Gesundheitswesen 2015; 77(04): e70-e76
DOI: 10.1055/s-0034-1398598
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Besteht ein Zusammenhang von psychischen Erkrankungen und Arbeitsunfähigkeit unabhängig von soziodemografischen Faktoren?

Is the Association between Mental Disorders and Sickness Absence Independent of Sociodemographic Factors?
R. Peter
1   Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Universität Ulm, Ulm
,
S. March
2   Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie, Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
,
H. Schröder
3   Social Research, infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH, Bonn
,
J.-B. du Prel
1   Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Universität Ulm, Ulm
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
10. März 2015 (online)

Zusammenfassung

Ziel der Studie: Vor dem Hintergrund der hohen Prävalenz psychischer Erkrankungen und deren zunehmenden Bedeutung für Arbeitsunfähigkeit (AU), sowie der bekannten Zusammenhänge von Merkmalen des vertikalen und horizontalen sozioökonomischen Status mit AU, beschäftigt sich die vorliegende Untersuchung mit der Frage, ob der Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und AU bzw. Langzeit-AU (LAU) auch unabhängig von soziodemografischen Merkmalen besteht.

Methodik: Datengrundlage dieser bundesweiten explorativen Querschnittsanalyse bilden die 6 339 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Jahrgänge 1959 und 1965 aus der ersten Welle der lidA (leben in der Arbeit)-Kohortenstudie von 2011. Mithilfe der schrittweisen multiplen logistischen Regression wurde der Effekt von psychischer Erkrankung auf AU und LAU nach Adjustierung für Bildung, berufliche Stellung, Einkommen, Geschlecht, Alter, Arbeitszeit und -stress untersucht.

Ergebnisse: Es fanden sich auch nach Adjustierung für soziodemografische Faktoren hochsignifikante Effekte von psychischen Störungen auf AU und noch deutlichere auf LAU. Auch nach zusätzlicher Adjustierung für arbeitsbezogene Faktoren bestanden diese Assoziationen fort.

Schlussfolgerung: Psychische Erkrankungen waren auch unabhängig von soziodemografischen Faktoren und arbeitsbezogen Faktoren (Arbeitszeit, Arbeitsstress) mit AU und insbesondere mit LAU assoziiert. Breit angelegte Programme zur Prävention und Rehabilitation von psychischen Erkrankungen könnten wahrscheinlich zur Verringerung von arbeitsbezogenen Fehlzeiten beitragen. Unabhängig davon sollten die Ursachen von AU-Zeiten bei besonders betroffenen Sozialstatusgruppen genauer untersucht werden.

Abstract

Aim: Mental diseases are highly prevalent and of increasing meaning for absenteeism. The association of absenteeism with vertical and horizontal dimensions of socioeconomic status is well-known. Against this background we investigated the independent association between mental diseases and absenteeism or long-time absenteeism of socioeconomic aspects.

Material and Methods: Basis of this nationwide exploratory survey were the 6 339 employees born in 1959 or 1965 and subject to statutory health insurance of the first wave of the lidA-cohort study 2011. The stepwise logistic regression analysis was used for the investigation of the effects of mental diseases on absenteeism or long-term absenteeism after adjustment for education, occupational position, income, gender, age, working-time and -stress.

Results: After adjustment for socioeconomic factors highly significant associations between mental diseases and absenteeism or even more long-term absenteeism were observed. These associations stayed significant after additional adjustment for work-related factors.

Conclusion: Mental diseases were independent of sociodemographic factors and work-related factors (working-time and –stress) associated with absenteeism or with long-term absenteeism. Unspecific programmes for the prevention and rehabilitation of mental diseases may contribute to the reduction of absenteeism. Apart from that causes of absenteeism in highly affected socioeconomic groups should be investigated.