Dtsch Med Wochenschr 2014; 139(40): 1976
DOI: 10.1055/s-0034-1387218
Editorial
Pharmakologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Arzneimitteltherapiesicherheit und Innere Medizin

Drug safety and internal medicine
D. Grandt
1   Klinik für Innere Medizin I am Klinikum Saarbrücken gGmbH
,
U. R. Fölsch
2   Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden
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Publication Date:
25 September 2014 (online)

Therapieschemata werden wirksamer, aber auch komplexer. Immer ältere und immer multimorbidere Patienten erhalten neben bekannten auch zahlreiche neue Arzneimittel. Nicht selten werden diese Patienten von fünf oder sogar mehr Ärzten betreut. Eine Untersuchung bei multimorbiden Patienten in 11 Ländern ergab, dass die Kommunikation zur Behandlungskoordination zwischen Spezialisten und Hausärzten, aber auch die zwischen ambulantem und stationärem Sektor ein generelles Problem ist [1]. In Deutschland gaben mehr als 50 % der befragten Patienten an, Fehler bei der Behandlungskoordination erlitten zu haben. Der berechtigte Ruf nach Besserung ist vernehmlicher denn je. Auch die Zahl derjenigen, die sich berufen fühlen, die Qualität der Arzneimitteltherapie des Arztes zu überprüfen und zu optimieren, steigt kontinuierlich. Verlockend klingen vermeintlich einfache Rezepte wie „nicht mehr als 5 Tabletten“ oder „Überprüfung der Arzneimitteltherapie durch den Apotheker“; aber sind dies Erfolg versprechende Lösungsansätze?

„Mache alles so einfach wie möglich, aber nicht einfacher“, so eine Empfehlung von Albert Einstein, die auch auf die Arzneimitteltherapie anzuwenden ist. Die verschiedenen Subdisziplinen der Inneren Medizin haben sich schließlich nicht zuletzt aufgrund zunehmend komplexer Behandlungsalgorithmen entwickelt. Internisten verordnen oder veranlassen die Abgabe des größten Anteils von (Spezial-)Arzneimitteln, und sie stehen daher besonders in der Verantwortung, Patienten und deren Hausärzte zu unterstützen, die individuell richtige Anzahl und die richtige Auswahl von Arzneimitteln zu identifizieren.

Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) hat die Entwicklung und Evaluierung von Strategien zur Analyse und patientenspezifischen Optimierung der Arzneimitteltherapie, insbesondere bei multimorbiden Patienten, daher als prioritäre Aufgabe identifiziert und aufgegriffen. Da eine detaillierte Kenntnis des Verlaufes und der Beeinflussbarkeit von Erkrankungen durch Medikamente die Voraussetzung für zielführende und adäquate arzneitherapeutische Abwägungen ist, kann der Beitrag der Internisten hier nicht durch Andere geleistet werden. Natürlich können und müssen auch Hausärzte, andere Fachärzte und Apotheker ihren Beitrag zur Arzneimitteltherapiesicherheit leisten. Dieser besteht aber nicht darin, die Verantwortung für internistische Arzneimitteltherapie zu übernehmen, sie zu optimieren oder zu verändern. Gerade bei multimorbiden Patienten muss regelhaft abgewogen werden, welche koexistierenden Erkrankungen ebenfalls medikamentös zu behandeln sind. Dies kann dazu führen, dass eine – bei Einzelbetrachtung eigentlich therapiebedürftige – Erkrankung nicht medikamentös behandelt wird. Es kann aber auch dazu führen, dass ein Medikament verordnet wird, obwohl in Anbetracht der Begleiterkrankungen ein erhöhtes Risiko besteht.

Der Aktionsplan Arzneimitteltherapiesicherheit des Bundesministeriums für Gesundheit und der daraus entstandene übergreifende Medikationsplan [2] sind wichtige Schritte, um die Qualität und Sicherheit der Arzneimitteltherapie zu verbessern. Sie haben zum Ziel, alle Beteiligten für Risiken in der Arzneimitteltherapie und für einen verantwortungsvollen Umgang zu sensibilisieren. Um patientenrelevanten Nutzen zu stiften, darf der Medikationsplan allerdings nicht übersimplifizierend dazu benutzt werden, den Patienten auf vermeintlich inadäquate Risiken seiner Therapie hinzuweisen, ohne die Hintergründe der Verordnung zu kennen. Wer Patienten durch Hinterfragen arzneitherapeutischer Entscheidungen verunsichert, riskiert, dass diese eine notwendige Therapie unterbrechen und sich schaden.

Wie können Internisten in Abstimmung mit Hausärzten und mit behandelnden Fachärzten zur Optimierung von Qualität, Sicherheit und Kosteneffizienz der Arzneimitteltherapie am besten beitragen? Diese wichtige Frage will die DGIM mit Ihnen diskutieren und bearbeiten. Hierzu hat die Gesellschaft die Arbeitsgruppe Arzneimitteltherapie-Management & AMTS gegründet. Interessierte Kolleginnen und Kollegen laden wir hiermit zur Mitarbeit ein und bitten um Kontaktaufnahme per E-Mail an AMTS@DGIM.de. Auch wenn für Sie die Mitarbeit in der AG aktuell nicht in Betracht kommt, freuen wir uns über Ihre Hinweise und eigene Erfahrungen zum Thema, egal ob sie das Problem oder mögliche Lösungsansätze betreffen.