Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(11): 577-578
DOI: 10.1055/s-2006-959112
psychoneuro für die Hausarztpraxis

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Positive Wirkung auf patientenrelevante Parameter bei Alzheimer-Demenz - Kognition und Gesamturteil besser bei sehr guter Verträglichkeit

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Publikationsdatum:
12. Dezember 2006 (online)

Bei der Alzheimer-Demenz sind die positive Beeinflussung der Kognition (Gedächtnis, Lernen, Konzentration) sowie die Verzögerung der Krankheitsprogression insbesondere hinsichtlich weiterer wichtiger patientenrelevanter Endpunkte, wie die Verbesserung oder Stabilisierung der Alltagsaktivitäten, Verhaltensauffälligkeiten und soziale Interaktionsfähigkeiten primäre Therapieziele. Bei Alzheimer-Demenz steht mit dem N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezeptor Antagonist Memantine (z.B. Axura®*) eine sehr gute therapeutische Option zur Verfügung. Die Patienten profitieren im gesamten zugelassenen Therapiespektrum der moderaten bis zur schweren Alzheimer-Demenz von Memantine. In den patientenrelevanten Endpunkten Kognition, Alltagskompetenz und klinisches Gesamturteil zeigten die mit Memantine therapierten Patienten signifikant bessere Ergebnisse als die Plazebokontrollgruppen (1, 2, 3, 4). Die bereits vorliegenden positiven Ergebnisse, werden auch durch die Langzeitdaten der offenen Verlängerung der Zulassungsstudie von Reisberg et al. erweitert [Abb. 1] [5].

Abb. 1

Die Ergebnisse der Studie von Peskind et al. „Memantine Treatment in Mild to Moderate Alzheimer Disease: A 24-Week Randomized, Controlled Trial” zeigen, dass Memantine im gesamten Alzheimer-Therapiespektrum der Studienpopulation bezüglich der Endpunkte Kognition und klinisches Gesamturteil signifikant wirksamer als Plazebo ist [Abb. 2]. Darüber hinaus traten bei den mit Memantine therapierten Patienten signifikant weniger Verhaltensstörungen auf [6] [Abb. 3].

Abb. 2

Abb. 3

Zusatznutzen: Weniger neuropsychiatrische Symptome und Verhaltensauffälligkeiten

Neuropsychiatrische Symptome und Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression und Agitiertheit treten bei bis zu 80 % der Betroffenen auf und erschweren den täglichen Umgang mit dem Patienten erheblich. Die Bandbreite der Symptome reicht dabei von erhöhter Reizbarkeit und Stimmungslabilität über die manifeste Aggression bis hin zu starker Agitiertheit und Angst. Diese Symptome verursachen bei Patienten und Angehörigen einen starken und zunehmenden Leidensdruck und machen eine häusliche Betreuung oft nicht mehr möglich.

Memantine bremst nicht nur die Progression der Alzheimer-Demenz, sondern bringt den Zusatznutzen, dass es nachweislich auch häufig auftretende demenzbedingte Verhaltensauffälligkeiten reduziert; dies wurde durch die Analyse zweier randomisierter, plazebokontrollierter Doppelblindstudien mit dem NMDA-Antagonisten Memantine belegt [4]. Im Neuropsychiatrischen Inventar (NPI)-Gesamtscore konnte - bei Verbesserungen in fast allen Untersuchungskriterien - eine Überlegenheit von Memantine gezeigt werden. Insbesondere Agitiertheit/Aggression verbesserte sich unter Memantine signifikant im Vergleich zu Plazebo. Hervorzuheben ist, dass bei 76 % der Patienten mit vorhandener Agitiertheit oder Aggression die Symptome nachließen. Bei etwa 44 % der Patienten, die zu Studienbeginn diese Begleitsymptome noch nicht aufwiesen, konnte das Neuauftreten von Agitiertheit/ Aggression ebenfalls deutlich verzögert werden. Weitere signifikante Verbesserungen unter Memantine betrafen Wahnvorstellungen, Reizbarkeit/Labilität und Appetit/Essverhalten.

Gute Verträglichkeit und geringes Interaktionspotential

Bei der Behandlung von multimorbiden Patienten und oft auch älteren Patienten mit zahlreichen Komedikationen, ist neben der Wirksamkeit des Antidementivums auch das Interaktionspotenzial zu berücksichtigen. Hier bietet Memantine nicht nur durch seine gute Verträglichkeit Vorteile; die Substanz wird praktisch nicht über das Leberenzymsystem Cytochrom P450 verstoffwechselt. Wechselwirkungen sind daher unwahrscheinlich. Einen weiteren Vorteil besitzt Memantine zum Beispiel auch aus gastrointestinaler Sicht: Mit seinem einzigartigen Wirkmechanismus als N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Antagonist verursacht Memantine im Gegensatz zu Cholinesterasehemmern (ChE-Hemmern) keine cholinergen Nebenwirkungen, die häufig die Compliance der Patienten einschränken und Pflegende zusätzlich belasten. Durch die Wirkung auf das glutamaterge Neurotransmittersystem unterscheidet sich Memantine von den anderen Antidementiva.

Modulation der glutamatergen Wirkung und Neuroprotektion

Glutamat ist der häufigste erregende Neurotransmitter im zentralen Nervensystem und somit maßgeblich an Gedächtnisvorgängen sowie der neuronalen Plastizität (d.h. der Fähigkeit des Gehirns, sich veränderten Bedingungen anzupassen) beteiligt.

Eine zentrale Rolle bei der Alzheimer-Demenz spielen Veränderungen dieser glutamatergen Signalübertragung, die in bestimmten Hirnregionen auch cholinerge Neurone beeinflusst.

Aufgrund seiner spezifischen pharmakokinetischen Eigenschaften als NMDA-Antagonist mit mittlerer Affinität kann Memantine den Rezeptor unter Ruhebedingungen verschließen, jedoch bei spezifischer Aktivierung den Rezeptor freigeben, so dass eingehende Signale weitergeleitet werden, somit können Lern- und Gedächtnisvorgänge weiterhin stattfinden. Memantine reguliert das glutamaterge Neurotransmittersystem positiv und zudem gibt es auch Hinweise auf neuroprotektive Effekte.

Quellen:

  • 1 Reisberg B, Doody R, Stoffler A, Schmitt F, Ferris S, Mobius HJ. Memantine Study Group. Memantine in moderate-to-severe Alzheimer's disease.  N Engl J Med. 2003;  348 1333-1341
  • 2 Winblad B, Poritis N. Memantine in severe dementia: results of the 9M-Best Study (Benefit and efficacy in severely demented patients during treatment with memantine).  J Geriatr Psychiatry. 1999;  14 135-146
  • 3 Tariot PN, Farlow MR, Grossberg GT, Graham SM, McDonald S, Gergel I. Memantine Study Group. Memantine treatment in patients with moderate to severe Alzheimer disease already receiving donepezil: a randomized controlled trial.  JAMA. 2004;  291 317-324
  • 4 Gauthier S, Wirth Y, Möbius HJ. Effects of memantine on behavioural symptoms in Alzheimer's disease patients: an analysis of the Neuropsychiatric Inventory (NPI) data of two randomised, controlled studies.  Int J Geriatr Psychiatry. 2005;  20 459-464
  • 5 Reisberg B, Doody R, Stoffler A, Schmitt F, Ferris S, Mobius HJ. A 24-week open-label extension study of memantine in moderate to severe Alzheimer disease.  Arch Neurol. 2006;  63 49-54
  • 6 Peskind ER, Potkin SG, Pomara N, Ott BR, Graham SM, Olin JT, McDonald S. Memantine treatment in mild to moderate Alzheimer disease: a 24-week randomized, controlled trial.  Am J Geriatr Psychiatry. 2006;  14 704-715

1 zugelassen ist Memantine zur Behandlung der moderaten bis schweren Alzheimer-Demenz

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