Dtsch Med Wochenschr 2003; 128: 61-63
DOI: 10.1055/s-2003-40137
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Therapiefortschritte bei Ösophagus- und Magenkarzinom

Therapeutic progress in oesophageal and gastric cancerM. Menges1
  • 1Innere Medizin II, Universitätskliniken des Saarlandes
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eingereicht: 7.1.2003

akzeptiert: 19.3.2003

Publication Date:
20 June 2003 (online)

Ösophaguskarzinom

Epidemiologie

Die Inzidenz des Ösophaguskarzinoms steigt in den westlichen Industriestaaten stetig bedingt durch eine rasante Zunahme der Adenokarzinome des Ösophagus und ösophagogastralen Übergangs. Während diese in den USA bereits etwa 60 % aller Ösophaguskarzinome ausmachen, ist in Deutschland das Plattenepithelkarzinom (PEC) trotz abnehmendem relativen Anteil noch viermal häufiger [2].

Operatives Vorgehen

Bei über 50 % der Patienten ist der Tumor bei Diagnose bereits nicht mehr kurativ resektabel, sei es aus lokalen Gründen, weil bereits Fernmetastasen vorliegen oder weil der Patient funktionell inoperabel erscheint. Die 5-Jahres-Überlebensrate nach Resektion beträgt trotz verbesserter chirurgischer Technik nur 5 - 15 %. Die Standardtherapie für resektable Tumoren ist die Ösophagektomie mit Magenhochzug. Bei 55-75 % der Operierten lässt sich eine potenziell kurative Resektion erreichen - die postoperative Mortalität ist dabei in spezialisierten Zentren auf etwa 5-8 % gesunken. Ein wesentlicher Fortschritt ist die Verbesserung des präoperativen Stagings durch die Endosonographie. Genügend Erfahrung vorausgesetzt, lassen sich das T-Stadium eines Ösophaguskarzinoms in 80-95 % und potenziell tumorinfiltrierte Lymphknoten in etwa 80 % der Fälle korrekt vorhersagen. Ein exaktes präoperatives Staging ist nicht nur die Voraussetzung für die Auswahl zu multimodalen Therapien, sondern hat für den einzelnen Patienten unmittelbare Konsequenzen: Mit hochfrequenten (>20 MHz) Schallköpfen kann zwischen Mukosa und Submukosa unterschieden werden, so dass bei ausschließlichem Mukosabefall eine endoskopische Mukosaresektion durchgeführt werden kann. Viel häufiger werden aber mit der Endosonographie Gründe dafür gefunden - z.B. Lymphknotenmetastasen am Truncus coeliacus - von einer Resektion Abstand zu nehmen, die dem Patienten keinen Überlebensvorteil brächte.

kurzgefasst: Nur weniger als 50% der Patienten können chirurgisch potenziell kurativ behandelt werden. Auch nach Resektion bleibt die Prognose schlecht. Die Endosonographie schaffte durch Verbesserung des Stagings die Voraussetzung für multimodale Therapien.

Neoadjuvante Therapie

In den letzten 20 Jahren wurde wiederholt der Nutzen einer präoperativen ( = neoadjuvanten) Chemo- oder Radiochemotherapie (RCT) überprüft. Der Sinn einer neoadjuvanten Therapie liegt im „Down-staging” lokal fortgeschrittener Tumoren, um eine kurative Resektion zu ermöglichen. Eine präoperative Chemotherapie konnte bisher in randomisierten Studien keinen Vorteil gegenüber der alleinigen Operation zeigen [10]. In einer kürzlich publizierten britischen randomisierten Studie an 802 Patienten mit resektablem Tumor war jedoch sowohl die Resektionsrate als auch das Überleben nach zwei Zyklen Cis-Platin und 5-Fluorouracil signifikant besser [12].

Dagegen ist die Datenlage bei neoadjuvanter RCT komplizierter: Zwischen 1980 und 2000 wurden 46 nichtrandomisierte sowie sechs randomisierte Studien publiziert, die eine präoperative RCT mit alleiniger Operation verglichen. Zwei der randomisierten Studien zeigten eine signifikante Verbesserung des Überlebens unter neoadjuvanter RCT, interessanterweise schlossen diese überwiegend oder ausschließlich Patienten mit Adenokarzinom ein. Allerdings unterscheiden sich die Studien hinsichtlich der Durchführung der Radiatio oder des Stagings zum Teil erheblich. Insgesamt lässt sich hieraus keine generelle Empfehlung für eine präoperative RCT bei resektablem Ösophaguskarzinom ableiten. Ergebnisse von laufenden größeren randomisierten Studien in den USA und Australien mit einer genauen Stratifizierung müssen abgewartet werden. Bis dahin sollte dieses Konzept außerhalb von Studien Patienten mit lokal irresektablen Tumoren in gutem Allgemeinzustand vorbehalten bleiben.

Definitive Radiochemotherapie

Nach internationalem Konsens stellt eine definitive RCT zumindest für das proximale (Plattenepithel-)karzinom aufgrund der zum Erreichen onkologischer Radikalität notwendigen mutilierenden Operation die Therapie der Wahl dar [1]. Weiterhin bleibt zu prüfen, ob nach erfolgreicher RCT eine Resektion bei Tumoren des mittleren und unteren Drittels einen zusätzlichen Nutzen erbringt. Bedenne et al. unterzogen 455 Patienten mit Tumoren der Stadien T3 - 4 N0 - 1 M0 jeder Histologie einer RCT. Die 259 Patienten, die zumindest ein partielles Ansprechen zeigten, wurden randomisiert entweder operiert oder weiter radiochemotherapiert. Das mediane Überleben war tendenziell mit 19,3 vs 17,7 Monaten in der RCT-Gruppe besser[3] .

Eine alleinige Radiatio ist der kombinierten Behandlung eindeutig unterlegen: Nach RCT versus alleiniger Radiotherapie hatten 129 Patienten der Stadien T1 - 3, N0 - 1, M0 in einer multizentrischen randomisierten Studie eine 5-Jahres-Überlebensrate von 26 % versus 0 % [5].

kurzgefasst: Neueste Daten aus einem großen Patientenkollektiv belegen den potenziellen Nutzen einer neoadjuvanten Chemotherapie bei resektablem Ösophaguskarzinom. Die derzeitige Datenlage erlaubt dagegen außerhalb von Studien keine Empfehlung einer neoadjuvanten RCT. Hingegen zeichnet sich ab, dass bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Tumor, die auf eine definitive RCT ansprechen, die zusätzliche Resektion keinen Vorteil bringt. Die Therapie sollte daher grundsätzlich interdisziplinär geplant werden.

Palliative Therapie

In der palliativen Situation sind die Ergebnisse der (Radio-)Chemotherapie generell enttäuschend. Entscheidend ist für den Patienten die Wiederherstellung bzw. der Erhalt der Nahrungspassage, entweder durch Einlage eines selbstexpandierenden Metallstents, externe Bestrahlung ggf. kombiniert mit interner Brachytherapie („After-loading”) oder Lasertherapie. Angesichts einer medianen Lebenserwartung von 8-12 Monaten muss die Entscheidung für eines dieser Verfahren anhand der lokalen Gegebenheiten (Sitz des Tumors, Vorhandensein von Fisteln etc.) und des individuellen Zustands des Patienten sowie dessen Therapiewunsch getroffen werden. Durch Einlage eines Stents lässt sich die Dysphagie ohne längeren Krankenhausaufenthalt umgehend und anhaltend beseitigen. Evt. vorhandene Fisteln lassen sich überdecken und mit hochflexiblen Stents auch angulierte Stenosen überbrücken. Bei funktionell inoperablen Patienten mit kleinen Tumoren oder solchen mit proximalem Sitz ist die Bestrahlung eine gute Alternative . Die Lasertherapie beschränkt sich weitgehend auf Fälle, bei denen beide anderen Verfahren gescheitert sind.

kurzgefasst: Entscheidend in der palliativen Situation ist der Erhalt der Nahrungspassage. Hierfür kommen die Einlage eines Stents, externe Radiatio, evtl. kombiniert mit einer Brachytherapie oder die Lasertherapie in Betracht. Die Auswahl des Verfahrens ist anhand der individuellen Situation zu treffen.

Literatur

  • 1 Allum W H. et al . Guidelines for the management of oesophageal and gastric cancer.  Gut. 2002;  50 (suppl V) v1-v23
  • 2 Bareiss D. et al . Aktuelle Epidemiologie des Ösophaguskarzinoms und des Kardiakarzinoms in Deutschland.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 1376-1374
  • 3 Bedenne L, Michel P, Bouche O. et al . Randomized phase III trial in locally advanced esophageal cancer: radiochemotherapy followed by surgery versus radiochemotherapy alone (FFCD 9102).  Proc Am Soc Clin Oncol. 2002;  519
  • 4 Bonenkamp J J. et al . Randomised comparison of morbidity after D1 and D2 dissection for gastric cancer in 996 Dutch patients.  Lancet. 1995;  345 745-748
  • 5 Cooper J S, Guo M D, Herskovic A. et al . Chemoradiotherapy of locally advanced esophageal cancer.  JAMA. 1999;  281 1623-1627
  • 6 Earle C C, Maroun J A. Adjuvant chemotherapy after curative resection for gastric cancer in non-Asian patients.  Eur J Cancer. 1999;  35 1059-1064
  • 7 Glimelius B, Ekstrom K, Hoffman K. et al . Randomized comparison between chemotherapy plus best supportive care with best supportive care in advanced gastric cancer.  Ann Oncol. 1997;  8 163-168
  • 8 Hermans J. et al . Adjuvant therapy after curative resection for gastric cancer: meta-analysis of randomized trials.  J Clin Oncol. 1993;  11 1441-1447
  • 9 Menges M. et al . Low toxic neoadjuvant cisplatin, 5-fluorouracil, and folinic acid in locally advanced gastric cancer yields high R-0-resection rate.  J Cancer Red Clin Oncol. 2003;  129 in press
  • 10 Kelsen D P. et al . Chemotherapy followed by surgery compared with surgery alone for localized esophageal cancer.  N Engl J Med. 1998;  339 1979-1984
  • 11 Macdonald J S, Smalley S R, Benedetti J. et al . Chemoradiotherapy after surgery compared with surgery alone for adenocarcinoma of the stomach or gastroesophageal junction.  N Engl J Med. 2001;  345 725-730
  • 12 Medical Research Council Oesophageal Cancer Working Party . Surgical resection with or without preoperative chemotherapy in oesophageal cancer: a randomised controlled trial.  Lancet. 2002;  359 1727-1733

Priv.-Doz. Dr. Markus Menges

Innere Medizin II, Universitätskliniken des Saarlandes

Kirrberger Straße

Gebäude 41

66421 Homburg/Saar

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