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DOI: 10.1055/s-2006-951359
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Machbarkeit und Menschlichkeit in der modernen Medizin
Zur Ethik des FortschrittsPublikationsverlauf
eingereicht: 18.4.2006
akzeptiert: 24.8.2006
Publikationsdatum:
04. Oktober 2006 (online)

Einleitung
Der naturwissenschaftlich-technische Fortschritt der Medizin - molekularbiologische Erkenntnisse der Pathogenese, Labortests, bildgebende diagnostische Verfahren und innovative operative und medikamentöse Therapien - bietet viele Vorteile. Krankheiten können heute effektiver als früher behandelt werden. Wir leben in einer Ära der Machbarkeit. Je mehr Eingriffsmöglichkeiten bestehen, umso nötiger wird es, sie dem Kranken umgangssprachlich zu vermitteln. Besonders chronisch Kranke benötigen neben Wissen und Können des Arztes auch Zuwendung, die die Perspektiven und Werte des Patienten berücksichtigt. Machbarkeit und Menschlichkeit sind zwei Wegmarken, die der Arzt wie ein Kapitän benötigt, der sein Schiff zwischen Steuerbord- und Backbordtonne sicher in den Hafen steuern will. Die Wegmarke Machbarkeit weist auf die Fortschritte der Medizin hin. Die zweite Wegmarke hat ebenfalls große Bedeutung. Wie gehe ich als Arzt respektvoll und schonend mit meinen Patienten um? Wie komme ich mit ihm in Kommunikation, die eine Voraussetzung für Vertrauen ist? Menschlichkeit bedeutet auch, dass der Arzt bei der Auswahl von Diagnostik und Therapie mit Maß und Besonnenheit in Zusammenarbeit mit dem Patienten entscheidet und dass sein Handeln vom Wohl des Kranken und nicht von Geschäftsinteressen bestimmt wird. Machbarkeit und Menschlichkeit brauchen keine Gegensätze zu sein. Technikfeindlichkeit vergisst die Hilfe durch naturwissenschaftliches Wissen und eingreifendes Können. Medizin geht aber nicht in Naturwissenschaft und Technik auf. Sie sind Methoden, nicht das Ziel, das der „kranke Mensch” heißt [19].
Manche bezweifeln, dass eine solche menschlich-verstehende Medizin, die sich Zeit für die Persönlichkeit und Lebensumstände des Kranken nimmt, heute noch praktizierbar ist, weil die Absorption des Spezialisten durch die Fülle technischer Interventionen und weil Ökonomisierung, Bürokratisierung und Durchschleusen des Patienten in Kliniken und Praxen eine individuelle Medizin erschweren. Dabei wird allerdings vergessen, dass ein Patient-orientiertes Vorgehen zu besseren Erfolgen der Behandlung und zu größerer Befriedigung des Kranken führt als eine Medizin, die allein an Machbarkeit interessiert ist [11] [24].
kurzgefasst
Machbarkeit und Menschlichkeit in der Medizin brauchen sich nicht auszuschließen. Sie benötigen einander.
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Prof. Dr. med. Karlheinz Engelhardt
Jaegerallee 7
24159 Kiel