Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(18): 545
DOI: 10.1055/s-2001-13291
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Bakterielle Endokarditis

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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Häufigkeit und Prognose der bakteriellen Endokarditis haben sich über die letzten Jahrzehnte wenig geändert. Zwar ist im Unterschied zur vorantibiotischen Ära eine Heilung heute möglich. Die Prognose ist jedoch insgesamt noch nicht zufriedenstellend. Eine aktuelle Untersuchung aus Ostfrankreich zeigt, dass etwa ein Drittel der Patienten eine akute herzchirurgische Operation brauchen, die Krankenhaussterblichkeit 20 % oder mehr betragen kann, und nach Entlassung noch ca. 10 % an den Folgen der Endokarditis sterben und sich ca. weitere 10 % nachträglich einer herzchirurgischen Operation unterziehen müssen [1]. Die Überlebenswahrscheinlichkeit beträgt nach 8 Jahren ca. 60 %.

Die Gründe hierfür liegen nicht so sehr in der Schwierigkeit der konservativen Behandlung an sich. Bei rechtzeitiger Diagnosestellung ist die Prognose bei korrekter, konsequenter Therapie, fehlenden schwerwiegenden Begleiterkrankungen und typischen Erregern recht gut. Späte Diagnosestellung, zu späte herzchirurgische Intervention, inkonsequente, falsche oder ungenügend aggressive konservative Therapie, aber auch veränderte, teilweise neuartige Risikokonstellationen (Alter, Immunsuppression, Diabetes, HIV, i. v.-Drogenabusus, Gelenkersatz, Gefäßprothesen, Hämodialyse) unserer Patienten, dadurch bedingte Verschiebungen im Erregerspektrum sowie das Problem antimikrobieller Resistenz tragen zur aktuellen Situation bei. Bezüglich der unveränderten Häufigkeit der bakteriellen Endokarditis (1 - 10 Fälle jährlich pro 100 000 Einwohner) lässt sich ein ähnliches Bild zeichnen. Lange hat man geglaubt, dass durch eine konsequente so genannte Endokarditisprophylaxe mit ein- oder zweimaliger Antibiotikagabe im Rahmen zahnärztlicher oder anderer invasiver Risikoprozeduren die Erkrankungsfrequenz zu reduzieren ist. Der Anteil dieser Behandlungen im Gesamtrisikofaktorenarsenal ist jedoch begrenzt. Insbesondere zahnärztliche Behandlungen sind heute in epidemiologischen Erhebungen kaum mehr als Risikofaktor zu identifizieren, obwohl bei weitem nicht bei allen Eingriffen eine Prophylaxe durchgeführt wird [2].

Zu den wichtigsten klinischen Symptomen der bakteriellen Endokarditis gehören: Fieber, Gewichtsverlust, allgemeines Krankheitsgefühl, thromboembolische Zeichen (wie periphere Gefäßverschlüsse in den Extremitäten, Schlaganfall, Sehstörungen infolge Zentralarterienverschluss, Milzinfarkt, Mesenterialarterieninfarkt, selten Niereninfarkt, Lungeninfarkt), und Immunphänomene (wie Glomerulonephritis, Osler-Knötchen, rheumatische Beschwerden). Seltener sind durch »septisch-metastatische« Herde verursachte lokale Beschwerden und Symptome (Nierenabszess, Spondylodiscitis, Milzabszess, multiple Hirnabszesse) oder hämorrhagische Komplikationen (rupturierte Aneurysmata). In akuten Fällen stehen eine schwere Sepsis und/oder die akute Herzinsuffizienz infolge Klappendysfunktion und -destruktion im Vordergrund [3].

Die Labordiagnostik zeigt unspezifische Befunde wie bei chronischen (BSG-Beschleunigung, »Entzündungs«-Anämie, »aktives« Sediment) oder akuten Entzündungen (Leukozytose mit Linksverschiebung, akute-Phase-Reaktion); verschiedenste Autoimmunphänomene sind berichtet (Rheumafaktor, Immunkomplexe, Kryoglobulinämie, Anti-Phospholipid-Antikörper, Anti-Neutrophilen-Antikörper, Anti-Plättchen-Antikörper).

Entscheidend in der Diagnostik ist die Abnahme mehrerer Blutkulturen vor antibiotischer Therapie sowie die Echokardiographie [4-6]. Die häufige Praxis der antibiotischen »Anbehandlung« fieberhafter Erkrankungen mit prolongierten unspezifischen Beschwerden ohne vorherige Abnahme von Blutkulturen verhindert eine adäquate Diagnostik. Der Nachweis bestimmter Bakteriämieerreger muss per se zur Verdachtsdiagnose Endokarditis führen und stellt insofern eine eindeutige Indikation zur erneuten Blutkultur sowie Echokardiographie (bevorzugt: transösophageale Echokardiographie) dar: vergrünende Streptokokken, Streptococcus bovis, Staphylococcus aureus, Enterokokken (bei nicht erkennbarem primärem Fokus), HACEK-Bakterien [4] [5]. Bei Verdacht auf kulturnegative Endokarditis ist die serologische Untersuchung auf Antikörper gegen Q-Fieber-Erreger und Bartonellen, in besonderen Fällen auch gegen Bruzellen notwendig - falls nicht diagnostisch, ist eine Blutuntersuchung mittels PCR (universelle eubakterielle Primer) zu erwägen. Die diagnostische Sicherheit sollte anhand der so genannten Duke-Kriterien in der kürzlichen Überarbeitung überprüft werden [7] .

Therapieempfehlungen bei Endokarditis durch die häufigen vergrünenden Streptokokken und Streptococcus bovis haben sich nicht geändert: Penicillin G plus Gentamicin für zwei Wochen sind adäquat unter folgenden Voraussetzungen: gute Penicillin-Empfindlichkeit (MHK-Werte < 0.25 µg/ml); keine hochgradige Gentamicin-Resistenz; Krankheitsdauer < 3 Monate; keine Komplikationen. Kann das Aminoglykosid nicht gegeben werden (Nierenfunktion; hochgradige Resistenz; Unverträglichkeit) ist eine vierwöchige Penicillintherapie die Alternative. Ceftriaxon einmal täglich entweder mit Aminoglykosid für 14 Tage oder als Monotherapy für 4 Wochen ist ebenfalls eine Alternative. Infektionen durch penicillin-resistente Streptokokken und durch Enterokokken müssen länger behandelt werden. Durch klinische Studien abgesicherte Empfehlungen zur Therapieoptimierung der Endokarditis durch Staphylococcus aureus sind leider immer noch nicht in Sicht. Die klassische Therapie bleibt die hochdosierte Gabe von Oxacillinderivaten (z. B. Flucloxacillin, 12 g pro Tag, am besten in 4 bis 6 Einzeldosen) für 6 Wochen, initial (die ersten 5 bis 7 Tage) zusätzlich Gentamicin, bei septisch-metastatischen Komplikationen zusätzlich Rifampicin (3 × 300  mg oder 2 × 450  mg pro Tag).

Literatur

  • 1 Doco-Lecompte T, Selton-Suty C, Huoplon P, Baty V, Canton P, Hoen B, Juillere Y. Long-term prognostic factors of infective endocarditis: A series of 194 French patients. Abstracts of the 39th ICAAC, San Francisco 1999: abstract 1022
  • 2 Strom B L. et al . Risk factors for infective endocarditis.  Circulation. 2000;  102 2842-2848
  • 3 Netzer R O, Zollinger E, Seiler C, Cerny A. Infective endocarditis: clinical spectrum, presentation and outcome. An analysis of 212 cases 1980 - 1995.  Heart. 2000;  84 25-30
  • 4 Durack D T, Lukes A S, Bright D K. and the Duke Endocarditis Service . New criteria for diagnosis of infective endocarditis: Utilization of specific echocardiographic findings.  Am J Med. 1994;  96 211-219
  • 5 Bayer A S. Revised diagnostic criteria for infective endocarditis.  Cardiol Clin. 1996;  14 345-350
  • 6 Habib G, Derumeaux G, Avierinos J F, Casalta J P, Jamal F, Volot F, Garcia M, Lefevre J, Biou F, Maximovitch-Rodaminoff A, Fournier P E, Ambrosi P, Velut J G, Cribier A, Harle J R, Weiller P J, Raoult D, Luccioni R. Value and limitations of the Duke criteria for the diagnosis of infective endocarditis.  J Am Coll Cardiol. 1999;  33 2023-2029
  • 7 Li J S, Sexton D J, Mick N, Nettles R, Fowler V G, Ryan T, Bashore T, Corey G R. Proposed modifications to the Duke criteria for the diagnosis of infective endocarditis.  Clin Infect Dis. 2000;  30 633-638

Priv.-Doz. Dr. Winfried V. Kern

Medizinische Klinik und Poliklinik Universitätsklinikum

89070 Ulm

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