Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(9): 225
DOI: 10.1055/s-2001-11476
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

DMW Themen-Schwerpunktheft Endokrinologie

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Publication History

Publication Date:
31 December 2001 (online)

Prof. Dr. H. Lehnert, Herausgeber

Prof. Dr. Dr. h. c. P. C. Scriba, Herausgeber

Dieses Schwerpunktheft der Deutschen Medizinischen Wochenschrift ist dem Thema »Endokrinologie« anlässlich des 45. Symposiums der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie in Magdeburg vom 7.-10. März 2001 gewidmet.

Grundlegende Idee dieser Schwerpunktausgabe der DMW ist es, dem Leser zumindest ansatzweise die breite klinische und wissenschaftliche Palette dieses Fachgebietes zu vermitteln. Beiträge zu bedeutsamen metabolischen und endokrinen Krankheitsbildern, so den »Volkskrankheiten« Adipositas, metabolisches Syndrom und Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, metabolische Knochenerkrankungen und Hormondefizite im höheren Lebensalter sollen die hohe Bedeutung dieses integralen Gebietes der Inneren Medizin illustrieren. Darüber hinaus machen Themen und auch Herkunft der Autoren deutlich, dass die Endokrinologie ein in hohem Maße interdisziplinäres Fach ist.

In dem Beitrag von A. Hamann et al. und dem begleitenden Editorial von H. Hauner wird auf neue pathophysiologische Aspekte der Adipositas (vor allem die Uncoupling-Proteine) und hieraus möglicherweise ableitbare therapeutische Ansätze eingegangen. Die Artikel machen sehr deutlich, dass das Krankheitsbild der Adipositas ein gravierendes Gesundheitsproblem darstellt und mit Abstand die häufigste Ernährungsstörung in den Industrienationen repräsentiert. Adipositas und Übergewicht sind assoziiert mit zahlreichen chronischen metabolischen Erkrankungen (Typ-2-Diabetes, arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, Schlafapnoe etc.) mit größten Auswirkungen auf die Gesamtmorbidität einer Gesellschaft. Hier stehen uns heute evidenzbasierte Behandlungsstrategien zur Verfügung, die nicht mehr zu therapeutischem Nihilismus Anlass geben. Der Beitrag von D. Kopf et al. verdeutlicht darüber hinaus, dass eine wesentliche Zielsetzung, gerade auch für Patienten mit einem metabolischen Syndrom, die Durchführung prädiktiver Untersuchungen bei z. B. noch phänotypisch gesunden Nachkommen ist, um frühzeitig Risikokonstellationen und -personen zu identifizieren. Dies stellt eine hochbedeutsame Strategie für präventive Maßnahmen dar und darüber hinaus einen Ansatz, der in der Endokrinologie auch für zahlreiche andere Erkrankungen gilt. Prädiktive Untersuchungen besitzen beispielsweise eine große Bedeutung  nicht nur beim Insulinresistenz-Syndrom, sondern auch bei Typ-1-Diabetes, metabolischen Knochenerkrankungen, familiären endokrinen Tumoren und Störungen des Körperwachstums.

Der Beitrag von M. Kreißl et al. untersucht in einem kontrollierten Studiendesign die Behandlung der euthyreoten Struma mittels unterschiedlicher Kombinationen von L-Thyroxin und Jodid und verdeutlicht erneut das gravierende Problem der Jodmangel-Struma und die Notwendigkeit einer ausreichenden Jodversorgung in der Bevölkerung.

Ein vieldiskutiertes Thema ist die Hormonsubstitution im höheren Lebensalter. Verbunden ist hiermit die Frage, ob beim Mann eine behandlungsbedürftige »Andropause« besteht und welche Wirkungen, vor allem auch welche Risiken eine Östrogen-Substitution bei der postmenopausalen Frau birgt. F. Jockenhövel zeigt in der Übersicht zur Testosteron-Substitution beim Androgenmangel des älteren Mannes auf, dass hier keinesfalls eine routinemäßige Testosteron-Substitution erfolgen sollte. Diese Therapie ist nach wie vor experimentell und nicht klinischer Standard. Eine Indikationsstellung kann bei biochemisch eindeutigem Nachweis eines Testosteron-Mangels und den klinischen Zeichen des Androgen-Defizites indiziert sein. Günstige Effekte auf Muskeltonus, Knochenstoffwechsel, aber auch auf kardiovaskuläre Risikofaktoren (beispielsweise Insulinsensitivität) bestehen. Eine wesentliche Aufgabe der Endokrinologie wird hier vor allem darin bestehen, eine klare und auf Evidenzen beruhende Grenze zur so genannten Lifestyle-Medizin zu ziehen. Mit Sorge beobachten wir die Tendenz, unkritisch Hormone zur Steigerung des Wohlbefindens zu propagieren und einzusetzen. Die klare Definition des Hormonmangels und die erst daraus abgeleitete Notwendigkeit einer Therapie mit studienabgesicherter Verbesserung von Endpunkten ist eine wesentliche Aufgabe der endokrinologischen Fachgesellschaften. Die Hormonersatz-Therapie nach der Menopause ist ein derzeit sehr kontrovers und medienwirksam diskutiertes Thema. In einer Pro- und Kontradiskussion nehmen G. Emons und E. Greiser zu dieser Problematik Stellung. Diese Artikel machen deutlich, dass weiterhin ein hoher Diskussionsbedarf besteht; die Stellungnahmen der gynäkologischen Fachgesellschaften weisen auf den großen Nutzen der Hormonersatz-Therapie mit Östrogenen hinsichtlich der Primärprävention von Herzinfarkt, weiteren vaskulären Problemen und Osteoporose hin. Diese Vorteile würden die Risiken (in erster Linie Mamma-Karzinom) überwiegen. Weitere prospektive Studien und Fallkontrollstudien sind hier sicher dringend notwendig. Die Therapieentscheidung wird immer individuell und aufgrund des der besonderen Situation der Patientin getroffen werden müssen.

Die Themen dieses Schwerpunktheftes werden abgerundet durch die Darstellung einer besonderen Verlaufsform eines M. Cushing (B. Herrmann et al.) und im Mediquiz (J. Pfeilschifter et al.) durch die Darstellung einer selteneren metabolischen Knochenerkrankung. Beide Beiträge verdeutlichen, dass für die Stellung solcher Diagnosen große fachspezifische Kompetenz und Erfahrung notwendig sind.

Wir würden uns sehr freuen, wenn durch die Beiträge dieses Heftes nicht nur Einsicht in die große Bedeutung der Endokrinologie als interdisziplinäres Fach vermittelt wird, sondern darüber hinaus Freude am kritischen Diskurs endokrinologischer Inhalte und spannender Differentialdiagnostik und -therapie.

Prof. Dr. Hendrik Lehnert

Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselkrankheiten

Otto-von-Guericke-Universität

Leipziger Str. 44

39120 Magdeburg

Prof. Dr. Dr. h.c. Peter C. Scriba

Medizinische Klinik Innenstadt der Universität München

Ziemssensstr. 1

80336 München

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