine rechtzeitige interdisziplinäre Diagnostik das Erkennen der
Begleiterkrankung sowie eine zeitnahe Zielsetzung mit darauf abgestimmter Therapie
ermöglichen [23].
Assessments Ein Screening auf PSCI und PSD nach Schlaganfall wird jedoch nur selten vorgenommen,
und wenn doch, werden dabei verschiedenste Assessments
verwendet [12]. Eine systematische Übersichtsarbeit zeigte, dass von 8.826 Schlaganfallstudien,
die zwischen den Jahren 2002 und
2011 publiziert und analysiert wurden, lediglich 488 (6 %) die kognitiven Folgen eines
Schlaganfalls maßen und dabei 367 verschiedene Assessments verwendeten [12]. Neben dem Screening auf psychische Begleiterkrankungen nach Schlaganfall sollte
jedoch stets auch eine Bewertung der
Körperfunktionen, z. B. mit der modifizierten Rankin-Skala (mRS) oder dem Barthel-Index
(BI), erfolgen, um ein vollständiges Bild der Einschränkungen zu erhalten
[19], [23].
Es gibt kein perfektes neuropsychologisches Assessment zur Erfassung der psychischen
Begleiterkrankungen nach Schlaganfall. Der bevorzugt verwendete Test wird sich
unterscheiden hinsichtlich des Ziels der Testung, der Patientenklientel und der Fähigkeiten
der Tester. Je nach Zeitpunkt und Setting der Untersuchung kommen andere
Assessments zum Screening infrage. [
Abb. 3
] zeigt einen möglichen Ansatz zum Screening auf psychische Begleiterkrankungen
nach Schlaganfall über den gesamten Krankheitsverlauf und über die Domänen Kognition,
Depression und Funktion hinweg [23].
Auswahl des Assessments Eine systematische Übersichtsarbeit über die psychometrischen Eigenschaften von Assessments
zu kognitiven Einschränkungen in
verschiedenen Domänen nach Schlaganfall ergab, dass die am häufigsten benutzten Assessments
eine vergleichbare Genauigkeit besitzen und sich kein Assessment
gegenüber den anderen als deutlich überlegen zeigte [14]. Bei der Auswahl eines geeigneten Assessments sollten Verfügbarkeit,
Vertrautheit mit ihm und Durchführbarkeit einbezogen werden. Ein geeigneter Test könnte
z. B. das Montreal Cognitive Assessment (MoCA) mit einem Schwellenwert für
PSCI von weniger als 26 von 30 Punkten sein. Dieses Assessment ist kostenfrei auf
Deutsch verfügbar und hochsensitiv, um möglicherweise beeinträchtigte Personen
identifizieren zu können ([
Tab. 1
]). Neuere Ansätze zum Screening auf PSCI stellen Biomarker in Form von bildgebenden
Verfahren, metabolischen, genetischen und Entzündungsmediatoren dar [19]. Bislang war die Suche nach einem präzisen und
verlässlichen biochemischen Indikator zwar noch nicht erfolgreich, jedoch ließ sich
ein Zusammenhang zwischen erhöhter Blutsenkungsgeschwindigkeit und einem
reduzierten Volumen des Hippocampus mit schlechterer kognitiver Leistung nach Schlaganfall
zeigen [3], [9], [18].
Tab. 1
Diagnostische Testgenauigkeit von häufig in Studien zu PSCI verwendeten Assessments
im Vergleich zum Referenzstandard (jegliches anerkannte
Klassifikationssystem) [14]
Test (Schwelle)
|
Publikationen (Patienten)
|
Kognitive Einschränkungen (%)
|
Sensitivität (95 % CI)
|
Spezifität (95 % CI)
|
Positive Likelihood Ratio (95 % CI)
|
Negative Likelihood Ratio (95 % CI)
|
ACE-R (< 88/100)
|
2 (192)
|
52 (27 %)
|
96,2 (0,90…1,0)
|
0,70 (0,59…0,80)
|
3,19 (2,24…4,54)
|
0,06 (0,01…0,22)
|
MMSE (< 25/30)
|
12 (1639)
|
483 (30 %)
|
0,71 (0,60…0,80)
|
0,85 (0,80…0,89)
|
4,73 (3,63…6,17)
|
0,34 (0,25…0,47)
|
MMSE (< 27/30)
|
5 (445)
|
195 (44 %)
|
0,88 (0,82…0,92)
|
0,62 (0,50…0,73)
|
2,33 (1,72…3,17)
|
0,19 (0,13…0,29)
|
MoCA (< 22/30)
|
6 (726)
|
289 (39 %)
|
0,84 (0,76…0,89)
|
0,78 (0,69…0,84)
|
3,75 (2,77…5,08)
|
0,20 (0,15…0,29)
|
MoCA (< 26/30)
|
4 (326)
|
131 (40 %)
|
0,95 (0,89…0,98)
|
0,45 (0,34…0,57)
|
1,73 (1,43…2,10)
|
0,10 (0,04…0,23)
|
R-CAMCOG (< 33/49)
|
2 (421)
|
90 (21 %)
|
0,81 (0,57…0,93)
|
0,92 (0,87…0,95)
|
10,18 (6,41…16,18)
|
0,20 (0,07…0,52)
|
Symptome vor dem Schlaganfall Eine besondere Bedeutung kommt hierbei auch dem retrospektiven Testen auf Symptome
einer kognitiven Einschränkung bereits vor
dem Schlaganfall zu. Hierfür sollten Angehörige des Patienten z. B. mit dem Fragebogen
zur geistigen Leistungsfähigkeit für ältere Personen (IQCODE) befragt werden
[23]. Der Fragebogen ist ins Deutsche übersetzt und im Internet frei verfügbar.
Sechs-Monats-Zeitraum Die meisten Klassifikationen definieren PSCI als eine kognitive Einschränkung, die
innerhalb von sechs Monaten nach dem Schlaganfall
beginnt und sich nicht zurückbildet [25]. Daraus kann gefolgert werden, dass die Diagnose PSCI erst nach einem Zeitraum von
sechs
Monaten sichergestellt werden kann und das klinische Assessment bis dahin über einen
längeren Zeitraum erfolgen sollte [23].
Am häufigsten verwendete Assessments Die am häufigsten verwendeten Assessments in Studien zu den psychischen Begleiterkrankungen
nach Schlaganfall sind die
Hamilton Rating Scale Depression (HRSD), Short Form-36 Health Survey (SF-36), Hospital
Anxiety and Depression Scale (HADS-D), Beck-Depressions-Inventar Fast Screen
(BDI-FS) und die Geriatrische Depressionsskala (GDS) [12]. Alle oben genannten Skalen liegen auch auf Deutsch vor.
Delir Für das Assessment des Delirs im hyperakuten Setting ist die CAM-ICU-Skala geeignet,
die auch auf Deutsch und kostenfrei im Internet verfügbar ist [2]. Eine weitere mögliche Skala, die auf das Vorliegen eines Delirs sowie auf kognitive
Einschränkungen testet, ist die 4A-Skala,
die kostenfrei und auf Deutsch im Internet verfügbar ist [13]. Sie steht ihrem Referenzstandard CAM-ICU in nichts nach [4]. Bei der täglichen Delir-Surveillance sollte aufgrund von Übungseffekten Frage 3
jedoch ausgelassen werden [15].
Terminologie des DSM-5 Die weiter oben aufgeführten Assessments zum Screening auf psychische Begleiterkrankungen
nach Schlaganfall sind eher nicht dazu
geeignet, eine klinische Diagnose auf PSCI oder PSD im engeren Sinne zu stellen [23]. Dafür braucht es z. B. die Terminologie des
DSM-5, des diagnostischen und statistischen Leitfadens psychischer Störungen (Diagnostic
and Statistical Manual of Mental Disorders), die auch auf Menschen nach
Schlaganfall anwendbar ist [23]. Das Kriterium, anhand dessen das DSM-5 eine leichte von einer schweren neurokognitiven
Einschränkung unterscheidet, ist der Verlust der Aktivitäten des täglichen Lebens
(ADL) [23].
Prognose
Eine psychische Begleiterkrankung nach Schlaganfall führt zu einer schlechteren Prognose.
Eine prospektive Kohortenstudie mit 324 Teilnehmern zeigte, dass Menschen nach Schlaganfall,
die drei Monate nach dem Ereignis unter einer PSCI litten, ein 6,3-fach
erhöhtes Risiko hatten, innerhalb von zwei Jahren nach dem Ereignis zu versterben
– im Vergleich zu Erkrankten ohne PSCI (relatives Risiko (RR) = 6,3; 95 %
Konfidenzintervall (KI) 2,3...17,3) [1]. Das Risiko war umso höher, je weniger Anzeichen einer kognitiven Einschränkung
die
Patienten vor dem Schlaganfall aufwiesen.
Ein möglicher Erklärungsansatz für die erhöhte Mortalität ist, dass kognitiv eingeschränkte
Menschen nach Schlaganfall eine geringere Compliance bei der Anwendung
von Therapien zeigen. Dies wiederum resultiert in einer weniger effektiven Prophylaxe
eines Reinfarktes und führt somit zu einem erhöhten Risiko für einen Reinfarkt
und Tod. Ein weiterer möglicher Grund wäre, dass kognitive Einschränkungen eher bei
bereits geschwächten Individuen auftreten, sodass deren Schwäche selbst bereits
eine schädliche Erkrankung darstellt, die die Mortalität weiter erhöht [1].
In einer Metaanalyse von 23 Beobachtungsstudien mit 18 374 Teilnehmern zeigte sich,
dass Depressionen nach Schlaganfall konsistent häufiger auftraten, wenn bereits
vor dem Schlaganfall depressive Symptome vorlagen oder sich ein schwerwiegenderes
neurologisches Defizit sowie bedeutendere körperliche Einschränkungen in der
Akutphase zeigten [11]. Dies wiederum löst einen Teufelskreis aus: Patienten mit größeren funktionellen
Einschränkungen entwickeln
eher eine Depression, die wiederum das Therapieergebnis dieser besonders schwer betroffenen
Patienten negativ beeinflusst. Es zeigte sich jedoch kein konsistenter
Zusammenhang zwischen Depression und kognitiven Einschränkungen nach Schlaganfall
[11].
Höheres Lebensalter, Sehstörungen, eine Infektion der Harn- oder Atemwege und bestehende
kognitive Vorerkrankungen sind üblicherweise Risikofaktoren für ein Delir
[8], [24]. Ein Delir kann zwar ohne Folgen für die Patienten bleiben, jedoch auch zu einem
längeren Krankenhausaufenthalt führen, der mit einer höheren Mortalität verbunden
ist. Längerfristige Folgen sind kognitive Verschlechterung sowie funktionelle
Defizite und Abhängigkeit von fremder Hilfe [8].
Behandlungsansätze
Körperliche Aktivität
Körperliche Aktivität verbessert die Kognition nach Schlaganfall und kann helfen,
die Entstehung einer Depression oder eines Delirs zu verhindern. Die sicherlich
effektivste Art, das Auftreten einer PSCI zu unterbinden, besteht in optimaler Akutbehandlung
und intensiver Sekundärprävention [19]. Dies umfasst multifaktorielle Interventionen wie eine mediterrane Diät, moderater
Alkoholkonsum und Nikotinentwöhnung genauso wie die Gabe von
Antikoagulanzien, Antihypertensiva und Statinen, aber auch kognitives Training sowie
körperliche Aktivität.
In einer systematischen Übersichtsarbeit zur Wirkung von körperlicher Aktivität auf
die kognitive Funktion nach Schlaganfall mit 14 randomisierten kontrollierten
Studien mit 736 Teilnehmern zeigte sich insgesamt ein positiver Effekt auf die kognitive
Leistung (standardisierte Mittelwertdifferenz, SMD = 0,3; 95 % KI
0,14...0,47) [20]. Hierbei zeigten sich die größten Veränderungen im Mittel mehr als zwei Jahre nach
dem Ereignis in der
chronischen Phase. Körperliche Aktivität scheint insbesondere die Aufmerksamkeit/Verarbeitungsgeschwindigkeit
zu fördern, wohingegen die exekutiven Funktionen
und das Arbeitsgedächtnis sich nicht signifikant zu verbessern scheinen [20].
Übungsprogramm Ein kombiniertes Übungsprogramm aus sowohl Kraft- und Balancetraining als auch Ausdauertraining
zeigte die größten Effekte. Die komplexe
therapeutische Intervention der kognitiven Rehabilitation zielt darauf ab, die kognitive
Funktion nach einem Schlaganfall zu verbessern. Sie wird üblicherweise
als Einzelbehandlung durch Neuropsychologen, als Gruppentraining und kognitives Computertraining
angeboten. Sie stellt einen integralen Bestandteil der
multidisziplinären Schlaganfallrehabilitation dar und sollte unmittelbar nach Eintreten
des Schlaganfalls beginnen. Sie hat sich in einer systematischen
Cochrane-Übersichtsarbeit mit 13 randomisierten kontrollierten Studien mit 514 Teilnehmern
zur Verbesserung der selbst eingeschätzten Gedächtnisleistung in der
postakuten Phase nach Schlaganfall als effektiv erwiesen (SMD = 0,3; 95 % KI (0,08...0,64),
moderate Qualität der Evidenz) [5].
Diese Effekte waren jedoch mehr als drei Monate nach Ende der Intervention nicht mehr
nachweisbar (SMD = 0,31; 95 % KI –0,02...0,64; niedrige Qualität der
Evidenz).
Nichtinvasive Hirnstimulation
Ein innovativer Ansatz zur Behandlung von PSCI stellt die nichtinvasive Hirnstimulation
mittels transkranieller Gleichstromstimulation (transcranial Direct
Current Stimulation, tDCS) sowie repetitiver transkranieller Magnetstimulation (repetitive
Transcranial Magnetic Stimulation, rTMS) dar. Allerdings fehlen
hierzu bislang aussagekräftige Studien mit adäquaten Stichprobengrößen, einem optimalen
Stimulationsprotokoll und adäquater Berücksichtigung der individuellen
effektmodulierenden Einflussvariablen, wie z. B. die Schädelform der Patienten oder
deren genetische Polymorphismen.
Pharmakotherapie
In einer systematischen Cochrane-Übersichtsarbeit mit 16 randomisierten kontrollierten
Studien und 1 655 Teilnehmern über die Effekte von Interventionen zur
Behandlung von PSD zeigte sich, dass Pharmakotherapie sowohl eine signifikante Verbesserung
der Symptome als auch einen signifikanten Anstieg an unerwünschten
Nebenwirkungen verursachte [6]. Es zeigten sich jedoch keine Hinweise auf die Wirksamkeit von Psychotherapie [6]. Der weiter oben bereits erwähnte Mangel an einheitlichen Assessments für die Schwere
der Depression erschwerte die
Auswertung.
Ein weiterer, indirekter Ansatz zielt ab auf die Beseitigung der Einschränkung der
Körperfunktionen als Risikofaktor für eine Depression nach Schlaganfall durch
eine frühzeitige und effektive Therapie [11]. Eine häufige Komorbidität von Depressionen, insbesondere nach
linkshemisphärischem Schlaganfall, sind Angststörungen, die speziell bei rechtshemisphärischem
Schlaganfall auch isoliert auftreten können [4]. In einer systematischen Cochrane-Übersichtsarbeit mit drei randomisierten kontrollierten
Studien und 196 Teilnehmern zeigte
sich, dass es bisher keine überzeugenden Untersuchungen zur Effektivität verschiedener
Interventionen, wie z. B. Pharmakotherapie mittels Paroxetin oder
Buspiron sowie Psychotherapie und Entspannungsübungen, gibt (sehr niedrige Qualität
der Evidenz) [10].
Die Therapie des Delirs ist symptomatisch und umfasst medikamentöse und nichtmedikamentöse
Ansätze [8]. Der medikamentöse Ansatz
umfasst die Gabe von niedrig dosierten Antipsychotika. Der nichtmedikamentöse Ansatz
umfasst die Beseitigung von Risiko- und auslösenden Faktoren des Delirs und
scheint effektiver zur Prävention eines Delirs zu sein als zu dessen Therapie [8].
Ausblick
Künftig sind ein regelmäßiges Screening und eine frühzeitige, effektive Therapie gefordert.
Psychische Begleiterkrankungen nach Schlaganfall sind ein hochkomplexes Thema: Konzepte
überlappen sich, und es gibt keine trennscharfen Definitionen. Menschen nach
Schlaganfall werden selten routinemäßig auf das Vorliegen von psychischen Begleiterkrankungen
hin getestet, unterschiedliche Messinstrumente erschweren die
Vergleichbarkeit der Daten.
Ein wünschenswerter Ansatz wäre, alle Menschen nach Schlaganfall mit einem geeigneten
Assessment, wie z. B. dem MoCA mit dem Schwellenwert 26 von 30 Punkten für PSCI
und z. B. der HADS-D für PSD und dem 4A-Test für Delir, auf das Vorliegen von psychischen
Begleiterkrankungen hin zu untersuchen. Patienten mit einem positiven
Screening würden dann in einem nächsten Schritt von Spezialisten tiefergehend untersucht,
und zwar hinsichtlich kognitiver und funktionaler Einschränkungen. Die
effektive Therapie eingeschränkter Körperfunktionen sollte unmittelbar beginnen, um
einen Abbau der kognitiven Leistungsfähigkeit und die Entstehung einer
Depression zu verhindern.
Die Ergebnisse der Assessments zu PSCI und PSD stellen keine klinischen Diagnosen
im engeren Sinne dar. Die Diagnosestellung erfolgt ausschließlich über ICD-10 oder
DSM-5. Die Diagnose einer PSCI sollte frühestens sechs Monate nach dem Schlaganfall
gestellt werden, da sich deren Symptome bis dahin häufig zurückbilden
können.