Zusammenfassung
Hintergrund und Fragestellung: Die zunehmende Anglisierung der deutschen Sprache betrifft insbesondere auch
die Medizin. Das gilt nicht nur für die medizinische Forschung, sondern auch für
Kongresse und Publikationsorgane. Hieraus ergeben sich weitreichende Konsequenzen
auch für die medizinische Fortbildung. In dieser Untersuchung soll ein Meinungsbild
der Ärzteschaft zum Thema Kongress- und Publikationssprache gewonnen werden.
Methodik: Anlässlich des 51. Deutschen Ärztetages im Juni 2002 in Berlin wurden 365 Fragebogen
an die Besucher ausgegeben. Zusätzlich wurden 345 Fragebögen an 3 Universitätskliniken,
27 Kliniken akademischer Lehrkrankenhäuser und 9 kommunale Kliniken (alte Bundesländer
24, neue Bundesländer 15) versandt. Die Auswertung erfolgte nach Gruppenzugehörigkeit
(Kliniker oder Nichtkliniker) und nach Altersgruppen.
Ergebnisse: Die Rücklaufquote betrug 51,1 % (188 Nichtkliniker und 172 Kliniker). Sichere
englische Sprachkenntnisse in Wort und Schrift wurden von 20 % der Teilnehmer
angegeben. Rein englischsprachige inländische Fachzeitschriften lehnen 84,7 %
der Befragten ab. Für nationale Tagung fordern 98,3 % der Ärzteschaft die Landessprache
als Kongresssprache (Ausnahme: ausländische Gäste), und auf internationalen Kongressen
in Deutschland sollten Deutsch und Englisch die Vortrags- und Diskussionssprachen
sein (84,3 %). Die Ablehnung inländischer Fachzeitschriften auf Englisch war
bei den jüngeren Befragten schwächer. Bei den anderen Ergebnissen war keine Altersabhängigkeit
nachweisbar.
Folgerungen: Auf nationalen Tagungen und in inländischen Zeitschriften deutscher Verlage fordert
die befragte Ärzteschaft die Landessprache als Selbstverständlichkeit ein,
Ausnahmen sind möglich. Im Rahmen internationaler Tagungen sind Deutsch und Englisch
als gleichwertige Kongresssprachen gefragt, um zu verhindern, dass ein erheblicher
Teil der interessierten inländischen Ärzteschaft durch alleinige Anwendung des
Englischen bei der Information über neue wissenschaftliche Erkenntnisse beeinträchtigt
wird.
Summary
Background and objective: The growing anglicization of the German language especially affects medicine.
This is true not only in medical research but also for congresses and publications.
This leads to far-reaching consequences also for continuing medical education.
This questionnaire study obtained the opinions by a selected group of doctors
attending a general medical congress.
Methods: Questionnaires were distributed to 365 attendees of the 51. Doctors’ Congress
in Berlin in June 2002. In addition 345 questionnaires were sent to doctors working
at 3 university clinics, 27 clinics at teaching hospitals and 9 at communal clinics
throughout Germany. Answers were divided by work place (clinical or non-clinical)
and age.
Results: There were 360 respondents (188 non-clinical, 172 clinical; 51.1%): 20% reported
good self appraised knowledge of written and spoken English. 84.7% were against
English as the only language at meetings of German medical societies, while
98.3% were against it for national congresses (except for foreign guests). 84.3%
agreed that German and English should be the languages, both of talks and discussions,
at international congresses held in Germany. English as the language of specialist
journals was less strongly rejected by young respondents. There was no age-related
difference regarding the other questions.
Conclusions: The respondents considered it as self-evident that German be the only language
at German national congresses and of journals by German publishers directed at
German doctors, but certain exception were acceptable. At international congresses
held in Germany, both German and English are equally acceptable in order to avoid
a large part of the interested German medical community being disadvantaged in
their acquisition of medical-scientific information were English to be the sole
language.
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Prof. Dr. med. Wolfgang Haße
Eitel-Fritz-Str. 35
14129 Berlin