Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A145
DOI: 10.1055/s-0032-1323308

Prävention des fetalen Alkoholsyndroms in der Schwangerschaftsberatung

T Hoff 1
  • 1Katholische Hochschule NRW, Köln

In Deutschland werden jährlich ca. 3.000–4.000 Kinder mit alkoholbedingten Schädigungen geboren (Spohr & Steinhausen, 2008). In westlichen Ländern zählt die pränatale Alkoholexposition zu den Hauptursachen mentaler Entwicklungsverzögerungen (Daniel et al., 2010). Allen Aufklärungskampagnen zum Trotz ist das Wissen über die Folgen von Alkohol-, Tabak- und/oder Substanzenkonsum in der Schwangerschaft in vielen gesellschaftlichen Gruppen noch wenig ausgeprägt. So berichten 14% der befragten Mütter in der KIGGS-Studie, während der Schwangerschaft Alkohol konsumiert zu haben. Dabei wird grundsätzlich von einer Unterschätzung des tatsächlichen Konsums in den Befragungen aufgrund von Schuld- und Schamgefühlen ausgegangen (z.B. Siedentopf & Nagel, 2006). Zudem fehlt es häufig an konkreten Handlungsoptionen bei den schwangeren Konsumentinnen in Einrichtungen der Frühen Hilfen, der Geburtsvorsorge und -begleitung; auch innerhalb der Schwangerenberatung findet derzeit keine standardisierte Beachtung des Alkohol- und Tabakkonsums in Schwangerschaft und Stillzeit statt. Im Vortrag wird über die Ergebnisse eines vom Bundesministeriums für Gesundheit geförderten Modellprojekts berichtet, bei dem im Rahmen der Schwangerschaftsberatung und nachgeburtlichen Betreuung erstmalig ein Stepped-Care-Modell der Frühintervention implementiert werden konnte mit Einführung eines zielgruppenspezifischen Screenings für Alkohol- und Tabakkonsum in der Schwangerschaft (N=429) sowie Psychoedukation und motivierenden Kurzinterventionen zur Reduktion bzw. Abstinenz des Alkohol- und Tabakkonsums. Auf dem Hintergrund der bekannten defizitäreren Erziehungskompetenzfähigkeiten von Müttern mit substanzbezogenen Störungen wurde zudem ein FASD-spezifisches Erziehungskompetenztraining entwickelt und erprobt. Mit den Erfahrungen aus dem Pilotprojekt liegen erste Erkenntnisse über die Nutzung der Schwangerenberatung als neuer Zugangsweg zur Prävention von FAS/FASD in Deutschland vor.

Literatur: Daniel, R., Novak, A. & Radler, D. (2010). Schwangerschaft und Alkohol. Konsequenzen einer in utero-Alkoholexposition für das Kind. Sucht, 56 (3-4), 153-165.

Siedentopf, J.P., Nagel, M. (2006). Underreporting des Alkoholkonsums in der Schwangerenberatung. In: Bergmann, R.L., Spohr, H.L., Dudenhausen, J.W. (Hrsg.): Alkohol in der Schwangerschaft. Häufigkeit und Folgen. München: Urban & Vogel, 33-37.

Spohr, H. L.; Steinhausen, H. C. (2008): Fetale Alkohol-Spektrum-Störungen: Persistierende Folgen im Erwachsenenalter. Deutsches Ärzteblatt, 11: 529-534.