Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(3): 107-108
DOI: 10.1055/s-2004-816289
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Verlaufsstudie psychologischer Effekte in der stationären Rehabilitation (VESPER-Studie) Zuschrift 2

Zum Beitrag aus DMW 27/2003
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Publication Date:
15 January 2004 (online)

In der Arbeit von Kramer et al. [5] werden die positiven Effekte kardiologischer Rehabilitation u. a. bezüglich der psychosozialen Situation von Patienten nachgewiesen. Das mittlere Alter der untersuchten Patientengruppe aus einer BfA-Klinik lag bei 53,5 Jahren. Entsprechend dem aktuellen Herzbericht von Brukenberger [1] sind allerdings 47 % der Männer und 60 % der Frauen in der kardiologischen Rehabilitation über 65 Jahre!

Wir haben in einer bisher nur zum Teil publizierten Studie [6] ebenfalls unter Verwendung des HADS-D die gleiche Fragestellung bei Senioren in der kardiologischen Rehabilitation untersucht und konnten für den Reha-Aufenthalt ähnliche Effekte nachweisen.

Der Stellenwert psychosozialer Wirkfaktoren bei der koronaren Herzkrankheit ist zunehmend wissenschaftlich belegt [4]. Kürzlich konnte in eine Studie nachgewiesen werden, dass Depressivität ein unabhängiger Risikofaktor für den weiteren Verlauf nach einer Bypass-Operation ist [2]. In unserer Studie sollte der Anteil der psychisch auffälligen Patienten höheren Lebensalters zu Beginn einer kardiologischen Anschlussheilbehandlung (AHB) erfasst werden. Zusätzlich wurde durch eine Prä/Post-Befragung erhoben, inwieweit sich die Ausprägungen von Ängstlichkeit und Depressivität durch die AHB verbessern. Die Erfassung der Daten erfolgte auch im Rahmen des Qualitätsmanagements.

In der Zeit von November 2001 bis April 2002 wurde an kardiologische AHB-Patienten der Klink Möhnesee bei der Aufnahmeuntersuchung (T1) und 3 Tage vor der Abreise (T2) ein Fragebogenset ausgegeben. Erfasst wurden die abhängigen Variablen „Ängstlichkeit“ und „Depressivität“ über die Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-D). Die Kategorien „ängstlich“ oder „depressiv“ galten als erfüllt, wenn der Skalenwert > 10 bzw. > 8 war (auf Empfehlung von C. Herrmann-Lingen als Autor des HADS-Testmanuals [4].

Das mittlere Alter der untersuchten Patienten (n = 144) lag bei 68 ± 7 Jahren, 75 % (n = 115) der Patienten waren männlich. 48 % (n = 73) der untersuchten Gruppe hatten sich einer Bypass-Operation unterzogen, davon 73 % (n = 59) Männer. 20 % (n = 30, 70 % Männer) hatten einen Myokardinfarkt als Einweisungsdiagnose. Bei 36 Männern und 13 Frauen war eine sonstige Herzoperation oder eine PTCA durchgeführt worden. Zum Aufnahmezeitpunkt in die Rehabilitation zeigten 18,3 % der Patienten (12,5 % der Männer, 33 % der Frauen; p = 0,003) auffällige HADS-Werte. Im Verlauf der Rehabilitation veränderten sich die Angstwerte von 5,8 ± 3,7 auf 4,4 ± 3,6 (p < 0,0005), die Depressivitätswerte von 4,5 ± 3,3 auf 3,8 ± 3,6 (p < 0,0005).

Die Abnahme der Angst war bei Männern (von 5,4 auf 4,5; p < 0,0005) und Frauen (von 6,9 auf 4,4; p < 0,0005) gleichermaßen signifikant, bei den Frauen aber ausgehend von tendenziell höheren Ausgangswerten (p = 0,06) stärker ausgeprägt, während sich die Depressivität nur bei den Männern signifikant besserte (von 4,3 auf 3,6; p = 0,001). Bei den Frauen fand sich hier nur ein statistischer Trend zur Besserung (von 4,8 auf 4,3; p = 0,084). Ein Effekt der Zuweisungsdiagnose fand sich dagegen nicht: Patienten mit und ohne Bypass-OP zeigten gleichermaßen signifikante Besserungen auf beiden HADS-Skalen. Gleiches galt für die Besserung der Angst der Patienten mit vs. ohne initial auffälligen HADS-Befund (HADS positiv: von 11,6 auf 8,4; p < 0,0005. HADS negativ: von 4,5 auf 3,5; p < 0,0005). Auch die Depressivität nahm sowohl bei initial auffälligen (von 9,0 auf 8,2) wie bei unauffälligen Werten (von 3,5 auf 2,8) in etwa gleichem Ausmaß ab. In ähnlicher Weise besserte sich die Depressivität bei Patienten mit aktueller Lebenspartnerschaft signifikant (von 4,3 auf 3,5; p = 0,001), während sie bei den Patienten ohne Partnerschaft auf tendenziell höherem Niveau (von 5,6 auf 5,1; p = 0,18) persistierte.

Die Ergebnisse zeigen Unterschiede bezüglich der Häufigkeit von Ängstlichkeit und Depressivität auch bei älteren Patienten in der kardiologischen Rehabilitation. Durch einen multimodalen interdisziplinären Therapieansatz können erhebliche Verbesserungen erreicht werden. Der Einsatz von spezifischen Testinstrumenten ist praktikabel und dringend zu empfehlen.

Literatur

  • 1 Bruckenberger E. Herzbericht. Niedersächsisches Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales 2001: 108
  • 2 Connerney I, Shapiro P A, McLauglin J, Bagiella E, Sloan R. Relation between depression after coronary artery bypass surgery and 12-month outcome: a prospective study.  The Lancet. 2001;  385 1766-1771
  • 3 Herrmann Ch, Buss U, Snaith R P. Hospital Anxiety and Depression Scale - Deutsche Version. Verlag Hans Huber, Bern 1995
  • 4 Herrmann-Lingen C, Buss U. Angst und Depressivität im Verlauf der koronaren Herzkrankheit. Verlag für akademische Schriften, Frankfurt/Main 2002
  • 5 Kramer R, Meißner B, Schultze-Berndt A, Franz I -W. Verlaufsstudie psychologischer Effekte in der stationären Rehabilitation (VESPER-Studie).  Dtsch Med Wochenschr. 2003;  128 1479-1474
  • 6 Schubmann R, Kümmel M, Struve C, Herrmann-Lingen C. Depressivität und Ängstlichkeit bei kardiologischen AHB-Patienten.  DRV Schriften. 2003;  40 405-406

Dr. R. M. Schubmann

Klinik Möhnesee, Psychosomatische und kardiologische Rehabilitation

Schnappweg 2

59519 Möhnesee-Körbecke

Email: rschubmann@klinik-moehnesee.dbkg.de

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