Ernährung & Medizin 2016; 31(03): 97
DOI: 10.1055/s-0042-114088
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Haug Verlag in Georg Thieme Verlag KG Stuttgart

Editorial

Gesund altern
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Publication Date:
08 September 2016 (online)

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Im Laufe der letzten 100 Jahre hat die Lebenserwartung in Deutschland deutlich zugenommen: Hatte ein 65-Jähriger 1916 noch eine Lebenserwartung von etwa einem Jahr, lag diese 1966 bei 10 Jahren und aktuell bei 20 Jahren. Es hat sich damit tatsächlich ein weiterer Lebensabschnitt realisiert, der auf die Jugend und das Erwerbsleben folgt. Ursächlich ist diese positive Entwicklung auf Erfolge in der Therapie infektiöser Erkrankungen (z. B. Penicillin 1943), der Therapie der Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Propanolol 1964) und auf Vorsorgemaßnahmen (z. B. Anti-Raucher-Kampagnen seit 1970) zurückzuführen.

Ein wesentliches Charakteristikum des neu gewonnenen Lebensabschnittes ist allerding die Häufung von Erkrankungen und die dadurch bedingte Einschränkung der Lebensqualität. Dem aktuellen OECD-Wirtschaftsbericht zufolge liegt die Zahl der zu erwartenden gesunden Jahre nach dem 65. Lebensjahr in Deutschland lediglich bei 7 – der schlechteste Wert im Vergleich mit unseren Nachbarländern ( Tab. [ 1 ]).

Tab. 1

Große Unterschiede in Europa.

Land

verbleibende Lebensjahre nach dem 65.

geschätzte gesunde Lebensjahre

Deutschland

19,7

7,0

Polen

18,0

7,5

Tschechien

17,7

8,7

Österreich

20,0

8,8

EU-Mittel

19,8

8,6

Niederlande

19,8

9,3

Frankreich

21,6

10,3

Schweiz

21,0

10,5

Großbritannien

19,8

10,7

Belgien

19,7

10,9

Dänemark

19,1

12,2

Schweden

20,1

13,4

Norwegen

20,0

14,9

Nach: Eurostat (2015) http://dx.doi.org/10.1787/888933345708

Im europäischen Vergleich werden chronische Erkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes) wie auch die Demenz deutlich häufiger diagnostiziert – was durch die guten Diagnosesysteme in Deutschland erklärt wird. Hier eröffnen sich interessante Diskussionspunkte: Sind wir kränker, weil wir öfter zum Arzt gehen? Sind Routineuntersuchungen im Alter sinnvoll? Haben unsere europäischen Nachbarn ein anderes Gesundheitsverständnis?

Wie dem auch sei, in Deutschland ist die erhebliche Belastung durch Krankheiten im Alter eine ebensolche für das Gesundheitssystem. So wurden aktuell zahlreiche Initiativen ins Leben gerufen, die Erkrankungshäufigkeit im Alter weiter zu minimieren, z. B. Bundesvereinigung für Prävention und Gesundheitsförderung (BVPG), NutriAct („Ernährungsstrategie für 50 bis 70-jährige erstellen und umzusetzen“ oder enable („Strategien, Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen gesünder zu ernähren“).

Dabei haben Beratungsangebote den stärksten positiven Effekt auf die krankheitsfreien Lebensjahre. Daher war der Grundgedanke zu diesem Heft, das Thema „gesund altern“ auf die zentralen Beratungstools zurückzuführen: Dies sind zum einen Ernährungstagebücher, die das Wissen über die Nahrungszusammensetzung wie auch die Kontrolle über das Ernährungsverhalten fördern sollen und Bewegungsprogramme, die praxisnah die körperliche Aktivität erhöhen helfen. Viele Ernährungsberater haben in den letzten Jahren sehr gute Erfahrungen mit internetbasierten Applikationen zur Ernährung gemacht. Durch die einfache und zeitsparende Einsatzmöglichkeit der Apps scheint die Therapietreue deutlich gefördert zu werden. Daher stellt Herr Dr. Keuthage in diesem Heft eine aktuelle Übersicht zu Ernährungs-Apps dar. Als zweiten wichtigen Beratungspunkt stellt Herr Dr. Hofmeister u. a. ein Bewegungsprogramm vor, das hilft, die tägliche Aktivität und damit die krankheitsfreie Zeit auch noch im Alter zu erhöhen.

Priv.-Doz. Dr. Edmund A. Purucker