Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0045-1808213
Kontextfaktoren und Patientenerwartungen: Ein Vergleich zwischen erfahrenen und angehenden Physiotherapeuten in der muskuloskelettalen Behandlung.
Einleitung Kontextfaktoren umfassen persönliche, kulturelle, umweltbezogene und interaktionelle Aspekte, die Behandlungsmechanismen und -ergebnisse sowohl positiv als auch negativ beeinflussen [1]. Die Erwartungen der Patienten sind ein wichtiges therapeutisches Element, das in den klinischen Entscheidungsprozess einbezogen werden muss [2]. Es stellt sich die Frage, ob berufstätige Physiotherapeuten und Physiotherapeuten in Ausbildung die Erwartungen der Patienten bei der Wahl einer Behandlungsmethode im Bereich der muskuloskelettalen Physiotherapie unterschiedlich berücksichtigen.
Material und Methodik Zwei klinische Vignetten zur muskuloskelettalen Physiotherapie wurden angepasst [3] [4] und an praktizierende Physiotherapeuten, Schüler und Studenten der Physiotherapie verschickt. Sie wurden gebeten, eine klinische Entscheidung über zwei Behandlungsmethoden mit wenig oder keiner wissenschaftlichen Evidenz für ihre Wirksamkeit bei der Behandlung von Knieschmerzen und Nackenschmerzen (Massagetherapie und Kinesio-Tape) zu treffen. Dazu mussten sie eine von sechs Antwortmöglichkeiten auswählen. Die Antwortmöglichkeiten reichten von der Anwendung der vom Patienten gewünschten Behandlung bis zur Nichtanwendung der Behandlung. Für jede Antwort wurden absolute Häufigkeiten, Prozentwerte und 95% Konfidenzintervalle (KI) für die Prozentwerte berechnet.
Ergebnisse Insgesamt haben 68 Physiotherapeuten im Berufsalltag und 25 Schüler und Studenten der Physiotherapie den Fragebogen beantwortet. Generell wurde "Dem Patienten Kinesio-Tape unter der Bedingung einer weiteren therapeutischen Maßnahme anwenden" von Physiotherapeuten im Berufsalltag (n=35; 51,4%; 95%CI 39-62) und Schülern und Studenten (n=14; 56%; 95%CI 37-73) am häufigsten für die Kinesio-Tape-Behandlung bei Knieschmerzen gewählt. Bei der klinischen Vignette 2 „Massagetherapie bei Nackenschmerzen“ wählten Physiotherapeuten im Berufsalltag (n=31; 45,5%; 95%CI 34-57) und Schüler und Studenten (n=10; 40%; 95%CI 23-59) am häufigsten die Alternative "Patientin weiter massieren und mit anderen therapeutischen Maßnahmen ergänzen".
Zusammenfassung Die Berücksichtigung der Patientenpräferenz scheint sowohl bei Physiotherapeuten in der täglichen Praxis als auch bei Physiotherapeuten in der Ausbildung im Vordergrund zu stehen, auch wenn es wenig oder keine wissenschaftliche Evidenz für die Effektivität der Behandlung gibt. Faktoren wie Gesundheitskompetenz, wissenschaftliche Kenntnisse, Kosten-Nutzen-Verhältnis, Kontextfaktoren und biopsychosoziale Aspekte müssen in das Lernen klinischer Entscheidungsfindung in der Aus- und Weiterbildung von Physiotherapeuten integriert werden.
Publication History
Article published online:
21 May 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
-
Literatur
- 1 Cook CE, Bailliard A, Bent JA. et al. An international consensus definition for contextual factors: findings from a nominal group technique. Front Psychol 2023; 14: 1178560
- 2 Rossettini G, Carlino E, Testa M.. Clinical relevance of contextual factors as triggers of placebo and nocebo effects in musculoskeletal pain. BMC Musculoskelet Disord 2018; 19: 27
- 3 Veloski J, Tai S, Evans AS. et al. Clinical vignette-based surveys: a tool for assessing physician practice variation. Am J Med Qual 2005; 20: 151-7
- 4 Rossettini G, Palese A, Geri T. et al. Physical therapists' perspectives on using contextual factors in clinical practice: Findings from an Italian national survey. PLoS One 2018; 13: e0208159