Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(5): 207
DOI: 10.1055/s-2002-19900
CME
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Hyperurikämie und Gicht-Der konkrete Fall

Hyperuricemia and Gout - Case reportWolfgang Gröbner1 , Ingeborg Walter-Sack2
  • 1Innere Abteilung, Kreisklinik Balingen, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Tübingen
  • 2Universitätsklinikum Heidelberg, Medizinische Klinik und Poliklinik, Abteilung Innere Medizin VI, Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie (Ärztl. Direktor: Prof. Dr. W. E. Haefeli)
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Publication Date:
31 January 2002 (online)

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Ein 58-jähriger übergewichtiger Patient (170 cm, 82 kg) wurde gegen Abend bei anamnestisch bekannter koronarer Herzkrankheit wegen starker Atemnot, Herzstolpern und Unterschenkelödemen in die Klinik eingeliefert. Es wurde die Diagnose einer dekompensierten Herzinsuffizienz gestellt. Elektrokardiographisch fand sich eine Tachyarrhythmie bei Vorhofflimmern, der Blutdruck betrug 180/100 mmHg.

Folgende Laborbefunde konnten bei Aufnahme erhoben werden: Leukozyten 9000/ml, Hb 12,5 g/dl, Thrombozyten 300 000/ml, Serum-Kreatinin 0,9 mg/dl, Serum-Kalium 4,5 mmol/l, Serumharnsäure 7,8 mg/dl, SGOT 40 U/l, SGPT 44 U/l, γ-GT 68 U/l, Serum-Cholesterin 265 mg/dl, Triglyzeride 478 mg/dl.

Eine Therapie mit Digoxin i. v., PTT-gesteuerter Heparinisierung, einem ACE-Hemmer sowie einem Diuretikum wurde eingeleitet, wobei initial 20 mg Furosemid i. v. verabreicht wurden. In der Nacht wachte der Patient mit heftigen Schmerzen im Bereich des linken Großzehengrundgelenkes auf. Die Schmerzen waren so stark, dass er den Druck der Bettdecke oder Erschütterungen im Raum kaum ertragen konnte. Die symptombezogene klinische Untersuchung ergab eine ausgeprägte, die Gelenkgrenzen überschreitende Schwellung und Rötung des linken Großzehengrundgelenkes. Laborchemisch lagen die Leukozyten bei 15 300/ml, die Serumharnsäure bei 9,2 mg/dl. Bei einer Röntgenaufnahme der Vorfüße konnten keine Tophi festgestellt werden.

Aufgrund des typischen lokalen Befundes, des Beschwerdebildes und der deutlich erhöhten Serumharnsäurekonzentration wurde die Diagnose eines Saluretika-induzierten Gichtanfalls im linken Großzehengrundgelenk gestellt. Eine Therapie mit einem nichtsteroidalen Antiphlogistikum wurde eingeleitet. Der Patient erhielt dabei während der ersten 24 Stunden insgesamt 3×50 mg Diclofenac, woraufhin die Schmerzen erkennbar nachließen. An den anschließenden 3 Tagen wurde jeweils Diclofenac 100 mg pro die (25-25-50) verabreicht. Danach wurde noch zweimal die Serumharnsäure bestimmt, wobei sich Werte von 8,7 mg/dl und 9,5 mg/dl ergaben. Nachdem unter der Saluretika-induzierten Hyperurikämie eine klinische Komplikation in Form eines Gichtanfalls aufgetreten war, bestand eine Indikation zur dauerhaften Senkung der Serumharnsäure. Dazu wurde nach Abklingen des akuten Gichtanfalls neben diätetischen Maßnahmen bei normaler Nierenfunktion Allopurinol 300 mg pro die eingesetzt. Dadurch konnte die Serumharnsäure auf einen Wert von 5,0-5,5 mg/dl eingestellt werden. Zur Anfallsprophylaxe erhielt der Patient Colchicin 3×0,5 mg/die über insgesamt 3 Monate. Weitere Gichtanfälle oder Nierenkoliken traten unter konsequenter harnsäuresenkender Therapie nicht mehr auf.

Wolfgang Gröbner
Ingeborg Walter-Sack