Dtsch Med Wochenschr 2014; 139(S 01): S3
DOI: 10.1055/s-0033-1359986
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das akute Koronarsyndrom

Acute coronary syndrome
Further Information

Publication History

Publication Date:
20 January 2014 (online)

Kein anderes Thema steht seit Jahrzehnten so im Fokus der Kardiologie wie das akute Koronarsyndrom. Zahllose wissenschaftliche Studien, insbesondere auch sogenannte Mega-Trials, sowie wissenschaftliche Kongresse und Fortbildungsveranstaltungen widmen sich seit über 30 Jahren ausgiebig dieser Thematik. Mit dem Verständnis der zentralen Bedeutung eines thrombotischen Gefäß-Prozesses in der Pathogenese des akuten Koronarsyndroms und den daraus abgeleiteten antithrombotischen Therapie-Strategien (ASS, Heparin und Fibrinolyse) konnten schon in frühen randomisierten Studien erste nachweisbare Verbesserungen der Prognose erreicht werden.

Andreas Grüntzig gelang 1977 mit der Entwicklung und Einführung der perkutanen transluminalen koronaren Angioplastie (PTCA), auch kurz Ballon-Angioplastie genannt, ein weiterer Durchbruch in der Therapie von Patienten mit koronarer Herzerkrankung. Diese Pionier-Leistung des leider früh Verstorbenen hat eine Brücke zu den seinerzeit schon etablierten Techniken der Koronar-Chirurgie geschlagen und die Kardiologie von einer rein internistischen zu einer interventionell ausgerichteten Disziplin gewandelt. Es war die „Stunde Null“ oder auch der „Urknall“ der modernen interventionellen Kardiologie.

In dieser frühen Phase war die Anwendung der PTCA zunächst auf Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit fokussiert. Es ist das Verdienst von Jürgen Meyer, dem dieses Heft anlässlich seines 75. Geburtstages gewidmet ist, das Potenzial dieser neuen Technologie für Patienten mit akutem Koronarsyndrom erkannt zu haben. Er hat weltweit als Erster systematisch die PTCA bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom (instabile Angina, Myokardinfarkt) eingesetzt und beschrieben (siehe Lit. im Kapitel Interventionelle Therapie). Was heute jedem angehenden Kardiologen als Selbstverständlichkeit erscheint, war in der Anfangszeit mit dem damaligen vergleichsweise primitiven Instrumentarium kaliberstarker und steifer, nicht-steuerbarer (kein Führungsdraht) Ballon-Katheter eine manuelle und mentale Herausforderung. Auch waren koronare Stents noch unbekannt und das Ergebnis der Intervention durch Dissektionen, „Recoil“ und thrombotische Komplikationen nach heutigen Maßstäben oftmals suboptimal. Auch das Armamentarium der antithrombotischen Therapie beschränkte sich im Wesentlichen auf ASS und Heparin, so dass das Risiko, unter den Bedingungen des thrombotischen Milieus bei akutem Koronarsyndrom zu scheitern, immer gegenwärtig war. Es bedurfte großen Mutes, trotz anfänglicher Misserfolge und Rückschläge diese Technologie auch gegen Widerstände beim akuten Koronarsyndrom zu etablieren. Rückblickend mutet es nahezu als Ironie der Medizingeschichte an, dass auch heute noch der Stellenwert der Koronarinterventionen bei stabiler KHK heftig diskutiert wird, während die seinerzeitige Außenseiter-Indikation seit langem als unumstrittene Domäne der Koronarintervention gilt und unzweifelhaft zahllosen Menschen ein Weiterleben auch ohne schwere kardiale Beeinträchtigung ermöglicht hat. In diesem Sinne kommt Jürgen Meyer neben Andreas Grüntzig die Ehre eines weiteren Pioniers der interventionellen Kardiologie zu.

In diesem Heft haben sich die ehemaligen Schüler deshalb der Thematik des „Akuten Koronarsyndroms“ angenommen und versucht, im Sinne ihres Lehrers und Mentors auch die Brücke zu einer praxisnahen Fortbildung zu schlagen, die ihm bei aller Wissenschaftlichkeit stets ein Anliegen gewesen ist und in zahlreichen Aktivitäten bis heute ihren Niederschlag findet.

Jürgen Meyer hat als Klinik-Direktor weit über den Bereich der interventionellen Kardiologie hinaus die Forschung vom Grundlagenlabor bis zur Klinischen Prüfung in zahlreichen Arbeitsgruppen seiner Klinik gefördert und die moderne Kardiologie maßgeblich geprägt.

Die Einbettung der Kardiologie in das Gesamtgebiet der Inneren Medizin war ihm immer ein Anliegen, ebenso das langjährige Engagement für die Intensivmedizin. Neben anderen Ehrungen ragen das Präsidenten-Amt der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie von 1995-1997, der Vorsitz der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin im Jahr 2001/2002 und die Verleihung der Ludwig Heilmeyer Medaille heraus.

Als ärztlicher Lehrer hat er durch seinen unbedingten Einsatz für die Patienten eine große Zahl von Ärzten geprägt, die heute in zahlreichen Ordinariaten und Chefarzt- sowie anderen leitenden Funktionen, aber auch in vielfältigen Positionen der Niederlassung tätig sind.

Wir Schüler wünschen dem Jubilar noch viele Jahre bei guter Gesundheit im Rückblick auf ein immer arbeitsreiches, ungewöhnlich erfolgreiches und verdienstvolles Berufsleben.

Die Schüler