Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A144
DOI: 10.1055/s-0032-1323307

Sucht im Alter: Verbesserung von Zugangswegen und Frühinterventionen – Barrieren und Potenziale

T Hoff 1
  • 1Katholische Hochschule NRW, Köln

In Deutschland wird die Prävalenz des riskanten Alkoholkonsums in der Altersgruppe über 60 Jahren auf 15% geschätzt (Bühringer et al. 2000), allerdings basierend auf den WHO-Grenzwerten für das mittlere Erwachsenenalter, was aufgrund der physiologischen Alternsprozesse wahrscheinlich eine deutliche Unterschätzung der wahren Prävalenzzahlen beinhaltet (Lieb et al. 2008). Bisher kommt es aufgrund unzureichend valider alterssensibler Diagnose- und Erhebungsverfahren und auch deren seltenem Einsatz zu einer Unterschätzung der alkoholbezogenen Probleme auch in der Versorgungspraxis. Ältere Klienten mit Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit, aber auch Medikamentenabhängigkeit werden v.a. in sozialpsychiatrischen Diensten (19%), zum Teil in Senioren- bzw. Seniorenpflegeheimen (7,5%) sowie in Allgemeinkrankenhäusern und bisher nur zu einem vergleichsweise geringen Anteil in der ambulanten und stationären Suchthilfe (5 bzw. 5,2%) erreicht (Rumpf & Weyerer 2005). Während die Erreichbarkeit der betroffenen Älteren bisher als problematisch eingeschätzt wird, zeigen erfolgte Interventionen bei alkoholbezogenen Problemen bei Älteren eine positive Wirksamkeit.Im Rahmen eines Modellprojekts, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, wurde ein Frühinterventionsmodell in der Schnittstelle zwischen hausärztlicher Versorgung, gerontopsychiatrischen Angeboten und Suchthilfe in einer groß- und zwei kleinstädtischen Regionen implementiert. Dabei zeigten sich erhebliche Barrieren in der Nutzung alters- und suchtspezifischer Interventionen durch die beteiligten Hausärzte (n=30). Zur weitergehenden Analyse der Implementierungsbarrieren und -möglichkeiten wurden 60 halbstandardisierte Experteninterviews geführt und inhaltsanalytisch ausgewertet, deren Ergebnisse im Hinblick auf die unzureichende Versorgung (Erreichbarkeit, Weitervermittlung, Haltequote) älterer Patienten mit einer Alkohol- oder Medikamentenproblematik im Vortrag diskutiert werden.

Literatur: Bühringer, G., Augustin, R., Bergmann, E., Bloomfield, K., Funk, W., Junge, B., Kraus, L., Merfert-Diete,

C., Rumpf, H.-J., Simon, R. & Töppich, J. (2000). Alkoholkonsum und alkoholbezogene Störungen in Deutschland. (Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit). Baden-Baden: Nomos.

Lieb, B., Rosien, M., Bonnet, U. & Scherbaum, N. (2008). Alkoholbezogene Störungen im Alter – Aktueller Stand zu Diagnostik und Therapie. Fortschritte der Neurologie – Psychiatrie, 76, 75–85.

Rumpf, H.-J. & Weyerer, S. (2005). Sucht im Alter. Sucht Aktuell, 2, 28–33