Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(39): 2027-2028
DOI: 10.1055/s-2002-34363-2
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Erwiderung: Fehlbestimmungen von Tumormarkern

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Publication Date:
28 April 2004 (online)

Die Frage ist berechtigt, warum ich mich mit der Fehlbestimmung des Tumormarkers Prostata-Spezifischen-Antigen (PSA) nicht auseinander gesetzt habe. Ich werden versuchen, in dieser Antwort das „für und wider“ der Bestimmung der verschiedenen Formen der PSA im Blut bzw. im Plasma zu erläutern.

Dass PSA zur Zeit ein breites Interesse in den Medien hat, zeigt ein Blick ins Internet. Unter „Google.de“ mit der Frage „Prostate-Specific-Antigen PSA“ wurden fast 30 000 Artikel - überwiegend aus den Vereinigten Staaten von Amerika - zitiert.

Normalerweise liegt PSA überwiegend im Serum in komplexierter Form vor. Komplexe können sowohl mit α1-Antitrypsin (α1-Proteinaseinhibitor) als auch mit α 2-Makroglobulin gebildet werden. Die PSA-α1-Antitrypsin Komplexe können mittels immunometrischer Assays bestimmt werden, wobei ein Antikörper an den PSA-Anteil, der zweite Antikörper an das α1-Antitrypsin bindet. Ein Immunoassay für den PSA- α2-Makroglobulin Komplex gibt es nicht, weil das PSA das α2-Makroglobulin umhüllt. Dabei sind keine Bindungsstellen für Antikörper gegen α2-Makroglobulin zugängig. Das freie (unkomplexierte) PSA liegt auch im Serum vor, obwohl dies normalerweise die Neigung zeigt, Komplexe zu bilden, solange α 2-Makroglobulin oder α1-Antitrypsin im Serum vorhanden sind. Das PSA in Seminalflüssigkeit ist überwiegend in der freien Form vorhanden.

Das freie PSA scheint bei gesunden Männern und Männern ohne Prostatakarzinom höher zu sein als der Komplex mit α 1-Antitrypsin. PSA ist synonym mit Kallikrein 3 und wird am Chromosom 19 codiert. Es kann spekuliert werden, dass das PSA, das von entgleisten Tumorzellen sezerniert wird, eine verminderte Bindungsfähigkeit an das α1-Antitrypsin besitzt und deshalb zu mehr „freiem PSA“ im Blut führt.

Was nicht vergessen werden soll ist, dass PSA kein „männliches Protein“ ist. PSA kann sowohl in gesunden als auch im veränderten Brustgewebe exprimiert werden und wird in Milch, Brustwarzen-Aspiraten und Zystenflüssigkeit gefunden. Schwangere Frauen haben einen erhöhten Serum-PSA-Spiegel, und in Amnionflüssigkeit werden hohe PSA-Konzen-trationen gefunden, die sich mit dem Reifen des wachsenden Kindes ändern. Bei gesunden Frauen mit Androgenüberschuss sind im Serum PSA-Konzentrationen deutlich nachweisbar. Erhöhte PSA-Konzentrationen kommen bei einigen Brust- und anderen gynäkologischen Tumoren vor und könnten klinisch relevant bzw. signifikant sein.

Viel wichtiger ist, wie Carl vermerkt, die präanalytische Phase - d. h. Abnahme, Lagerung und Transport der Probe und auch, dass man immer das gleiche Testbesteck (Kit, Methode) zur Bestimmung von gesamt- und freiem PSA verwendet. Allgemeine Qualitätsstandards für Tumormarker sind in einem Papier der EGTM zu entnehmen (http://egtm.web.med.uni-muenchen.de/detail/1.htm).

Analytische Probleme bei der PSA-Bestimmung wurden von Piepmeier ins Internet (http://www.prostatepointers.org/prostate/ed-pip/psa.html) gestellt. Obwohl dies schon Ende 1996 passiert ist, ist dieser Vergleich der PSA-Assays immer noch aktuell, um zu zeigen, dass trotz der Herstellung von definierten Standards von PSA-α1-Antitrypsin Komplexen und freiem PSA antikörperabhängige (unterschiedliche) Ergebnisse entstehen können.

Die postanalytische Bewertung der Ergebnisse bleibt in der Verantwortung des behandelnden Arztes. Deshalb ist es wichtig, alle möglichen „analytischen Störfaktoren“ durch sorgfältige Analysen zu entfernen. Andere wichtige sinnvolle und überflüssige Anwendungen der PSA-Ergebnisse sind u. a. auf der Webseite http://www.medal.org/docs_ch16/doc_ch16.6html gut zusammen gefasst.

Ich kann den Vorschlag von Carl nicht unterstützen, bei falscher Präanalytik nur das komplexierte PSA zu bestimmen. Bestenfalls gibt es eine Indikation, dass etwas nicht in Ordnung sei, mehr nicht - insbesondere wenn die Werte immer noch im Referenzbereich für Gesunde liegen. In solchen Fällen muss der Patient in die Klinik, wo eine fachgerechte Präanalytik garantiert ist. Gerade bei der PSA spielen die prä- und postanalytischen Phasen eine nicht zu unterschätzende und übergeordnete Rolle bei der optimalen Versorgung des Patienten.

Autor

Prof. Dr. med. W. G. Wood

Institut für Standardisierung und Dokumentation im med. Laboratorium

Ubier-Straße 20

40223 Düsseldorf

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