Zentralbl Chir 2007; 132(3): W42-W53
DOI: 10.1055/s-2007-981160
Weiterbildung

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Skaphoidfrakturen: Diagnostik, Zugangswege, Komplikationen

Scaphoid Fractures: Diagnosis, Surgical Approach, and ComplicationsM. Sauerbier1 , M. Müller1
  • 1Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen, Klinik für Plastische und Handchirurgie an der Universität Heidelberg
Further Information

Publication History

Publication Date:
04 July 2007 (online)

Das Skaphoid ist ein wichtiger Bestandteil der proximalen Handwurzelreihe, der eine zentrale Rolle für die Handgelenksfunktion spielt. Aufgrund der längsten Heilungszeit aller Knochen im Körper gestaltet sich die Ausheilung und Behandlung der Fraktur mitunter sehr schwierig [2].

Die

Skaphoidfraktur häufigste Fraktur der Handwurzelknochen

Skaphoidfraktur ist mit 80 % die häufigste Fraktur der Handwurzelknochen und nach der distalen Radiusfraktur die zweithäufigste Verletzung des Handgelenks [2] [6]. Das Verhältnis Männer zu Frauen beträgt 6 : 1 und der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen 20 und 40 Jahren. Die Inzidenz beträgt ungefähr 0,5 Promille pro Jahr. Typischerweise ist der junge, sportlich aktive Mann von der Skaphoidfraktur betroffen.

Die Behandlung der frischen Skaphoidfraktur war lange Zeit eine Domäne der konservativen Therapie. Als Argument dafür stand die Tatsache, dass die Ausheilungsrate nach Ruhigstellung im Unterarmgips oder Oberarmgips bis zu 98,5 % nach konventioneller Röntgenkontrolle beträgt [2] [8]. Als Nachteile der konservativen Behandlung gelten die erforderliche lange Ruhigstellung von mitunter zwölf Wochen und länger sowie mangelhafte Korrekturmöglichkeit eventuell vorhandener Fehlstellungen des Skaphoids.

Diese in Fehlstellung verheilten Skaphoidfrakturen können zu radiokarpaler und mediokarpaler schmerzhafter Arthrose und schlechter Funktion führen. Vielfach klagen Patienten nach Ausheilung einer Skaphoidfraktur bei konservativer Behandlung über eingeschränkte Beweglichkeit, Kraftminderung und anhaltende Schmerzen [2] [6].

Häufig ist die Skaphoidfraktur nur mit diskreter Klinik vergesellschaftet. Aufgrund dieser unterbleibt oft eine ärztliche Behandlung oder aber es kommt vor, dass frische Frakturen vom Arzt nicht erkannt werden und eine entsprechende Behandlung nicht erfolgt. In großem Maße sind Skaphoidpseudarthrosen oder die daraus resultierende Handgelenksarthrose die Folge [2] [6]. Eine nicht erkannte Skaphoidfraktur kann zunächst komplizierte Skaphoidrekonstruktionen oder im Folgenden sogar nach langem Leidensweg teilversteifende Eingriffe wie beispielsweise die mediokarpale Teilarthrodese oder die Entfernung der proximalen Handwurzelreihe oder sogar eine komplette Arthrodese des Handgelenks erforderlich machen.

Die Behandlung der Skaphoidfraktur wurde maßgeblich von Timothy Herbert revolutioniert. Herbert entwickelte 1984 eine intraossär versenkbare Schraube sowie ein Zielgerät zur Verschraubung von Skaphoidfrakturen [10]. Mit dieser Technik sollte die anatomische Reposition erleichtert und eine Gipsruhigstellung vermieden werden. Es zeigte sich jedoch auch, dass dieses Vorgehen zu interkarpalen Bandverletzungen und zu Schäden an der Knorpeloberfläche des Skaphoids führen kann. Die Operationstechnik ist anspruchvoll und nur erfahrene Operateure erzielen durchweg gute Ergebnisse [3] [7] [10] [12-14] [17] [19]. Um die oben genannten Nachteile zu vermeiden wurden minimalinvasive Verfahren mit

kanülierte Schrauben zur Erleichterung der Osteosynthesetechnik

kanülierten Schrauben zur Erleichterung der Osteosynthesetechnik entwickelt. Das intraoperative Trauma konnte dadurch verringert und iatrogene Ligamentschäden beim Zugang vermindert werden [3] [6]. Der geringe Aufwand der minimalinvasiven Verschraubung berechtigt zur Operation nicht oder nur gering dislozierter Frakturen. So kann eine lange Immobilisierungszeit verhindert und die Patienten frühzeitig arbeitsfähig werden [4-6] [9] [11] [24]. Die frühzeitige Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit kann zu einer deutlichen Reduzierung der sozioökonomischen Kosten führen.

Literatur

  • 1 Bain G I, Bennett J D, Macdermid J C, Slethaug G P, Richards R S, Roth J H. Measurement of the scaphoid humpback deformity using longitudinal computed tomography: intra-and interobserver variability using various measurement techniques.  J Hand Surg [Am]. 1998;  23 76-81
  • 2 Baumeister H H, Greinemann H. Zur konservativen Behandlung des Kahnbeinbruches der Handwurzel.  Unfallchirurg. 1989;  92 175-179
  • 3 Bickert B, Baumeister S, Sauerbier M, Germann G. Der Einsatz der kanülierten 3,0 mm-AO-Schraube mit intraossärer Unterlegscheibe bei der Osteosynthese des Skaphoids: Ergebnisse und Problemanalyse bei 28 Fällen.  Handchir Mikrochir Plast Chir. 2000;  32 277-282
  • 4 Böhringer G, Schädel-Höpfner M, Lemke T, Gotzen L. Die arthroskopisch kontrollierte minimalinvasive Verschraubung von Skaphoidfrakturen: eine Pilotstudie.  Unfallchirurg. 2000;  103 1086-1092
  • 5 Bond C D, Shin A Y, McBride M T, Dao K D. Percutaneous screw fixation or cast immobilization for nondisplaced scaphoid fractures.  JBJS. 2001;  4 483-488
  • 6 Brauer R B, Dierking M, Werber K D. Die Anwendung der Herbert-Schraube mit der Freehand-Methode zur Osteosynthese der frischen Skaphoidfraktur.  Unfallchirurg. 1997;  100 776-781
  • 7 Filan S L, Herbert T J. Herbert screw fixation of scaphoid fractures.  J Bone Joint Surg [Br]. 1996;  78 519-529
  • 8 Frahm R von, Lowka K, Vinee P. Computertomographische Diagnostik bei Skaphoidfraktur und -pseudarthrose im Vergleich zur Röntgenaufnahme.  Handchir Mikrochir Plast Chir. 1992;  24 62-66
  • 9 Germann G, Wind G, Harth A. Der DASH-Fragebogen- Ein neues Instrument zur Beurteilung von Behandlungsergebnissen an der oberen Extremität.  Handchir Mikrochir Plast Chir. 1999;  31 149-152
  • 10 Herbert T J, Fisher W E. Management of the fractured scaphoid using a new bone screw.  J Bone Joint Surg [Br]. 1984;  66 114-123
  • 11 Hudak P L, Amadio P C, Bombardier C. Development of an upper extremity outcome measure: the DASH (disabilities of the arm, shoulder and hand) [corrected]. The Upper Extremity Collaborative Group (UECG).  Am J Ind Med. 1996;  29 602-608 , Erratum in: Am J Ind Med 1996; 30: 372
  • 12 Karle B, Mayer B, Kitzinger H B, Frohner S, Schmitt R, Krimmer H. Skaphoidfrakturen - operative oder konservative Behandlung? Eine CT-kontrollierte Klassifikation.  Handchir Mikrochir Plast Chir. 2005;  37 260-266
  • 13 Krimmer H. Scaphoid fracture repair using the Herbert screw system (HBS).  Atlas Hand Clin. 2003;  8 57-66
  • 14 Krimmer H. Management of acute fractures and nonunions of the proximal pole of the scaphoid.  J Hand Surg [Br]. 2002;  27 245-248
  • 15 Krimmer H, Schmitt R, Herbert T. Kahnbeinfraktur-Diagnostik, Klassifikation und Therapie.  Unfallchirurg. 2000;  103 812-819
  • 16 Lichtmann D M, Brown D E. Midcarpal instability.  Hand Clin. 1987;  3 135-140
  • 17 Müller M, Chen Z B, al Morshidy A, Germann G, Sauerbier M. Ergebnisse frischer osteosynthetisch verschraubter Skaphoidfrakturen nach postoperativer CT-Kontrolluntersuchung.  Unfallchirurg. 2006;  109 185-192
  • 18 Preisser P, Buck-Gramcko D. Computertomographie der Hand in hochauflösender Technik.  Handchir Mikrochir Plast Chir. 1992;  24 136-144
  • 19 Rettig M E, Kozin S H, Cooney W P. Open reduction and internal fixation of acute displaced scaphoid fractures.  J Hand Surg [Am]. 2001;  26 271-276
  • 20 Sauerbier M, Germann G, Dacho A. Current concepts in the treatment of scaphoid fractures.  Eur J Trauma. 2004;  2 80-92
  • 21 Sauerbier M, Germann G. Skaphoidfraktur. In: Ewerbeck V, Wentzensen A, Holz F, Krämer KL., Pfeil J, Sabo D. Standardverfahren in der operativen Orthopädie. 3. Auflage. Thieme, Stuttgart 2007; 434-439
  • 22 Sauerbier M, Tränkle M, Linsner G, Bickert B, Germann G. Midcarpal arthrodesis with complete scaphoid excision and interposition bone graft in the treatment of advanced carpal collapse (SNAC/SLAC wrist): operative technique and outcome assessment.  J Hand Surg [Br]. 2000;  25 341-345
  • 23 Sauerbier M, Berger R A. Limited wrist arthrodesis. In: Weiss AC, Hastings H (Hrsg). Surgery of the arthritic hand and wrist. Lippincott Williams and Wilkins, Philadelphia 2002; 121-139
  • 24 Schädel-Höpfner M, Böhringer G, Gotzen L. Die perkutane Osteosynthese der Skaphoidfraktur mit der Herbert-Whipple-Schraube. Technik und Resultate.  Handchir Mikrochir Plast Chir. 2000;  32 271-227

Prof. Dr. M. Sauerbier

Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie · Schwerbrandverletztenzentrum · Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen · Klinik für Plastische und Handchirurgie an der Universität Heidelberg

Ludwig-Guttmann-Straße 13

67071 Ludwigshafen a. Rh.

Phone: 06 21/68 10 29 44

Fax: 06 21/68 10 28 44

Email: michael.sauerbier@urz.uni-heidelberg.de

    >