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DOI: 10.1055/s-2001-16961
Leberzirrhose - Pathogenese und Diagnostik
Liver cirrhosis - Pathogenesis and diagnosisPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
06. September 2001 (online)

Pathogenese
Definition: Die Leberzirrhose ist definiert als eine Faservermehrung und knotige Regeneration. Eine alleinige Fibrosierung der Leber, wie sie z. B. bei der kongenitalen hepatischen Fibrose beobachtet wird, erfüllt die Diagnosekriterien nicht. Auch Knoten ohne Fibrose, wie z. B. bei der seltenen partiellen nodulären Transformation, erlauben nicht die Diagnose »Leberzirrhose«.
Epidemiologie: In Europa starben 1999 über 161 000 Menschen an Leberzirrhose [13]. Die Sterblichkeit an Leberzirrhose sinkt [9] - möglicherweise durch bessere Therapiemöglichkeiten der Komplikationen. Bei Autopsien in Deutschland wird die Leberzirrhose in bis zu ca. 10 % der Fälle angetroffen [11].
Zur Zirrhose führende Noxen
Nekrose, Faservermehrung und Regeneration - als die zur Zirrhose führenden Mechanismen - stellen die stereotype Reaktion der Leber auf Noxen unterschiedlichster Art [Tab. 1] dar. In Mitteleuropa sind Alkoholabusus und Hepatitis C die beiden häufigsten zur Zirrhose führenden Erkrankungen [1] [4]. Andere virale Ursachen, z. B. die Hepatitis B mit oder ohne Hepatitis-D-Superinfektion sind hier - anders als in Südeuropa - seltener. Bei alkoholisch und viral induzierten Entzündungsprozessen spielen neben der direkten Schädigung der Hepatozyten durch das auslösende Agens eine Infiltration der Leber durch Entzündungszellen und durch diese Entzündungszellen perpetuierte Schädigungen eine Rolle. Angeborenen Stoffwechselstörungen, wie der Hämochromatose, dem Morbus Wilson, dem α1-Antitrypsinmangel oder der Mukoviszidose (die selten auch Zirrhosen hervorrufen kann), kommt aufgrund der teilweise wirksamen Therapiemöglichkeiten ein besonderes Augenmerk zu. Die möglicherweise autoimmun vermittelte primär-sklerosierende Cholangitis (PSC) und die primär-biliäre Zirrhose (PBC) werden als cholestatische Lebererkrankungen bezeichnet, weil es zu einer Destruktion bzw. Sklerosierung der kleinen und - im Fall der PSC - auch größeren Gallengänge mit resultierender Cholestase kommt, die unbehandelt zur Zirrhose führt. Ebenso kann eine Cholestase bei extrahepatischer Gallengangsverengung vielfältiger Ursache (z. B. Steine, Strikturen) eine sekundär-biliäre Zirrhose hervorrufen. Bei den Autoimmunhepatitiden kommt es zum Bild einer von den Portalfeldern ausgehenden Entzündungsreaktion mit Nachweis von T- und B-Lymphozyten im entzündlichen Infiltrat, die zur Zirrhose führen kann.
Vaskuläre Lebererkrankungen, insbesondere des venösen Abstroms, wie z. B. das Budd-Chiari-Syndrom (Thrombose der Lebervenen), eine venookklusive Erkrankung, die sich an den kleineren Lebervenen abspielt, oder eine chronische Rechtsherzinsuffizienz können ebenfalls eine Zirrhose hervorrufen.
Pathophysiologische Auswirkungen des Fibrosierungs- und Regenerationsprozesses
Gleichgültig, welche dieser Noxen einwirkt, die Reaktion der Leber sieht immer ähnlich aus: Hepatozyten des Leberläppchens gehen unter (Nekrose) und werden durch ungeordnete knotige Regeneration ersetzt. Neben der direkten Genomintegration hepatotroper Viren [8] wird dieser fortbestehende Regenerationsreiz als Ursache der Entstehung von Leberkarzinomen auf dem Boden einer Leberzirrhose diskutiert [3].
Tab. 1 Ursachen der Leberzirrhose - Beispiele. Angeborene Stoffwechseldefekte Hämochromatose α 1 -Antitrypsinmangel Morbus Wilson Toxische Schädigungen Alkohol Organische Lösungsmittel Medikamente, zum Beispiel Methotrexat Cholestatische Lebererkrankungen Gallengangsatresie Primär biliäre Zirrhose (PBC) Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) Sekundär biliäre Zirrhosen Virusinfektionen Hepatitis B(+/- Hepatitis D) Hepatitis C Vaskuläre Ursachen Budd-Chiari-Syndrom Venookklusive Erkrankung RechtsherzinsuffizienzBei Entzündungsprozessen kommt es - durch Mediatoren wie z. B. TGF-β vermittelt - zur Ablagerung von Proteinen der extrazellulären Matrix (Fibrosierung), die bevorzugt perisinusoidal abgelagert werden und so die Diffusionsstrecke zu den Hepatozyten verlängern, was die metabolische Funktion einschränkt. Zusätzlich nimmt die Zahl der Hepatozyten ab, so dass auch hieraus eine Einschränkung der metabolischen Kapazität, inklusive der Synthese- und Entgiftungskapazität, der Leber resultiert.
Durch die Ablagerung der extrazellulären Matrix sinkt weiterhin auch die Möglichkeit der Sinusoide, ihren Durchmesser zu vergrößern und damit Volumenschwankungen auszugleichen. Durch diese Complianceeinschränkung und Obliteration des hepatischen Kapillarbettes wird der Perfusionswiderstand der Leber erhöht und damit die Entwicklung einer portalen Hypertension gefördert. Bindegewebige Septen, die die normale Läppchenarchitektur der Leber unterbrechen und zur Torquierung und Kompression von kleineren Portalgefäßen und kleinen Lebervenen führen, bilden sich aus. Zusätzlich entwickeln sich durch die Fibrosierung der Sinusoide funktionelle Shunts, die zu einer inhomogenen Perfusion der Leber führen. Durch diese funktionellen intrahepatischen Shuntverbindungen und sich entlang der bindegewebigen Septen entwickelnde Shunts sinkt die Clearance vasodilatierend wirkender Mediatoren. Dies könnte eine mögliche Ursache für den vermehrten Blutfluss in den Splanchnikusgefäßen darstellen, der neben der Widerstandserhöhung für den Pfortaderfluss die portale Hypertension bei der Leberzirrhose unterhält.
Tab. 2 Diagnostik häufiger Grunderkrankungen eines Patienten mit Leberzirrhose. Art der Zirrhose Diagnostik Alkoholische Zirrhose Anamnese des Alkoholabusus Histologie Chronische Hepatitis C Anti-HCV, HCV-RNA Chronische Hepatitis B HBsAg und HBeAg, evtl. HBV-DNA Primär biliäre Zirrhose Antimitochondriale Antikörper Subtyp M2, IgM, Histologie Primär sklerosierende Cholangitis ERCP, p ANCA, Rekto-Koloskopie, evtl. Histologie Morbus Wilson Kupferausscheidung im 24-h-Sammelurin α1-Antitrypsinmangel Familienanamnese, Histologie, molekulargenetische Typisierung oder Phänotypisierung durch isoelektrische Fokussierung Hämochromatose Familienanamnese, erhöhte Transferrinsättigung und Ferritin, quantitative Eisenbestimmung im Leberpunktat, Mutationsscreening Autoimmunhepatitis Hypergammaglobulinämie, IgG, antinukleäre Antikörper, Histologie Nichtalkoholische Steatohepatitis Histologie, fehlende Alkoholanamnese Kardiale Zirrhose Herzultraschall, Ultraschall der Leber Budd-Chiari-Syndrom Duplexsonographischer oder angiographischer Nachweis der Lebervenenthrombosekurzgefasst: Die Zirrhose ist durch Fibrosierung und Regeneratknoten charakterisiert. Sie stellt die stereotype Reaktion auf kontinuierlich einwirkende Noxen dar. Pathophysiologische Konsequenz ist die Einschränkung der metabolischen Kapazität der Leber inklusive ihrer Synthese- und Entgiftungsfunktion sowie die Entwicklung einer portalen Hypertension.
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Korrespondenz
Prof. Dr. T. Sauerbruch
Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik
I der Universität
Sigmund-Freud-Straße 25
53105 Bonn