Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(38): 1968
DOI: 10.1055/s-2002-34206
Leserbriefe
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Gibt es eine Einteilung des Schweregrades einer restriktiven Ventilationsstörung?

Zum Beitrag aus DMW 15/2002, Seite 817
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Publication Date:
19 September 2002 (online)

Der medizinische Inhalt der 1. Antwort [5] bedarf keiner Ergänzung. Aus kurativer Sicht genügt die Klassifizierung nach leicht - mittel - schwer, mit weiten und fließenden Übergängen. Die in Tab. 1 der Antwort [5] enthaltenen Daten wurden speziell für die Asbestosebegutachtung entwickelt [3] . Sie sind nützlich, aber nicht verbindlich. Empfehlungen dieser Art sind variabel, wie beispielsweise aus einer Tabelle ersichtlich, die sich in einem vom Zweitautor herausgegebenen Sammelband [4] findet.

Praktisch wichtiger, aber nicht angesprochen, ist die Einstufung einer Beeinträchtigung im Behindertenrecht, mit dem Sonderfall einer die Versorgungsverwaltung wie Sozialgerichtsbarkeit bindenden Vorgabe. Gemeint sind die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen AHP, die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ [1].

Ungewöhnlicherweise sehen die AHP die subjektive, kaum objektiv verifizierbare Einschätzung der Leistungseinbuße durch den Patienten vor. Für Messwerte der Lungenfunktion gibt es Minderungen um ein, bis zu zwei oder mehr als zwei Drittel der Norm. Dem entsprechen als GdB, Grad der Behinderung, 20-49, 50-70 und 80-100 v. H. Die jeweiligen Kernzonen decken sich mit den Angaben in der Literatur. Abweichungen ereignen sich am ehesten in den Grenzzonen. Der GdB-Wert bestimmt die Höhe einer etwaigen Steuerersparnis. Wenn die GdB nicht den Erwartungen des Patienten entspricht, kann es leicht zu einem Rechtstreit kommen. Konsequente Beachtung der AHP ließe das oft vermeiden.

Die AHP trennen nicht zwischen restriktiven, obstruktiven bzw. gemischtförmigen Funktionseinbußen. Erniedrigte Messwerte finden sich bei Restriktionen, also der Frage entsprechend. Bei Obstruktionen resultieren im pathologischen Fall Erhöhungen gegenüber der Norm, etwa beim Atemwegswiderstand. Wie das zu bewerten ist, verschweigen die AHP.

Nur eine begrenzte Zahl von Ärzten muss zahlenmäßig den Grad einer Funktionseinbuße bestimmen, etwa bei einer Berufskrankheit. Im weit häufigeren Fall, dem Behindertenrecht, darf jeder Arzt ein Zeugnis mit Prozentangaben ausstellen. Dabei wird nicht immer zwischen den jeweiligen Grundlagen unterschieden, nämlich der MdE bei einer Berufskrankheit bzw. dem GdB im Behindertenrecht. Die Begriffe sind nicht deckungsgleich [2]. Die Klugheit gebietet es, sich in Sachen Behinderung nur bei guter Kenntnis der AHP zu äußern.

Literatur

  • 1 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung .Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz. Köllen Druck und Verlag GmbH, Bonn 1995
  • 2 Hennies G. Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) - Grad der Behinderung (GdB).  Med Sach. 1991;  87 107
  • 3 Konietzko N. et al . Bericht über die Arbeitstagung „Asbestosebegutachtung“ im Unfallkrankenhaus Hamburg-Lohbrügge am 13.6.1987.  Prax Klin Pneum. 1988;  42 338-341
  • 4 Konietzko N. Bronchitis. Urban & Schwarzenberg, München, Wien, Baltimore 1995
  • 5 Sommerwerck U, Konietzko N. Gibt es eine Einteilung des Schweregrades einer restriktiven Ventilationsstörung?.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 817

Autor

Prof. Dr. G. Neumann

Urachstraße 3

70190 Stuttgart