Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A353
DOI: 10.1055/s-0032-1323516

Zum Einfluss des Verlustes von Seitenzähnen auf die Sprachlautbildung – Eine klinische Simulation

D Weber 1, U Lotzmann 1, HJ Künzel 2
  • 1Abteilung für Orofaziale Prothetik und Funktionslehre, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Marburg
  • 2Institut für Germanistische Sprachwissenschaft, Philipps-Universität Marburg, Marburg

Unstimmigkeiten im korrekten Zusammenwirken der Artikulationsorgane können Behinderungen in der Verwirklichung lautlicher Sprechnormen bewirken. Die Zähne als reihenförmig angeordnete, nicht veränderbare Strukturen der Mundhöhle sind als passive Lautbildner bei der Artikulation beteiligt. Ziel dieser Studie war es den Einfluss des Verlustes von Seitenzähnen auf die Sprachlautbildung zu untersuchen. Verschiedene Bezahnungsvarianten wurden mit modifizierten Totalprothesen an zahnlosen Probanden simuliert. Von der „Vollbezahnung“ bis hin zum kompletten Seitenzahnverlust konnten durch Kombinationen ein- und beidseitig seitenzahnreduzierter Prothesenduplikate gezielt unterschiedliche Situationen nachgeahmt werden. Ein von den Probanden vorgetragener Lesetext wurde mit instrumentalphonetischen Methoden digital aufgezeichnet und bearbeitet. Mittels rechnergestützter Frequenzanalyse und einer auditiven Bewertung verschiedengradig mit der Materie vertrauter Personen war es möglich Unterschiede der Lautbildung untersuchter Konsonanten als direkte Folge der gerade getragenen modifizierten Testprothese objektiv (messbar) und subjektiv (hörbar) zu erfassen und zu bewerten. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass sich sowohl auf frequenzanalytischer als auch auf auditiver Ebene zeitnah zur Insertion der Prothesenmodifikationen nur wenig relevante und reproduzierbare Veränderungen in der Sprachlautbildung ergeben. Trotz seitenzahnmodifizierter Situation ist eine klare Identifizierung der Laute möglich. Reaktionen auf die Testprothesen sind lediglich in einem geringen Ausmaß vorhanden. Regelmäßigkeiten sind kaum nachweisbar. Eine der Aussprache deutlich abträgliche Situation infolge Veränderung des Seitenzahnbereiches ist nicht erkennbar. Die durch die Testprothesen verursachte Störung reicht somit nicht aus, das automatisch ablaufende Artikulationsmuster der Probanden maßgeblich zu behindern. Die Resultate der Untersuchung beweisen die Kompensationsfähigkeit der Artikulation. Ob aktive Ausgleichsmechanismen nur während der kurzen Beobachtungsphase vorliegen oder auch bei längeren Trageintervallen beibehalten werden, ist Thema weiterführender Studien.