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DOI: 10.1055/s-2003-812549
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Religion und Medizin
Partner oder Antipoden?Religion and medicinePartners or opposites?Publication History
Publication Date:
17 December 2003 (online)

Religion und Medizin teilen eine komplexe Geschichte, die Gemeinsamkeiten, aber auch Widersprüche zeigt. Der griechische Heilgott Asklepios (Äskulap) war ein Fokus der griechisch-römischen Tradition von 1500 vor bis 500 nach Christus (Abb. [1]) [1]. Er wird von Jesus abgelöst, den die Evangelien als Arzt und Erretter beschreiben (Abb. [2]). Beide, Asklepios und Christus, wenden sich Kranken, Armen und Ausgestoßenen zu. „Misericordia” und „Caritas”, Mitleid und Liebe, verbinden Medizin und Religion im Mittelalter. In karolingischer Zeit waren Ärzte fast ausschließlich Mönche, und bis zum 16. Jahrhundert sind Klostermedizin und Priesterarzt geläufige Begriffe.
Abb. 1 Weiherelief an Asklepios (eine schlafende Frau heilend); Anfang 4. Jh. v. Chr.; Piräus Museum (Bildarchiv Institut für Geschichte der Medizin, Heidelberg).
Abb. 2 Christus medicus (Heilung des Besessenen); spätes 12. Jh.; Paris, Bibliothèque Saint Geneviève (Bildarchiv Institut für Geschichte der Medizin, Heidelberg).
Aber Medizin und Religion haben nicht nur partnerschaftliche Beziehungen, sie treten auch als Antipoden auf. Zu Konflikten musste es kommen, wenn sich freiheitliches Denken durch kirchliche Dogmen und mangelnde Toleranz eingeengt fühlte. 1643 veröffentlichte der englische Arzt und Philosoph Thomas Browne [4] das Buch „Religio medici”. In dieser „Religion eines Arztes” drücken sich solche Spannungen aus. Browne zollt der Religion, die in Grenzsituationen zu trösten vermag, Respekt, gleichzeitig bekennt er sich zur Gedankenfreiheit: „Es mag einer die Wahrheit so rechtmäßig im Besitz haben wie eine Stadt, und sich doch zur Übergabe genötigt sehen.” Kant brachte Vernunft und Selbstbestimmung zur Geltung, als er schrieb: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.” [14]. Im 19. Jahrhundert gab die naturwissenschaftlich-experimentelle Medizin [11] naturphilosophischen und theologischen Spekulationen den Abschied. Ärzte interpretierten nicht mehr Krankheiten als Folge der Sünde. Vergessen wir jedoch nicht Hiob als biblischen „Frühaufklärer”. Bereits er verwirft die Vorstellung, dass seine Krankheit durch Schuld verursacht sei, wie ihm seine theologischen Freunde einreden möchten. Ihr seid „alle unnütze Ärzte”, erwidert er, „wollte Gott, dass ihr geschwiegen hättet, so wäret ihr weise geblieben” (Hiob 13, 4 - 5).
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