Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(6): 156
DOI: 10.1055/s-2001-11049
Pro & Contra
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

PTCA bei akutem Herzinfarkt? - Pro

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Einer der wesentlichen Faktoren bei der erfolgreichen Senkung der kardiovaskulären Mortalität in den letzten Jahrzehnten war die Einführung einer kausalen Infarkttherapie. Hier hat die systemische Fibrinolyse eine Vorreiterrolle gespielt und in großen Studien ihre Effizienz bewiesen. Gleichzeitig haben diese Studien auch die wichtigsten Kriterien für den Erfolg der Therapie gezeigt: die Frühzeitigkeit und Vollständigkeit der Reperfusion.

Der Erfolg der Fibrinolyse wird zwischen 60 und 90 Minuten nach Therapiebeginn erwartet, allerdings eine vollständige Reperfusion - mit einem idealen und ungehinderten Koronarfluss - nur in 50 bis 60 %. Die Fibrinolyse ist uneingeschränkt nur während der ersten 6 Stunden nach Infarktbeginn empfehlenswert und wird insgesamt für nur ca. 40 % der Infarktpatienten eingesetzt.

Auf der anderen Seite steht uns mit der über die letzten 20 Jahre perfektionierten PTCA eine Methode zur Verfügung, mit der die Reperfusion in weit über 90 % der Fälle in mindestens der gleichen Zeit erzielt wird. Anfangs war die Akut-PTCA behaftet durch eine im Vergleich zur Dilatation bei stabiler Angina pectoris höheren Reverschlussrate, wohl bedingt durch die häufig vorhandenen abgelösten Plaquekappen im Bereich der Infarktläsion als Dissektionsprädilektion. Zudem galten die bei Infarktläsionen obligat vorhandenen lokalen Thromben als Kontraindikation für die Angioplastie und auch für die Stentimplantation. Dennoch zeigte sich bereits zu diesem Zeitpunkt eine Überlegenheit der PTCA gegenüber der Thrombolyse [2].

In der randomisierten GUSTO-IIb-Angioplastie-Substudie erreichte die PTCA gegenüber der Fibrinolyse keine signifikante Verbesserung der Letalität. Es darf aber darauf verwiesen werden, dass in dieser Substudie im Gegensatz zu den Vergleichen verschiedener Fibrinolysestrategien unter gleichem Studien-Akronym nur 1000 Patienten eingeschlossen waren und damit eine vergleichsweise geringe statistische Power eingesetzt wurde. Dennoch war eine signifikante Senkung klinischer Endpunkte durch die PTCA nachweisbar und eine Letalitätssenkung von 20 % erkennbar, während beim Vergleich der Fibrinolysestrategien die Unterschiede unter 10 % lagen.

Die Vorteile der Akut-PTCA mit einer deutlich höheren Rate vollständiger Reperfusion und einer damit erreichbaren besseren Erhaltung von Myokard als Prädiktor der Entwicklung von Spätkomplikationen sind über den Therapieerfolg in der Akutphase hinaus in einer eindrucksvollen und anhaltenden Letalitäts- und Morbiditätssenkung im 5-Jahres-Verlauf nachweisbar gewesen [3].

In den letzten Jahren ist es durch die Verbesserung der Stenttechnologie, durch unsere Erfahrungen über die Notwendigkeit einer optimierten Stentexpansion und durch die antithrombozytäre Begleittherapie möglich geworden, auch in akuten Läsionen sicher Stents zu platzieren [1]. Damit ergab sich eine weitere deutliche Verbesserung des Ergebnisses der Akut-PTCA, vor allem im Hinblick auf eine reduzierte Reinterventionsrate.

Anders als für die Fibrinolyse, wo außer einer fachgerechten und frühen Diagnose keine weiteren logistischen Voraussetzungen erforderlich sind, erfordert die erfolgreiche Akut-PTCA des Infarktes einen hohen technischen und personellen Aufwand, um die Frühperfusion innerhalb von 60 Minuten nach Eintreffen des Patienten im Krankenhaus auch zu gewährleisten. Technische Probleme der Prozedur sind nicht selten und erfordern eine hohe Expertise. Die Akut-PTCA sollte daher nur von interventionell erfahrenen Kollegen unternommen werden, denn nur so lässt sich das Ziel eines raschen Reperfusionserfolges bei 95 % der Fälle erreichen.

Angesichts der nicht unerheblichen Kosten der Fibrinolytika und der Erfordernis einer späteren invasiven Diagnostik und Therapie bei einer großen Zahl dieser Patienten, spricht auch die Kosten-Nutzen-Analyse angesichts der deutlichen Senkung der Spätkomplikationen und damit der Folgekosten für die Akut-PTCA [3].

Zusammenfassend kann aufgrund der vorliegenden Studienlage nicht bezweifelt werden, dass in einer Einrichtung, die sowohl Lyse als auch Akut-PTCA in entsprechendem Standard anbieten könnte, die Intervention das überlegene Verfahren ist. Unbestritten ist auch die Überlegenheit der Intervention bei Patienten im kardiogenen Schock. Die Fibrinolyse hat nur dort einen unbestrittenen Stellenwert, wo im Regelfall nicht innerhalb von 60 Minuten nach Eintreffen des Patienten im Krankenhaus die Wiedereröffnung des Infarktgefäßes durch PTCA erreicht werden kann.

Literatur

  • 1 Grines C L, Cos D A, Stone G W. et al . Coronary angioplasty with or without stent implantation for acute myocardial infarction. Stent Primary Angioplasty in Myocardial Infarction Study Group.  N Engl J Med. 1999;  341 1949-1956
  • 2 Weaver W D, Simes R J, Betriu A. et al . Comparison of primary coronary angioplasty and intravenous thrombolytic therapy for acute myocardial infarction.  JAMA. 1997;  278 2093-2098
  • 3 Zijlstra F, Hoorntje J C, de Boer M J. et al . Long-term benefit of primary angioplasty as compared with thrombolytic therapy for acute myocardial infarction.  N Engl J Med. 1999;  341 1413-1419

Prof. Dr. G. S. Werner
Prof. Dr. H. R. Figulla

Klinik Innere Medizin III Kardiologie-Angiologie-Intensivmedizin Friedrich-Schiller-Universität Jena

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