Zusammenfassung
Anamnese und klinischer Befund: Bei einer 71jährigen Patientin mit seit 27 Jahren bestehendem Diabetes mellitus Typ
II b trat innerhalb von etwa 2 Jahren eine bitemporale Hemianopsie auf. Innerhalb
der letzten Wochen vor der stationären Aufnahme vergrößerte sich der Gesichtsfeldausfall
schneller, und es kamen intermittierend Doppelbilder hinzu. Bei der klinischen Untersuchung
ließ sich die Hemianopsie fingerperimetrisch zeigen; Anzeichen für eine Herzinsuffizienz
oder für periphere Durchblutungsstörungen bestanden nicht. Die Muskeleigenreflexe
waren regelrecht auslösbar; an beiden Füßen war eine Pallhypästhesie auffällig. Die
Ursache für die Sehstörung wurde zunächst in einer ischämischen Opticusneuropathie
vermutet.
Untersuchungen: Die klinisch-chemische Untersuchung erbrachte ein HbA1 von 12,8 %, Blutzuckerwerte zwischen 230 und 359 mg/dl sowie eine vermehrte intravasale
Thrombozytenaktivierung. Bei der ophthalmologischen Untersuchung ließen sich die bitemporale
Hemianopsie und eine beginnende Retinopathie nachweisen. Die Magnetresonanztomographie
des Schädels erbrachte eine zystische Raumforderung intra- und suprasellär, die bis
ans Chiasma opticum reichte. Der Befund entsprach insgesamt einer Arachnoidalzyste.
Therapie und Verlauf: Nach Rekompensation der diabetischen Stoffwechsellage mit einer konventionellen Insulintherapie
(im Durchschnitt 30 I.E. eines Intermediärinsulins) und diätetischen Maßnahmen wurde
die Zyste in einer stereotaktischen Operation punktiert. Die Hemianopsie besserte
sich daraufhin deutlich. Die Patientin konnte 4 Tage nach der Operation mit fast völlig
wiederhergestellter Sehkraft entlassen werden.
Abstract
History and clinical findings: A 71-year-old woman, a diabetic (type IIb) for 27 years, developed bilateral hemianopsia
over a period of about 2 years. A few weeks before hospital admission the defect in
her visual fields increased more rapidly and double vision occurred intermittently.
The hemianopsia was demonstrated by finger perimetry. There was no evidence of heart
failure or peripheral vascular disease. Muscle reflexes were normal, but there was
a decrease in vibratory sensation in both feet. The cause of the Visual disturbance
was at first thought to be an ischaemic optic neuropathy.
Investigations: Biochemical tests showed an HbA1 of 12.8 %, blood sugar levels were between 230 and 359 mg/dl, and there was increased
intravascular platelet activation. Ophthalmological examination confirmed bitemporal
hemianopsia and early retinopathy. Magnetic resonance imaging of the skull revealed
an intra- and suprasellär cystic space-occupying lesion extending to the right optic
chiasma. These findings, taken together, indicated an arachnoidal cyst.
Treatment and course: After the diabetic metabolic state had been normalized with insulin treatment (average
of 30 IU of an intermediary insulin) and dietary measures, the cyst was evacuated
stereotactically. The hemianopsia quickly improved markedly and the patient was discharged
4 days after the operation with her vision nearly fully restored.