physioscience 2016; 12(02): 87
DOI: 10.1055/s-0035-1567104
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Screening in der Physiotherapie: Das Flaggen-System – Warnsignale erkennen

Contributor(s):
A. Schäfer
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Publication History

Publication Date:
13 June 2016 (online)

Das Buch von Kerstin Lüdtke, Lucia Grauel und Daniela Laube schließt eine wichtige Lücke der deutschen Physiotherapieliteratur.

Die Autorinnen zeigen die aktuelle Relevanz dieser Thematik in der Einleitung auf: Auch wenn die überwiegende Anzahl der Patienten mit einer ärztlichen Verordnung in die Physiotherapiepraxis kommt, gibt es doch eine zunehmende Zahl von Erstkontaktsituationen, wie etwa unspezifische Diagnosen („LWS-Syndrom“), Therapie im Bereich Prävention, Sport oder auch im Rahmen einer Tätigkeit als sektoraler Heilpraktiker für Physiotherapie. In diesen Situationen müssen Physiotherapeuten sicher feststellen können, ob eine physiotherapeutische Intervention indiziert ist oder ob das Gesundheitsproblem der Patienten medizinisch abgeklärt werden sollte. Grundlage dafür ist die Fähigkeit, ernsthafte Pathologien ausschließen zu können. Dieses Buch bietet hierfür eine gut strukturierte Basis.

Das Werk gliedert sich in 2 große Abschnitte: Im ersten wird das Screening nach Symptombereichen dargestellt (LWS, HWS, BWS, Schultergürtel etc.), im zweiten geht es um das Screening bei Verdacht auf Erkrankungen von Körpersystemen, wie etwa des kardiovaskulären, des pulmonalen oder des Nervensystems. Daran schließen sich kurze Fallbeispiele und Übungsfragen an, die es den Lesern ermöglichen, den Lernerfolg eigenständig zu prüfen.

Das Buch überzeugt weiterhin durch kurze, prägnante und verständliche Darstellungen der Screening-Prozesse, die durch zahlreiche Abbildungen, Tabellen und Entscheidungsbäume anschaulich verdeutlicht werden. So fällt es den Lesern leicht, sich schnell und effizient Informationen zu unterschiedlichen Problemstellungen zu beschaffen und diese in der klinischen Praxis umzusetzen. Ein weiterer Pluspunkt ist die Gliederung nach der Wahrscheinlichkeit des Auftretens der ernsthaften Pathologien und die Angabe der dazugehörigen Prävalenzwerte.

Wünschenswert wären jedoch – soweit vorhanden – Angaben zur Validität der Screening-Verfahren, insbesondere zur Sensitivität und Spezifität. So sind z. B. bei Rückenschmerz viele rote Flaggen zum Screening auf Fraktur oder Tumor durch hohe Falsch-Positiv-Raten geprägt [1, 2]. Gerade bei der sehr kontrovers geführten Diskussion um den Erstkontakt für Physiotherapeuten wäre eine kritische Reflexion der Möglichkeiten und Grenzen des Screenings hilfreich gewesen. Dies könnte eine Anregung für die nächste Auflage sein.

Fazit: Das sehr empfehlenswerte Buch richtet sich in erster Linie an praktisch tätige Therapeuten, die eine fundierte Orientierung im Screening-Prozess für die klinische Praxis benötigen oder sich auf die sektorale Heilpraktikerprüfung vorbereiten wollen.

Literatur

  1. Henschke N, Maher CG, Ostelo RW et al. Red flags to screen for malignancy in patients with low-back pain. Cochrane Database Syst Rev 2013; 2:CD008 686

  2. Williams CM, Henschke N, Maher CG et al. Red flags to screen for vertebral fracture in patients presenting with low-back pain. Cochrane Database Syst Rev 2013; 1:CD008 643