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DOI: 10.1055/s-2002-22055
Wie werden die Hyperurikämie und der Gichtanfall bei kompensierter Niereninsuffizienz behandelt?
Publication History
Publication Date:
14 March 2002 (online)

Frage: Wie werden Hyperurikämie und Gichtanfall bei kompensierter und präterminaler Niereninsuffizienz behandelt (angesichts der Kontraindikation von Colchizin und Allopurinol sowie NSAR bei Niereninsuffizienz)?
Konkreter Fall: 83-jähriger Patient. Kreatinin stabil um 3,0 mg/dl, Harnstoff um 130 mg/dl, Harnsäure 15 mg/dl; noch keine Dialyseindikation hinsichtlich Urämiesymptomen.
Antwort: Bei niereninsuffizienten Patienten ist die Serumharnsäure in der Mehrzahl der Fälle erhöht, wobei selten Werte über 10 mg/dl beobachtet werden, so dass bei diesem Patienten die hohe Serumharnsäurekonzentration von 15 mg/dl möglicherweise auch durch eine saluretische Therapie (z. B. Furosemid) mitverursacht sein könnte.
Grundsätzlich stehen zur Behandlung einer Hyperurikämie und ihrer klinischen Komplikationen diätetische Maßnahmen als Basistherapie sowie Arzneimittel zur Verfügung, die entweder die Harnsäurebildung hemmen (Urikostatika) oder die renale Harnsäureausscheidung erhöhen (Urikosurika), wobei letztere bei einer Niereninsuffizienz nicht eingesetzt werden sollten [3]. Ziel der Therapie ist eine Senkung der Serumharnsäure auf einen Wert von 5,0-5,5 mg/dl.
Bei einer asymptomatischen Hyperurikämie bis etwa 9-10 mg/dl sind lediglich diätetische Maßnahmen angebracht. Erst bei Serumharnsäurewerten über 9-10 mg/dl oder bei Vorliegen von klinischen Manifestationen einer Hyperurikämie (z. B. Gichtanfälle, Nephrolithiasis) besteht die Indikation für zusätzliche medikamentöse Maßnahmen. Dies gilt auch für Patienten mit Niereninsuffizienz, nach dem Längsschnittuntersuchungen gezeigt haben, dass Hyperurikämie allein nicht zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion führt, sondern dass dafür eher eine gleichzeitig bestehende Hypertonie, Arteriosklerose oder eine bereits vorliegende andere Nierenerkrankung (z. B. Glomerulonephritis, Pyelonephritis) anzuschuldigen sind [1].
Bei dem betreffenden Patienten mit Niereninsuffizienz (Kreatinin 3,0 mg/dl, Harnstoff 130 mg/dl) und einer Serumharnsäurekonzentration von 15 mg/dl sind als Basistherapie diätetische Maßnahmen von besonderer Bedeutung. Sie umfassen die Einhaltung einer purinarmen Diät, nicht zu schnelle Gewichtsreduktion bei Übergewicht, ausreichende Flüssigkeitszufuhr sowie eine strikte Alkoholkarenz [3].
Im Hinblick auf das erhöhte Risiko klinischer Manifestationen bei einer Serumharnsäurekonzentration von 15 mg/dl und nachdem offensichtlich auch Gichtanfälle aufgetreten sind, ist der zusätzliche Einsatz von Allopurinol gerechtfertigt, wobei wegen der Gefahr einer generalisierten Allopurinolüberempfindlichkeitsreaktion die Allopurinoldosis der Nierenfunktion angepasst werden muss. Die Richtlinien für die Dosierung von Allopurinol bei Niereninsuffizienz sind in der [Tab. 1] dargestellt.
Tab. 1 Richtlinien für die Dosierung von Allopurinol bei eingeschränkter Nierenfunktion 5 7. Kreatinin-Clearance (ml/min.) Erhaltungsdosis von Allopurinol < 20 100 mg jeden 2./3. Tag 20 100 mg tägl. 40 150 mg tägl. 60 200 mg tägl. 80 250 mg tägl. > 100 300 mg tägl.
Symptome der generalisierten Allopurinolüberempfindlichkeitsreaktion, die selten ist und in der Regel bei Niereninsuffizienz auf einer nicht angepassten Allopurinoldosis beruht, sind Fieber, Eosinophilie, Dermatitis (meist in Form eines makulopapulösen Exanthems, selten in Form einer toxischen epidermalen Nekrolyse, eines Stevens-Johnson-Syndroms oder einer exfoliativen Dermatitis), Leberfunktionsstörung sowie zunehmende Niereninsuffizienz [2] [3] [5-7].
Tritt bei einem Patienten mit Niereninsuffizienz ein akuter Gichtanfall auf, so sind Glucocorticoide die Mittel der ersten Wahl, da Colchizin wegen der Kumulation und der damit verbundenen erhöhten Toxizität ungeeignet ist und ein nicht steroidales Antiphlogistikum zu einer raschen Verschlechterung der Nierenfunktion führen kann.
Glucocorticoide gibt man dabei über 4 Tage, beginnend mit 40 (30 - 50) mg Prednisolon-Äquivalent per os am 1. Tag, 30 mg am 2. Tag, 20 mg am 3. Tag und 10 mg am 4. Tag. In besonders schweren Fällen kann die initiale Dosierung auch über 3 - 5 Tage ggf. auch länger beibehalten werden [4].
Literatur
- 1 Beck L H. Requiem for gouty nephropathy. Kidney Int. 1986; 30 280-287
- 2 Daul A E, Graben W. Die generalisierte Allopurinolüberempfindlichkeitsreaktion. Intern Praxis. 1984; 24 361-376
- 3 Gröbner W, Gross M, Zöllner N. Krankheiten durch Störungen des Purin- und Pyrimidinstoffwechsels. Schattauer-Verlag In: „Die Innere Medizin, 10. Auflage, Hrsg. Gerok W, Huber CHR, Meinertz TH., Zeidler H 2000: 1165-1175
- 4 Groff G D, Franck W A, Raddatz D A. Systemic steroid therapy for acute gout: A clinical trial and review of the literature. Semin Arthritis Rheum. 1990; 19 329-336
- 5 Hande K R, Noone R M, Stone W J. Severe allopurinol toxicity. Am J Med. 1984; 76 47-56
- 6 Hammer B, Link A, Wagner A, Böhm M. Hypersensitivitätssyndrom unter Therapie mit Allopurinol bei asymptomatischer Hyperurikämie mit tödlichem Ausgang. Dtsch med Wochenschr. 2001; 126 1331-1334
- 7 Walter-Sack I, Gröbner W. Purinstoffwechsel, Urikostatika, Urikosurika: Pharmakotherapie der Gicht. Urban & Fischer, München-Jena In: Forth W, Henschler D, Rummel W, Förstermann U, Starke K (Hrsg.) Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 8. Auflage 2001: 625-635
Autor
Prof. Dr. med. Wolfgang Gröbner
Kreisklinik Balingen, Akademisches Lehrkrankenhaus
der Universität Tübingen
Tübinger Straße 30
72336 Balingen