Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(7): 354
DOI: 10.1055/s-2005-863059
Leserbriefe

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Malignes Melanom der anorektalen Schleimhaut

Zum Beitrag in DMW 27/2004B. M. Helmke
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Publication Date:
11 February 2005 (online)

Ein bis heute nicht gelöstes Problem in der Beurteilung anorektaler Melanome (AM) ist ihre prognostische Einschätzung anhand einer validen Klassifikation, wie sie für Karzinome des Analkanals und des Kolorektums bereits durch die TNM-Klassifikation etabliert ist. Eine Ausnahme in dieser überwiegend für Karzinome der verschiedenen Lokalisationen etablierten TNM-Klassifikation bilden die kutanen Melanome. Unberücksichtigt hierbei bleiben jedoch die AM. Im Supplement der aktuellen TNM-Klassifikation [4] wird dieses im Detail wie folgt beschrieben: „Die Klassifikation findet Anwendung für maligne Melanome der Haut aller Lokalisationen, inklusive des Augenlids, der Vulva, des Penis sowie des Skrotums, jedoch nicht bei mukosalen Melanomen (Mundhöhle, Nasopharynx, Vagina, Urethra und Analkanal) und bei Melanomen der Konjunktiva und der Uvea. Die beiden letztgenannten Lokalisationen werden in separaten Klassifikationen berücksichtigt....“

Die von Sucker et al. erwähnte und auch von anderen Autoren praktizierte prognostische Einschätzung der AM anhand der TNM-Klassifikation ist insofern nicht konform mit den allgemeinen Regeln des TNM-Systems [4]. Eine Anlehnung an die für Karzinome dieser Lokalisationen etablierten Einteilungen nach TNM, wie sie oftmals vorgenommen wird, erscheint dabei nur auf den ersten Blick plausibel.

Grundvoraussetzung für die adäquate Anwendung der TNM-Klassifikation ist die entsprechende anatomische Orientierung mit der konsequenten Unterscheidung der benachbarten Regionen (Kolorektum vs. Analkanal), da diese deutlich unterschiedlichen TNM-Kriterien unterliegen. Hierbei ist die einheitliche Anwendung der Definition des Analkanals, die sowohl nach chirurgischen als auch nach histomorphologischen und anatomischen Gesichtspunkten erfolgen kann, notwendig. Aus chirurgischer Sicht entspricht der Analkanal dem Darmsegment in Höhe des M. sphincter ani internus, der von drei unterschiedlichen Schleimhäuten mit regional variabler Dichte an Melanozyten ausgekleidet wird.

Die sich angrenzenden Abschnitte des Analkanals und des Kolorektums unterliegen differenten TNM-Kriterien. So richtet sich im Analkanal die T-Kategorie nach der Tumorgröße und nicht primär, wie bei den kolorektalen Karzinomen, nach der Infiltrationstiefe. Darüber hinaus zählen inguinale Lymphknotenmetastasen bei Karzinomen des Analkanals zu regionären Lymphknotenmetastasen, bei Rektumkarzinomen jedoch schon zu Fernmetastasen.

Bei zonal überschreitendem Wachstum von Karzinomen kann die histologische Tumordifferenzierung einen Anhalt auf den primären Entstehungsort liefern. Ein im anorektalen Übergang lokalisiertes Plattenepithelkarzinom würde demnach in erster Linie als Analkanalkarzinom angesehen werden. Im umgekehrten Fall würde ein Adenokarzinom (kolorektaler Typ) von gleicher Größe und in derselben Lokalisation als primäres Rektumkarzinom eingestuft. Dieses sehr hilfreiche, jedoch nicht unumstrittene Herleitung der möglichen primären Tumorlokalisation von Karzinomen ist bei der AM nicht möglich.

Die mit absteigender Häufigkeit im Rektum, im Analkanal und am Analrand auftretenden AM zeigen in fast einem Drittel der Fälle aufgrund ihrer Größe ein zonal überschreitendes Wachstum [1]. In diesen Fällen ist eine anatomische Zuordnung zu der primären Tumorlokalisation und somit eine Einschätzung nach dem TNM-System nicht sicher gegeben. Auch gestaltet sich die prognostische Einschätzung der AM anhand der Tumorgröße bzw. Infiltrationstiefe schwierig, da selbst kleinere, oftmals polypös gewachsene AM mit nur geringer Infiltration der Submukosa ein aggressives Wachstum mit ausgedehnter Metastasierung aufweisen können (eigene Beobachtungen).

Eine Alternative zur TNM-Klassifikation bietet eine von verschiedenen Arbeitsgruppen angewandte Einteilung [2]. Diese beinhaltet eine Unterscheidung in ein ausschließlich lokales Wachstum jeglicher Ausdehnung (Stadium I), einem zusätzlichen Lymphknotenbefall (Stadium II) und/oder einer Fernmetastasierung (Stadium III).

Ein wesentlicher Vorteil dieser Einteilung besteht darin, dass sie lokalisationsunabhängig und einfach umsetzbar ist und eine hohe Reproduzierbarkeit besitzt.

Literatur

  • 1 Helmke B M, Otto H F. Das anorektale Melanom: Eine seltene und hochmaligne Tumorentität des Analkanals.  Pathologe. 2004;  25 171-177
  • 2 Nagel K, Ghussen F, Günther M. Das maligne Melanom des Anorektums.  Dtsch Med Wochenschr. 1986;  111 337-341
  • 3 Sucker C, Dölken G, Stockschläder M. Malignes Melanom der anorektalen Schleimhaut.  Dtsch Med Wochenschr. 2004;  129 1504-1506
  • 4 UICC. A commentary on uniform use. 3rd.  John Wiley & Sons, New York Wittekind Ch, Greene FL, Henson DE, Hutter RVP, Sobin LH eds. TNM Supplement 2003 2003

Dr. med. Burkhard M. Helmke

Pathologisches Institut, Universität Heidelberg

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