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DOI: 10.1055/s-0045-1808159
Einsatz des Ganzkörpervibrationstrainings in der postpartalen Rehabilitation des weiblichen Beckenbodens – Eine qualitative Studie zur Analyse der zeitlichen und inhaltlichen Struktur des Trainings
Einleitung Nach einer Entbindung leiden 20-30% der Mütter unter persistierenden Beckenbodendysfunktionen (PFMD) mit Inkontinenzsymptomen und/oder Senkungsbeschwerden [1] [2]. Zur Behandlung dieser Beschwerden wird in internationalen Leitlinien u.a. ein aktives Training der Beckenbodenmuskulatur (PFM) empfohlen [3] [4]. Positive Effekte werden auch durch ein reflektorisches PFM-Training beschrieben. Dabei handelt es sich um eine Progressionsstufe im Krafttraining und kann als Ganzkörpervibration (WBV) in den Rehabilitationsprozess integriert werden. Diese Vibrationen reizen reflektorisch die Muskelspindeln der PFM und können somit persistierende PFMD reduzieren [5] [6]. Ob ein WBV-Training für die Zielgruppe der Mütter unter Berücksichtigung spezifischer Voraussetzungen adäquat ist, kann aufgrund fehlender Evidenz bislang nicht beurteilt werden.
Material und Methodik Das Ziel ist die Identifikation der zeitlichen und inhaltlichen Struktur eines WBV-Trainings für die postpartale Beckenbodenrehabilitation.
Von November 2022 bis Mai 2023 wurde eine systematische Literaturrecherche (MEDLINE, Cochrane Library) durchgeführt und um eine explorative Literatursuche erweitert.
Anschließend wurden Experten (heterogenes theoretical sampling; n=7; Expertise [a]: M=23; SD=6,5; Min=10, Max=32) für Einzelinterviews rekrutiert. Hierfür wurden über sechs Monate internationale urogynäkologische Organisationen kontaktiert, eine erweiterte Recherche im Internet und in sozialen Netzwerken durchgeführt sowie das Schneeballsystem genutzt. Die Transkription erfolgte durch die automatische KI von „AmberScript“. Der Auswertungsprozess folgte dem Ansatz der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse [7]. Das Kategoriensystem wurde deduktiv-induktiv entwickelt und computergestützt mit der Software „MAXQDA“ ausgearbeitet.
Ergebnisse Es wurde ein Konsens unter den Experten gefunden: Das WBV-Training kann eine mögliche, konservative Therapiemethode zur Behandlung von postpartalen PFMD sein. Dafür müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, um die praktische Umsetzung gewährleisten zu können. Dann kann das WBV-Training als spezielles Krafttraining für die Reaktivkraftfähigkeit der PFM in einer späteren postpartalen Phase eingesetzt werden.
Für die Periodisierung und Progression des WBV-Trainings wird sich an der klassischen Trainingslehre orientiert. Für die inhaltliche Gestaltung existiert kein Expertenkonsens. Es sollte stets die individuelle bio-psycho-soziale Dimension der Mütter berücksichtigt werden.
Zusammenfassung Der aus den Ergebnissen entwickelte Workflow kann als Handlungsorientierung für Fachpersonal dienen. Dazu liefern diese Ergebnisse neue Hypothesen für weitere empirische Studien. Ferner beschäftigt sich die aktuelle Forschung in diesem Kontext mit praktikableren Alternativen zum WBV-Training [8] [9].
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
21. Mai 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Glazener CMA, MacArthur C, Hagen S. et al. Twelve-year follow-up of conservative management of postnatal urinary and faecal incontinence and prolapse outcomes: randomised controlled trail. BJOG 2013; 121: 112-120
- 2 MacArthur C, Wilson D, Herbison P. et al. Urinary incontinence persisting after childbirth: extent, delivery history, and effects in a 12-year longitudinal cohort study. BJOG 2015; 123: 1022-1029
- 3 Geisler S, Jung M, Schulte-Frei B.. Einsatz des Ganzkörpervibrationstrainings in der postpartalen Rehabilitation des weiblichen Beckenbodens – Eine qualitative Studie zur Analyse der zeitlichen und inhaltlichen Struktur des Trainings (Masterarbeit). Idstein: Hochschule Fresenius. 2023
- 4 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG):S2k Leitlinie Harninkontinenz der Frau. Version 1.0 (2022). AWMF-Registernummer: 015-091
- 5 Lauper M, Kuhn A, Gerber R. et al. Pelvic Floor Stimulation: What Are TheGood Vibrations?. Neurourology and Urodynamics 2009; 28: 405-410
- 6 Luginbuehl H, Lehmann C, Gerber R. et al. Continous Versus Intermittent Stochastic Resonance Whole Body Vibration and Its Effect on Pelvic Floor Muscle Activity. Neurourology and Urodynamics 2012; 31: 683-687
- 7 Kuckartz U, Rädiker S.. Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung (5.Aufl.). Weinheim: Beltz Juventa; 2022
- 8 Koenig I, Eichelberger P, Luginbuehl H. et al. Activation patterns of pelvic floor muscles in women with inconti-nence while running: a randomized controlled trail. Int Urogynecol J 2021; 32: 335-343
- 9 Luginbuehl H, Radlinger L, Lehmann C. et al. Intervention effects maintenance: 6-month randomized controlled trail follow-up of standard and reflexive pelvic floor muscle training. AJOG Global Reports 2022; 2: 100089