Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(14): 769-770
DOI: 10.1055/s-2004-822873
Leserbriefe

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Prinzipien der Aufklärung in der Onkologie - Erwiderung

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Publication Date:
24 March 2004 (online)

Die Autoren danken Herrn Prof. Dr. Jochen Vollmann, Herrn Jan Schildmann und Herrn Prof. Sertl ganz ausdrücklich für die interessanten, jedoch in gewisser Weise kontrastierenden Stellungnahmen zu unserem Artikel „Prinzipien der Aufklärung in der Onkologie“.

Wir unterstützen nachdrücklich die Stellungnahme von Schildmann und Vollmann, dass häufig schlechte Nachrichten weniger gut von den Patienten erinnert werden und begrüßen die Aussage, dass Ärzte lernen müssen, über die notwendigen kommunikativen Kompetenzen zu verfügen. In der Tat lässt sich nachweisen, insofern herzlichen Dank für die beigefügte Literaturstelle, dass sich bei Ärzten nach dem Besuch einer Fortbildung ein signifikant verbessertes Gesprächsverhalten bei der Aufklärung beobachten lässt.

Herr Prof. Sertl ist nur bedingt der Meinung, das Problem würde sich um den Patienten drehen und sich auf ihn zentrieren. Er vertritt eher die These, der Zuhörer würde ohnehin entscheiden, was gesagt würde (im Zitat von Förster) und schlussfolgert, dass die perfekte Aufklärung dazu führen könnte, sogar seine Krankheit nicht nur anzunehmen, sondern sie emotional sogar so zu bewerten, über die gegebenenfalls zu Tode führende Krankheit froh zu sein, weil er so gut aufgeklärt worden ist. Dieser Zusammenhang ist unklar und missverständlich. Hier sollte aus unserer Sicht aufgepasst werden. Offensichtlich bedeutet perfekte Aufklärung nicht, eine Krankheit nicht zur Kenntnis zu nehmen, erst Recht keine existenziell bedrohliche. Perfekte Aufklärung ist nur so perfekt, wie alles überhaupt perfekt sein kann und da „nobody perfect“ ist, ist die perfekte Aufklärung eine optimale Aufklärung, die den Patienten einbezieht, sich auf ihn einlässt und empathisch in verschiedenen Schritten versucht, das, was für den Patienten wichtig ist, in einer angemessenen Art und Weise darzubringen. Wir teilen nicht die Ansicht, dass der Arzt das eigentliche Problem ist und nicht etwa der Patient.

Wir klären den Patienten nicht auf, weil wir die akute, emotionale Schmerzreaktion des Patienten als unerträglich empfinden, sondern wollen gerade die Krankheitsbewältigung des Patienten verbessern. Dass das nicht auch Auswirkungen auf den körperlichen und seelischen Zustand des Behandlers hat, steht außer Frage, doch ist hier ein weiterer Problembereich aufgetan.

Wir teilen nachdrücklich nicht die Auffassung von Herrn Prof. Sertl, dass es belanglos ist, empathisch unterstützend und begleitend dem Patienten gegenüber aufzutreten. Durch eben genau diese Vorgehensweise wird der Patient uns signalisieren, wie er mit seiner Situation umgeht. Man kann nicht die notwendige Aufklärungspflicht und das Bemühen um eine möglichst patientenzentrierte und mitfühlende Aufklärung kritisieren, in dem man die Ansicht vertritt, so lange wir es mit Menschen und ihren heterogenen Reaktionen zu tun haben, wissen wir vielleicht erst im nachhinein, was das Beste gewesen wäre. Eine solche Grundhaltung kann nicht therapeutischer Auftrag sein, denn dann wäre eine psychologische bzw. ärztliche Führung des Patienten und die Integration seiner selbst in der Tat belanglos.

Umso wichtiger ist es, über Supervisionen und entsprechende Seminare den Arzt zu befähigen, seine eigenen Gefühle bezüglich Krankheit und Sterben besser kennen und mit ihnen umgehen zu lernen, damit seine Arbeitszufriedenheit auf hohem Niveau verbleibt und auf Dauer seinen schwierigen Aufgaben gewachsen zu sein. Da zur Kommunikation immer 2 Parteien gehören und in der Tag Menschen verschieden sind und auch das Bedürfnis nach Kommunikation unterschiedlich sein kann, hat es eben nicht mit einem „Dressurakt“ zu tun, diese Kommunikation mit den Patienten zu führen, das Beste im Gegenüber zu wecken - übertragen auf die Situation des Krebspatienten zu Arzt/Psychologen - und ihm wahrhaftig (authentisch, ehrlich, empathisch, offen, warm etc.) gegenüber zu treten.

Literatur

  • 1 Lübbe A S, Nelle I, Stange J -H. Prinzipien der Aufklärung in der Onkologie.  Dtsch Med Wochenschr. 2003;  128 2441-2444

Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Lübbe

Associate Professor (USA)

Cecilien-Klinik

Lindenstr. 26

33175 Bad Lippspringe

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