Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(14): 768
DOI: 10.1055/s-2004-822869
Leserbriefe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Klinik und aktuelle Therapie des hypertensiven Notfalls

Zum Beitrag aus DMW 41/2003
Further Information

Publication History

Publication Date:
24 March 2004 (online)

Zu dem sehr informativen Text [7] würde ich gern eine Ergänzung und einen Kommentar abgeben.

I. Ergänzung: Die Autoren schränken die Anwendung von Nifedipin (5 mg sublingual) schon erheblich ein. Es sollte m. E. aber deutlich werden, dass wegen der möglichen Komplikationen auf Nifedipin völlig verzichtet werden sollte, da die Reaktionen (starker Abfall des Blutdrucks) auf eine sublinguale Applikation nicht vorhersehbar sind. Bereits in JNC VI (1997) wird formuliert: „Although sublingual administration of fast-acting nifedipine has been widely used..., several serious adverse effects have been reported with its use, and the inability to control the rate or degree of fall in blood pressure makes this agent unacceptable“ [4]. Ausgangspunkt für diese Aussage war ein Beitrag von Grossman et al. [2] mit einer Sammlung von Nebenwirkungen nach sublingualer Applikation von Nifedipin, verbunden mit dem Hinweis, dass die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) die Verwendung von Nifedipin bei Hypertonie-Notfällen wegen der unzureichenden Nutzenanalyse noch nie akzeptiert hatte. Problematisch kann vor allem der zu starke und zu rasche Abfall des Blutdrucks bei einigen Patienten sein, der hauptsächlich pharmakokinetisch bedingt ist. Nifedipin unterliegt ganz allgemein einem sehr starken, aber interindividuell variierenden First-pass-Effekt, woraus sehr unterschiedliche Blutspiegel resultieren können [1]. Bei Patienten mit Leberzirrhose und Herzinsuffizienz besteht zusätzlich die Gefahr stark erhöhter Nifedipingehalte im Blut. Neuerdings wissen wir auch, dass Nifedipin zu den Substanzen gehört, deren Dosisbedarf mit dem genetischen Polymorphismus arzneimittelmetabolisierender Enzyme zusammenhängt [5].

II. Kommentar: In Abb. 1 konstruieren Walenta et al. einen Zusammenhang zwischen dem systolischen Blutdruck und der Sterberate an Herz-Kreislaufkrankheiten. Ähnliche Kurven erhält man, wenn man auf der Abszisse Cholesterol oder LDL-Cholesterol auftragen würde. Auch auf diese Weise werden Gesunde in die Nähe von Krankheit und Therapiebedürftigkeit gerückt. Es sei daran erinnert, dass das Risiko, einen KHK-Tod zu erleiden, mit höherem Alter natürlich zunimmt. Es sei auch daran erinnert, dass es eine Altersabhängigkeit des systolischen Blutdrucks gibt [6]. Schon Immich schrieb deshalb 1991: „Die Assoziation zwischen der Höhe des systolischen Blutdrucks und der KHK-Inzidenz ist durch den dritten gemeinsamen Faktor Alter nur vorgetäuscht“ [3].

Literatur

  • 1 Banditt P, Meyer F P. Zur Pharmakokinetik von Nifedipin nach oraler und sublingualer Applikation.  Z Klin Med (Berlin). 1990;  45 1243-1244
  • 2 Grossman E, Messerli F H, Grodzicki T, Kowey P. Should a moratorium be placed on sublingual Nifedipine capsules given for hypertensive emergencies and pseudoemergencies?.  JAMA. 1996;  276 1328-1331
  • 3 Immich H. Paradigma Epidemiologia. St. Peter Ording 1991: 23-24
  • 4 Joint National Committee on Prevention, Detection, Evaluation, and Treatment . The Sixth Report of the Joint National Committee on Prevention, Detection, Evaluation, and Treatment of High Blood Pressure.  Arch Intern Med. 1997;  157 2413-2446
  • 5 Kirchheiner J, Meisel C, Goldammer M. et al . Pharmakogenetik als Basis neuer Therapiekonzepte.  Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforch-Geschundheitsschutz. 2003;  46 835-844
  • 6 Port S, Demer L, Jennrich R. et al . Systolic blood pressure and mortality.  Lancet. 2000;  355 175-180
  • 7 Walenta K, Wassmann S, Grond M, Böhm M. Klinik und aktuelle Therapie des hypertensiven Notfalls.  Dtsch Med Wochenschr. 2003;  128 2131-2137

MR Prof. em. Dr. Frank P. Meyer

Magdeburger Straße 29

30167 Groß Rodensleben

    >