Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(20): 1278-1279
DOI: 10.1055/s-2005-868719
Leserbriefe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ist die Fibromyalgie eine Erkrankung? Erwiderung 2

W. Müller, T. Stratz
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Publication Date:
12 May 2005 (online)

Erwiderung Nr. 2: Dem Schlusssatz des Leserbriefes von Herrn Dr. Hakimi, Fibromyalgie-Patienten möglichst bald einer qualifizierten ärztlichen Behandlung zuzuführen, können wir nur voll und ganz zustimmen.

Leider stoßen Fibromyalgie-Patienten in der ärztlichen Praxis oft auf wenig Verständnis, woraus ein dauernder Arztwechsel mit immer wieder neuen diagnostischen Eingriffen und unterschiedlichen Therapieversuchen resultiert, die zu erheblichen Kosten im Gesundheitswesen führen. Etwas überspitzt formuliert kann man die Diagnose einer Fibromyalgie im Gewicht der mitgebrachten Röntgenaufnahme zumindest vermuten.

Gestützt auf eine 30-jährige Erfahrung - wir haben das Krankheitsbild 1976 als generalisierte Tendomyopathie beschrieben - schlagen wir bei entsprechenden Patienten folgendes Prozedere vor: Sobald die Diagnose oder der Verdacht einer Fibromyalgie gestellt worden ist, sollen die Patienten in eine entsprechend qualifizierte Klinik überwiesen werden, um hier die Diagnose zu sichern, die somatischen und psychischen Komponenten der Erkrankung zu erfassen, differentialdiagnostisch die unterschiedlichsten Erkrankungen auszuschließen und die verschiedenen Therapiemöglichkeiten zu erwägen und ggf. auch zu testen. In der hausärztlichen Praxis sind entsprechende Möglichkeiten oft nicht gegeben, da die Differentialdiagnose ebenso wie die für die Therapie außerordentlich wichtige Unterteilung der Fibromyalgie in Untergruppen hier oft auf Schwierigkeiten stößt und zudem die für Diagnose und Therapie wichtige Unterstützung durch einen Psychotherapeuten oder einen Psychologen nicht immer zur Verfügung steht. Der Patient aber schätzt sowohl eine sorgfältige Differentialdiagnose - wir konnten beispielweise bei 4 % unserer Patienten durch entsprechende Untersuchungen einen Myadenyldesaminasemangel als Ursache der Beschwerden feststellen - als auch die für Diagnose und Therapie wichtige psychotherapeutische Betreuung. Wie wichtig eine einfühlsame Psychotherapie ist, mag daraus hervorgehen, dass der Psychologe unserer Klinik im Zufriedenheitsstatus der Patienten an erster Stelle stand.

Ist die Diagnose gestellt und die Therapie festgelegt, so bereitet die Weiterbetreuung durch den Hausarzt - evtl. unterstützt vom Psychologen und der Krankengymnastik - in der Regel keine wesentlichen Schwierigkeiten. Auch wenn die Patienten ihre Beschwerden nicht oder nicht ganz verlieren, bleiben sie in der Regel ihrem behandelnden Arzt über Jahre, ja Jahrzehnte treu und vertrauen auf ihn, d. h. sie wenden sich nur selten den im Leserbrief zitierten fragwürdigen diagnostischen und therapeutischen Alternativen zu.

Selbstverständlich ist das Verständnis für den Patienten oberstes Gebot des Arztes. Dann sind auch Invalidisierungen der Patienten durch die Fibromyalgie oft zu umgehen.

Prof. Wolfgang Müller
Dr. Thomas Stratz

Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung e. V., Department für Klinische Forschung und Rheumaklinik

Bergseestraße 61

79713 Bad Säckingen

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