Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(11): 314-315
DOI: 10.1055/s-2001-11854
Fragen aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Endoskopische Überwachung beim „short-segment”-Barrettösophagus

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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Frage: Die endoskopische Diagnose einer Refluxösophagitis wird in der Routine häufig gestellt, die Umwandlung der reflux-geschädigten Ösophagus-Schleimhaut in ein intestinalisiertes Zylinderepithel - Barrett-Epithel - ist nicht selten. Die diagnostischen und therapeutischen Empfehlungen bei dem klassischen Barrett mit einer Ausdehnung der veränderten Schleimhaut über 3 cm oberhalb des Mageneingangs werden in der Regel einheitlich beurteilt. Jährliche Kontrolluntersuchungen aus karzinomprophylaktischer Begründung und die Dauertherapie mit einem Protonenpumpenhemmer werden empfohlen. Nun steigt die Zahl der Patienten mit sogenanntem kurzen Barrett. Die Schleimhaut ist in diesem Fall nur auf eine kurze Strecke 1/2 bis 1 cm umgewandelt.

Sind bei diesen Patienten ebenfalls kontrollierende Gastroskopien im Abstand von 1 - 2 Jahren und eine Dauertherapie mit einem Protonenpumpenhemmer zu empfehlen oder genügt eine Vorsorgeuntersuchung vielleicht nach 3 Jahren oder reicht eine symptomorientierte Protonenpumpenhemmerbehandlung aus?

Antwort: Der klassische Barrettösophagus ist endoskopisch durch eine sichtbar veränderte Schleimhaut im distalen Ösophagus in Form von zungenförmigen Ausläufern über eine Länge von ≥3 cm und histologisch durch das Vorhandensein von spezialisierten Zylinderepithelien mit intestinaler Metaplasie, die sogenannte Barrett-Metaplasie definiert. Die Refluxkrankheit scheint der Hauptmechanismus für die Entwicklung eines Barrettösophagus zu sein. Die Prävalenz des Barrettösophagus liegt bei etwa 8-12 % der endoskopisch untersuchten Patienten. Die Bedeutung des Barrettösophagus liegt an seiner präkanzerösen Rolle mit der möglichen Entwicklung von Dysplasie und Karzinom im Sinne einer Metaplasie-Dysplasie-Malignom-Sequenz. Patienten mit einem Barrettösophagus haben ein etwa 30-125fach höheres Risiko ein Adenokarzinom des distalen Ösophagus zu haben als Kontrollpersonen.

Der Barrettösophagus soll regelmäßig endoskopisch überwacht werden, um ein Frühkarzinom mit der Möglichkeit einer kurativen Therapie zu erkennen [4] [7]. Der Untersuchungsintervall ist abhängig vom Vorhandensein einer Dysplasie sowie vom Grad der Dysplasie. Im Normalfall sollen die Untersuchungen in jährlichem Abstand mit Biopsienentnahme durchgeführt werden. Bei mehrmaligem Fehlen einer Dysplasie kann der Abstand auf 2-3 Jahre verlängert werden. Beim Nachweis einer leichten Dysplasie sollte der Patient in kurzfristigeren Abständen (1/2 -1jährlich) überwacht werden. Das therapeutische Vorgehen beim Nachweis von schweren Dysplasien ist nicht einheitlich und sollte im einzelnen Fall entschieden werden: es werden sowohl eine elektive Resektion als auch ein 3monatiges Überwachungsintervall mit entsprechender endoskopischen Therapie empfohlen. Über Indikationen und Möglichkeiten einer endoskopischen Therapie des Barrettösophagus als Ergänzung zur medikamentösen und chirurgischen Therapie wird auf eine aktuelle Übersicht hingewiesen [2].

Das Konzept des oben erwähnten klassischen Barrettösophagus wurde in den letzten Jahren etwas modifiziert, da in mehreren Studien histologische Veränderungen im distalen Ösophagus bzw. am gastroösophagealen Übergang im Sinne einer Barrettmetaplasie auch ohne endoskopische Veränderung nachgewiesen wurden [1] [5] [10]. Da eine eindeutige Zuordnung der Biopsienstelle als aus dem distalen Ösophagus oder aus der Kardiaregion bei Patienten mit einer Hiatushernie und einer Refluxösophagitis nicht immer möglich ist, wurde auch der Terminus intestinale Metaplasie des gastroösophagealen Übergangs benutzt. Der Terminus „short-segment” bzw. „ultra-short-seg-ment” Barrettösophagus wurde vorgeschlagen, um den histologischen Nachweis von metaplastischer Schleimhaut im distalen Ösophagus auch bei einer endoskopischen Schleimhautsveränderung von weniger als 3 cm zu beschreiben [9]. Der „short-segment” Barrettösophagus scheint auch mit einer Refluxkrankheit zusammenzuhängen, obwohl die Anamnesedauer hier deutlich kürzer als beim klassischen Barrettösophagus ist. „Short-segment” bzw. „ultra-short-segment” Barrettösophagus müssen unbedingt von einer intestinalen Metaplasie der Kardia abgegrenzt werden, welche im Rahmen einer Helicobacterpangastritis und nicht als Folge einer Refluxkrankheit anzutreffen und wahrscheinlich nicht zur Karzinomentwicklung prädisponiert ist.

Die Prävalenz des „short-segment” Barrettösophagus wird zwischen 8 % und 32 % der untersuchten Patienten geschätzt, mindestens doppelt so hoch wie beim klassischen Barrett-ösophagus [1]. Die klinische Signifikanz des „short-segment” Barrettösophagus ist derzeit noch unklar. In einer prospektiven Studie über 3 Jahre [8] lag die Dysplasieprävalenz bei 8,5 % und die jährliche Inzidenz bei 5,7 %. In einer aktuell publizierten Studie mit ca. 800 Patienten [3] wurde der „short-segment” Barrettösophagus 3,5mal häufiger als der klassische Barrettösophagus beobachtet, während die Dysplasieprävalenz beim klassischen Barrettösophagus doppelt so häufig wie beim „short-segment” Barrettösophagus war. Dementsprechend war die Karzinomprävalenz beim klassischen Barrettösophagus signifikant höher als beim „short-segment” Barrettösophagus. Die vorliegenden Daten deuten auf eine potentielle Rolle des „short-segment” Barrettösophagus als Präkanzerose hin, obwohl das Risiko hier deutlich niedriger als beim klassischen Barrettösophagus zu sein scheint. Studien zur Überprüfung der Prävalenz von prognostischen Biomarkern wie p53, Ki67 oder DNA-Aneuploidie wie beim klassischen Barrettösophagus liegen nicht vor [6].

Aufgrund der bisher vorliegenden Daten zum Dysplasie- und Karzinomrisiko, gibt es noch keine einheitliche Empfehlung zur Überwachung von Patienten mit einem „short-segment” Barrettösophagus [7] [8] [11]. Wegen seiner hohen Prävalenz [1] wäre eine endoskopische Überwachung wie beim klassischen Barrettösophagus mit einem enormen personellen und finanziellen Aufwand verbunden. Obwohl die Inzidenz von Karzinomen des distalen Ösophagus und des ösophagokardialen Übergang welt-weit steigt, liegt sie vergleichbar mit anderen Krebsarten bei 2-4 Fälle/100 000 Einwohner noch niedrig. Die jährliche Inzidenz für die Entwicklung eines Ösophaguskarzinoms aus einem klassischen Barrettösophagus ist mit 0,2-2,1 % auch als niedrig einzuschätzen. Bis zum Vorliegen von weiteren Daten, die ein vergleichbar hohes Karzinomrisiko beim „short-segment” Barrettösophagus wie beim klassischen Barrettösophagus belegen, erscheint eine engmaschige Überwachung des „short-segment” Barrettösophagus derzeit nicht gerechtfertigt. Aufgrund der deutlich niedrigeren Dysplasieprävalenz kann das Überwachungsintervall hier doppel so lang wie beim klassischen Barrettösophagus sein. Im Normalfall wäre es alle 2 Jahre. Beim Nachweis von Dysplasie sollte wie beim klassischen Barrettösophagus verfahren werden.

Literatur

  • 1 Donahue D, Navab F. Significance of short-segment Barrett’s esophagus.  J. Clin. Gastroenterol. 1997;  25 480-484
  • 2 Ell C. Endoskopische Therapie des Barrettösophagus - eine Ergänzung der medikamentösen und chirurgischen Optionen?.  Z. Gastroenterol. 1999;  37 21-26
  • 3 Hirota W K, Loughney T M, Lazas D J, Maydonovitch C L, Rholl V, Wong R K H. Specialized intestinal metaplasia, dysplasia, and cancer of the esophagus and esophagogastric junction: prevalence and clinical data.  Gastroenterology. 1999;  116 277-285
  • 4 Hotz J, Madisch A, Classen M, Malfertheiner P, Rösch W. Aktueller Konsens zur Refluxkrankheit der Speiseröhre.  Dtsch. med. Wschr. 2000;  125 1308-1312
  • 5 Nandurkar S, Talley N J, Martin C J, Ng T H, Adams S. Short segment Barrett’s oesophagus: prevalence, diagnosis and associations.  Gut. 1997;  40 710-715
  • 6 Rustgi A K. Biomarkers for malignancy in the columnar-lined esophagus.  Gastroenterol. Clin. North Am. 1997;  26 599-606
  • 7 Sampliner R E. Practice guidelines on the diagnosis, surveillance, and therapy of Barrett’s esophagus. The Practice Parameters Committee of the American College of Gastroenterology.  Am. J. Gastroenterol. 1998;  93 1028-1032
  • 8 Sharma P, Morales T G, Bhattacharyya A, Garewal H S, Sampliner R E. Dysplasia in short-segment Barrett’s esophagus: a prospective 3-year follow-up.  Am. J. Gastroenterol. 1997;  92 2012-2016
  • 9 Sharma P, Morales T G, Sampliner R E. Short segment Barrett’s esophagus - the need for standardization of the definition and of endoscopic criteria.  Am. J. Gastroenterol. 1998;  93 1033-1036
  • 10 Spechler S J, Zeroogian J M, Antonioli D A, Wang H H, Goyal R K. Prevalence of metaplasia at the gastro-oesophageal junction.  Lancet. 1994;  334 1533-1536
  • 11 Spechler S J. Short and ultrashort Barrett’s esophagus - what does it mean?.  Semin. Gastrointest. Dis. 1997;  8 59-67

PD Dr. H. N. Nguyen
Prof. Dr. Dipl.-Biochem. S. Matern

Medizinische Klinik III Universitätsklinikum der RWTH

Pauwelstraße 30

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Email: hnguyen@post.klinikum.rwth-aachen.de

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