Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A222
DOI: 10.1055/s-0032-1323385

Welche Faktoren modulieren die Wirksamkeit eines Präventionsprogramms am Arbeitsplatz? – Die Bedeutung der Erfassung von strukturellen und individuellen Rahmenbedingungen für eine aussagefähige Evaluation

M Michaelis 1, S Hermann 2
  • 1FFAS - Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Freiburg
  • 2Firma Präventiv, Hamburg

Hintergrund: Im Rahmen des Präventionsprogramms „Rückengerechter Patiententransfer“ (RPT) für Pflegekräfte werden „InstruktorInnen“ ausgebildet, um ihre KollegInnen zu trainieren, sowie die Arbeitsplatzgestaltung zu optimieren und Nachhaltigkeit durch praktische Begleitung und Auffrischungen zu sichern. Autoren verschiedener Literaturreviews verweisen in vielen Studien auf den fehlenden wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis für Lendenwirbelsäulenbeschwerden (LWS-B) bei vergleichbaren Programmen hin. Es wird aber auch deutlich, dass dies nicht an der Maßnahmenqualität liegen muss, sondern möglicherweise an der mangelhaften Kontrolle betrieblicher und individueller Rahmenbedingungen. Ziel ist die Überprüfung der Wirksamkeit von RPT unter Kontrolle dieser Faktoren. Methoden: Der prädiktive Wert von Parametern aus den Bereichen a) Kompetenz bei der RPT-Anwendung, b) ergonomische/arbeitsorganisatorische Arbeitsplatzsituation, c) Qualität der Ausbildung und d) Unterstützung im Arbeitsumfeld bei der Umsetzung von RPT auf die Prävalenz von LWS-B wurde explorativ untersucht (multivariate LogReg). Das Kollektiv bestand aus 249 geschulten Pflegekräften und 83 vergleichbaren Kontrollen aus einer Befragung in 21 Einrichtungen des Gesundheitswesens im Jahr 2008. Ergebnisse: Im Kontrollgruppenvergleich wurden keine statistisch bedeutsamen Effekte auf die Einjahresprävalenz von LWS-B durch die Anwendung von RPT gefunden. In multivariaten Analysen zu interventionsbezogenen Prädiktoren in der RPT-Gruppe waren Beschwerdeangaben jeweils 1/2 bis 2/3höher bei fehlender Kompetenz/ Anwendungshäufigkeit von RPT-Prinzipien/ von technischen Hilfsmitteln, ungünstiger Arbeitsorganisation bei Patiententransfers und fehlenden Auffrischungskursen. Schlussfolgerungen: Die Analysen verdeutlichen die Notwendigkeit, Wirksamkeitsevaluationen mit der realen Programmumsetzung und der betrieblichen „Präventionskultur“ in multivariate Beziehung zu setzen.

Literatur: Amick B, Tullar JM, Brewer S et al. Interventions in health care settings to improve musculoskeletal health. Institute for Work & Health, Toronto/CAN 2006. Full report: www.iwh.on.ca

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Michaelis M, Hermann S: Evaluation des Pflegekonzepts „Rückengerechter Patiententransfer in der Kranken- und Altenpflege“. Forschungsbericht F2196, Schriftenreihe der BAuA, Dortmund 2010.

www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/F2196.html

Michaelis, M, Hofmann F: Identifikation und Priorisierung relevanter Präventionsthemen arbeitsbezogener Muskel- und Skeletterkrankungen (MSE). Arbeitspaket 4 einer Expertise im Auftrag der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zum Stand der MSE-Forschung, Oktober 2009. www.dguv.de/content/prevention/campaigns/msd/review/index.jsp

Tullar J, Brewer S, Amick BC, Irvin E, Mahood Q, Pompeii L, Wang A, Van Eerd D, Gimeno D, Evanoff B. Occupational safety and health interventions to reduce musculoskeletal symptoms in the health care sector. Journal of Occupational Rehabilitation. 2010; volume 20: pages 199-219