Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(38): 2142-2145
DOI: 10.1055/s-2005-916355
Aktuelle Diagnostik & Therapie
Onkologie/Kiefer-Gesichtschirurgie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kieferosteonekrosen unter Bisphosphonattherapie: Diagnostik und Therapie

Osteonecrosis of the jaws during treatment with bisphosphonates: diagnosis and therapic optionsB. Steiner1 , J.-H Lenz2 , K. K. H. Gundlach2 , M. Freund1
  • 1Universität Rostock, Klinik für Innere Medizin, Abteilung Hämatologie und Onkologie
  • 2Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie
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Publication History

eingereicht: 16.6.2005

akzeptiert: 8.9.2005

Publication Date:
20 September 2005 (online)

Die Gabe von Bisphosphonaten ist Bestandteil der medikamentösen Therapie bei Hyperkalziämie, Morbus Paget, Knochenmetastasen solider Tumoren und beim Plasmozytom. Die Substanzgruppe kommt ferner in der Behandlung der Osteoporose zum Einsatz. In mehr als 25 Jahren der klinischen Anwendung erhielten Millionen Patienten sowohl perorale als auch intravenöse Applikationen. Die Therapie mit Bisphosphonaten zeichnet sich allgemein durch eine sehr gute Verträglichkeit aus. Typische unerwünschte Arzneimittelwirkungen in einer Größenordnung von 3 bis 30 % sind gastrointestinale Beschwerden, insbesondere bei oraler Anwendung. Bei der intravenösen Applikation können grippeähnliche Symptome (Leukozytose, Fieber, Gelenkbeschwerden) auftreten. Die Nephrotoxizität ist eine seltene, schwerwiegende Komplikation nach intravenöser Bisphosphonatanwendung, die aus der Wirkstoffakkumulation im proximalen Tubulussystem und einer proapoptotischen Aktivität resultiert [6]. Unklar bleibt derzeit, ob es sich dabei um einen um einen Klasseneffekt handelt oder einzelne Wirkstoffe betroffen sind.

Seit 2003 sind wiederholt Berichte über Patienten mit aseptischen Knochennekrosen im Ober- und Unterkiefer bekannt geworden, bei denen als gemeinsame therapeutische Maßnahme die Bisphosphonattherapie auffiel. Diese Nekrosen wurden sowohl bei Tumorpatienten als auch bei Patienten mit Osteoporose beobachtet. Über mehr als 150 Patienten wurde im internationalen Schrifttum bereits berichtet [2] [4] [10] [12] [13]. In einer retrospektiven Untersuchung [13] über 2 Jahre wurden amerikanische Patienten, die über mindestens 12 Monate mit Bisphosphonaten behandelt worden waren, systematisch bezüglich aseptischer Nekrosen des Unter- und Oberkiefers untersucht: Bei 63 Patienten wurden Osteonekrosen diagnostiziert. Neben Tumorpatienten waren auch 7 Patienten mit Osteoporose betroffen.

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft teilte 2004 diese mögliche Komplikation als unerwünschte Arzneimittelwirkung der Bisphosphonattherapie mit [3]. Die Fachinformationen für Pamidronsäure (Aredia) und Zoledronsäure (Zometa) wurden in den USA und Deutschland um diese bislang unbekannte unerwünschte Arzneimittelwirkung erweitert. Steigende Verordnungen von Bisphosphonaten lassen eine weitere Zunahme der Osteonekrosen voraussehen. Es wurde dazu aufgefordert, alle beobachteten Osteonekrosen inklusive der Verdachtsfälle in einem Register zu erfassen (Deutsche Register zur Erfassung von Osteonekrosen des Kiefers, Prof. Dr. D. Felsenberg, Charité, Berlin, und Prof. Dr. I. Diehl, Mannheim).

Ein interdisziplinärer Ansatz ist für die Diagnostik und das Management der aseptischen Knochennekrosen des Ober- und Unterkiefers von entscheidender Bedeutung. Vorrangig ist die enge Zusammenarbeit zwischen Onkologen und Zahnärzten/Kieferchirurgen notwendig. Bei Beschwerden im Kieferbereich stellen sich Patienten naturgemäß in erster Linie dem Zahnarzt vor, der selten Kenntnis von der onkologischen Therapie hat [14].

kurzgefasst: Aseptische Osteonekrosen des Kiefers sind eine mögliche Komplikation von Bisphosphonaten. Sie treten vor allem bei Tumorpatienten auf, wurden aber vereinzelt auch während der Therapie einer Osteoporose beobachtet.

Literatur

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  • 4 Carter G D, Goss A N. Bisphosphonates and avascular necrosis of the jaws.  Aust Dent J. 2003;  48 268
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  • 13 Ruggiero S L, Mehrotra B, Rosenberg T J. et al . Osteonecrosis of the jaws with the use of bisphosphonates: a review of 63 cases.  J Oral Maxillofac Surg. 2004;  62 527-534
  • 14 Schwartz H C. Osteonecrosis and bisphosphonates: Correlation versus causation.  J Oral Maxillofac Surg. 2004;  62 763-764
  • 15 Sung E C, Chan S M, Sakurai K. et al . Osteonecrosis of the maxilla as a complication to chemotherapy: a case report.  Spec Care Dentist. 2002;  22 142-146
  • 16 Tarassoff P, Csermak K. Avascular necrosis of the jaws: Risk factors in metastatic cancer patients.  J Oral Maxillofac Surg. 2003;  61 1238-1239
  • 17 Vannucchi A M, Ficarra G, Antonioli E. et al . Osteonecrosis of the jaw associated with zoledronate therapy in a patient with multiple myeloma.  BJH. 2005;  128 738

Dr. med. Beate Steiner

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