Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(20): 1155
DOI: 10.1055/s-2004-824865
Pro & Contra

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kardioprotektion durch Acarbose - Pro

Cardioprotection by acarbose- proH.-W M. Breuer
Further Information

Publication History

eingereicht: 10.12.2003

akzeptiert: 15.1.2004

Publication Date:
21 July 2004 (online)

Zirka 75 % der Typ 2-Diabetiker sterben an kardiovaskulären Erkrankungen. Weltweit zeigten zahlreiche epidemiologische Untersuchungen, dass postprandiale Glukosespitzen einen unabhängigen kardiovaskulären Risikofaktor darstellen. Pathophysiologisch werden u. a. eine verstärkte Endothelinfreisetzung, Reduktion der NO-Aktivität, erhöhte Gerinnungsaktivität, LDL-Oxidation und eine endotheliale Dysfunktion diskutiert.

Die gestörte Glukosetoleranz wird als Diabetes-Vorstufe angesehen. 16,8 % der Männer und 16,0 % der Frauen wiesen in der Augsburger KORA-Studie dieses Stadium auf. Bereits 15 Jahre vor Diabetesmanifestation war in der Nurses-Health-Studie das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall um das 2,4fache erhöht. Bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt bestand in einer schwedischen Studie eine IGT-Prävalenz von 35 %. Die Relevanz der postprandialen Glukoseerhöhung wird auch in der RIAD-Studie deutlich, wo die Intima-Media-Dicke nur durch den 2h-OGTT-Wert und nicht durch den Nüchternblutzucker determiniert wurde. Der postprandialen Glukosedysregulation muss somit eine besondere Bedeutung für kardiovaskuläre Komplikationen zugemessen werden.

STOP-NIDDM, die erste medikamentöse doppelblinde Langzeit­interventionsstudie bei IGT, zeigte, dass Acarbose signifikant die Konvergenz von IGT zu Typ 2-Diabetes reduziert. Darüber hinaus kam es zu einer signifikanten relativen Risikoreduktion des klinisch manifesten Myokardinfarktes (91%, 1 Patient versus 12), der Hypertonieinzidenz und des gemeinsamen Endpunktes „kardiovaskuläre Ereignisse” (1). Eine unabhängig von der STOP-NIDDM Studiengruppe durchgeführte Analyse zeigte zusätzlich eine signifikante Reduktion stummer Myokardinfarkte (1 Patient versus 7) [2]. Die homogene Tendenz zur Reduktion weiterer kardiovaskulärer Diabetes-Komplikationen wie Angina pectoris, Revaskularisation usw. war eindeutig (2). Vergleichbare Ergebnisse wurden in einer Metaanalyse randomisierter doppelblinder Acarbose-Studien bei manifestem Typ 2- Diabetes beschrieben (z.B. Myokardinfarktreduktion 64%) (3).

Pseudokritische Argumente wie „nicht optimale Verblindung” (aufgrund subjektiv empfundener Acarbose Nebenwirkungen) oder marginale Kritikpunkte wie unterschiedliche Hypertoniedefinitionen in den Publikationen zu STOP-NIDDM (≥ 140/90 bzw. > 140/90mmHg) sind formal berechtigt, haben jedoch keinerlei Bezug zu den Studienergebnissen. Die Wahl der mittleren Gesamtstudienlaufzeit von 3,3 Jahren als Analysezeitraum für die Endpunkte in der Lancet- [1] und der JAMA-Publikation [2] und von 3 Jahren für die Berechnung von Risikoparametern in JAMA beeinflusst keinesfalls die konsistenten Studienergebnisse. Unterschiede in der Anzahl unerwarteter kardiovaskulärer Ereignisse, die durch den Prüfarzt dokumentiert werden, und vordefinierter kardiovaskulärer Endpunkte sind zu erwarten, da „unerwünschte Ereignisse” alle Ereignisse wie z. B. Thrombophlebitis, Thrombosen usw. erfassen, die jedoch keine üblichen kardiovaskulären Endpunkte sind.

Die Optimierung des kardiovaskulären Risikoprofils durch Acarbose, wie unter anderem Gewichtsreduktion, Lipidreduktion, Abnahme der Insulinresistenz usw., zeigte sich in zahlreichen Studien. Ein Cochrane-Review belegte zudem die klinische Wirksamkeit von Acarbose (mittlere HbA1c-Absenkung von 0,8 %). Die Evidenz der zahlreichen Acarbose-Studien einschließlich der Studien zu kardiovaskulären Ereignissen wurde von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft als Ia und Ib klassifiziert.

Autorenerklärung: Der Autor erklärt, im Auftrag der Firma Bayer Vital GmbH honorierte Fortbildungsvorträge zum Diabetes mellitus zu halten.

Literatur

  • 1 Chiasson J L, Josse R G, Gomis R, Hanefeld M, Karasik A, Laakso M. Acarbose for prevention of type 2 diabetes mellitus: the STOP-NIDDM randomised trial.  Lancet. 2002;  359 2072-2077
  • 2 Chiasson J L, Josse R G, Gomis R, Hanefeld M, Karasik A, Laakso M. Acarbose treatment and the risk of cardiovascular disease and hypertension in patients with impaired glucose tolerance. The STOP NIDDM trial.  JAMA. 2003;  290 486-494
  • 3 Hanefeld M, Cagatay M, Petrowitsch T, Neuser D, Petzinna D, Rupp M. Acarbose reduces the risk for myocardial infarction in type 2 diabetic patients: meta-analysis of seven long-term studies.  Europ Heart J. 2004;  25: 10-16
  • 5 Van de Laar F A, Lucassen P LBJ, van de Lisdonk E H, Akkermans R P, van den Hoogen H JM, Rutten G EHM, van Weel C. How effective is acarbose in the treatment of type 2 diabetes mellitus? A Cochrane review.  Diabetes & Metabolism. 2003;  29 IDF 4S428

Prof. Dr. med. habil. H.-W. M. Breuer

Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin, Malteser Krankenhaus St. Carolus Görlitz

Carolusstraße 212

02827 Görlitz

Phone: 03581/721002

Fax: 03581/721003

Email: breuer@carolus-goerlitz.de

    >