Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(3): 100-101
DOI: 10.1055/s-2002-19590
Fragen aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hautveränderungen bei Ehlers-Danlos-Syndrom

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Publication Date:
17 January 2002 (online)

Frage: Bei einer 30-jährigen Patientin bestehen seit Jahren zunehmende Hautveränderungen (Striae) vornehmlich im Bereich beider Ellenbogen sowie des Abdomens. Subkutane Venen, die diese Hautveränderungen unterkreuzen, weisen eine ausgeprägte Ektasie und Fragilität auf, bereits Reiben über den betroffenen Stellen kann zu ausgeprägten, lang anhaltenden schwer stillbaren Blutungen führen.

Dermatologischerseits wurde Anfang d. J. ein atopisches Ekzem diagnostiziert und lokal mit Triamcinolon (allerdings nicht die vorbeschriebenen Stellen) behandelt. Internistischerseits wurde ein Hypercortisolismus laborchemisch ausgeschlossen, auch die weitere bildgebende Diagnostik erbrachte keinen Befund.

- Sind die Hautveränderungen bzw. die Venektasien einer lokalen Therapie zugänglich?

Antwort: Eine junge, 30-jährige Frau leidet an spontan aufgetretenen Striae, die durch eine Haut- und Gefäßfragilität gekennzeichnet sind. Die Haut ist zart und durchscheinend, darunter verlaufende Gefäße sind erkennbar.

Bei dieser Symptomenkonstellation ist an eine Bindegewebserkrankung aus dem Formenkreis der genetisch-bedingten Matrixstörungen, insbesondere des Ehlers-Danlos-Syndroms (EDS), zu denken.

Das EDS ist eine Gruppe genetisch-bedingter Bindgewebserkrankungen, die sechs klar definierte Krankheitsbilder sowie eine Gruppe »sonstiger« EDS-Typen umfasst [Tab. 1] [1] .

Die Gen-Defekte sind teilweise aufgeklärt und betreffen beim klassischen Typ wahrscheinlich Kollagen V, beim vaskulären Typ Kollagen III und beim arthrochalatischen Typ Kollagen I. Die Lysylhydoxylase ist beim kyphoskoliotischen Typ betroffen, die Prokollagenprotease beim dermatosparaktischen Typ [3].

Die Verdachtsdiagnose kann aufgrund der klinischen Symptomatik gestellt werden. Sie bedarf der Verifizierung durch die Elektronenmikroskopie, gegebenenfalls ergänzt durch eine Immunhistologie und den Nachweis der Mutation in der Zellkultur Patienten-eigener Fibroblasten.

Differenzialdiagnostisch ist an das benigne artikuläre Hypermobilitäts-Syndrom - eine mögliche Forme fruste des EDS -, das Marfan-Syndrom und die Osteogenesis imperfecta zu denken [2].

Tab 1 Klassifizierung des Ehlers-Danlos-Syndroms. Typ Klinik und Genetik Klassischer Typ Autosomal dominante Vererbung; Hautfragilität, Hämatome, Wundheilungsstörungen, Arterienruptur, Skoliose, vorzeitiger Blasensprung Hypermobiler Typ Autosomal dominante Vererbung; Hyperflexibilität der Gelenke mit sekundärer Arthrose und Gelenkluxationen Vaskulärer Typ Autosomal dominante Vererbung; Hämatome, Wundheilungsstörungen, Akrogerie, Keloide, Gelenkhypermobilität, Luxationen, Aneurysmen, Varikosis, frühzeitiger Blasensprung Kyphoskoliotischer Typ Autosomal rezessive Vererbung; deutliche Hyperelastizität der Haut und Hyperflexibilität der Gelenke, Wundheilungsstörungen, Aneurysma, muskuläre Hypotonie, Skoliose, Osteoporose, Augenbeteiligung Arthrochalatischer Typ Autosomal dominante Vererbung; dünne Haut, kongenitale Hüftluxationen, Hypermobilität der Gelenke, muskuläre Hypotonie Dermatosparaktischer Typ Autosomal rezessive Vererbung; laxe Haut, erhöhte Hautfragilität, Gelenk-Hyperreflexibilität, Nabelhernie, blaue Skleren, frühzeitiger Nabelsprung Sonstige Formen z. B. familiäres Hypermobilitätssyndrom

Therapeutisch sind die Gendefekte derzeit noch nicht korrigierbar, d. h. auf eine kausale Behandlung kann nicht zurückgegriffen werden. Wichtig ist die Diagnosestellung, um den Patienten vor potenziell gefährlichen (Freizeit-)Aktivitäten und operativen Eingriffen zu bewahren. Dennoch sind gefäßchirurgische, orthopädische und opththalmologische Eingriffe zum Teil erforderlich und lebensrettend. Wie in [Tab. 1] dargestellt, ist das Risiko der Früh- und Fehlgeburt hoch. Schwangerschaft und Entbindung sind für Patientinnen mit einer Blutungsgefahr verbunden. Patienten mit einer Blutungsanamnese profitieren von der Desmopressin-Azetat (DDAVP)-Behandlung bei geplanten Operationen u. ä. Eingriffen [4]. Hierzu wird DDAVP zunächst intravenös eingesetzt. Nach dem Eingriff kann entweder auf eine intranasale Applikation zurückgegriffen werden, oder es wird die Behandlung bei normalem Verlauf der Wundheilung beendet.

Einer Lokaltherapie sind die Haut- und Gefäßveränderungen nicht zugängig.

Literatur

  • 1 Beighton P, de Paepe A, Steinmann B, Tsipouras P, Wenstrup R J. Ehlers-Danlos syndromes: revised nosology, Villefranche 1997.  Am J Med Genet. 1998;  77 31-37
  • 2 Grahame R. Hypermobility - not a circus act.  Int J Clin Pract. 2000;  54 314-315
  • 3 Grahame R. Heritable disorders of connective tissue.  Baillieres Best Pract Res Clin Rheumatol. 2000;  14 345-361
  • 4 Stine K C, Becton D L. DDAVP therapy controls bleeding in Ehlers-Danlos syndrome.  J Pediatr Hematol Oncol. 1997;  19 156-158

Autor

Prof. Dr. U. Wollina

Klinik für Hautkrankheiten, Krankenhaus Friedrichstadt

Friedrichstr. 41

01067 Dresden

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