Aktuelle Neurologie 2012; 39(06): 309-321
DOI: 10.1055/s-0032-1314871
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hypoxische Enzephalopathie (HE)[*]

Global Cerebral Hypoxia
G. F. Hamann
1   Neurologische Klinik, Dr. Horst Schmidt Klinik GmbH, Wiesbaden
,
A. Bender
2   Therapiezentrum Burgau und Klinik für Neurologie, Klinikum der Universität München
,
B. Voller
3   Medizinische Universitätsklinik Wien
,
R. Bühler
4   Neurologische Klinik, Bürgerhospital Solothurn
,
W. von Scheidt
5   Herzzentrum Augsburg-Schwaben, Klinikum Augsburg
,
H. C. Hansen
6   Kliniken für Neurologie und Psychiatrie, Friedrich-Ebert-Krankenhaus GmbH, Neumünster
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Publication Date:
28 June 2012 (online)

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Zusammenfassung

Die hypoxische Enzephalopathie (HE) erfährt aufgrund des zunehmenden Anteils älterer Menschen in der Bevölkerung und der besseren Reanimationserfolge nach Herz-Kreislauf-Stillstand eine wachsende Bedeutung. Zunehmend mehr Patienten nach kardiopulmonaler Reanimation erreichen die Klinik. Bei Herz-Kreislauf-Stillstand gelten folgende Reanimationsregeln: Der ungeübte Laie soll sich auf eine effektive Herzmassage konzentrieren, ein einheitliches Kompressions-Beatmungs Verhältnis von 30:2 wird präklinisch vom geübten Helfer bei Erwachsenen wie Kindern verwendet. Die Kompressionsfrequenz beträgt 100/min und empfohlen wird die frühe Defibrillation bei Kammertachykardie/Kammerflimmern. Wird die Klinik erreicht, sollte für die ersten 24 Stunden mit milder therapeutischer Hypothermie (TH) (32–34 °C) behandelt werden. Hiermit wird eine deutlich bessere Prognose erreicht. Ein wichtiger, neurologischer Aspekt der HE ist die Prognosestellung. Hierbei gilt: Es gibt derzeit keinen einfachen Prognosealgorithmus für Patienten, die mit TH behandelt wurden. In den ersten 24 Stunden nach Reanimation vermag keine klinische oder technische Testung zuverlässig eine schlechte Prognose vorauszusagen, speziell kein Einzelparameter. Unter den Voraussetzungen eines fehlenden Medikamenteneffekts und einer nicht durchgeführten therapeutischen Hypothermie zeigt ein posthypoxisch tiefes Koma mit bis zum Tag 3 anhaltend erloschener Lichtreaktion der Pupille und erloschenem Kornealreflex die schlechte Prognose wahrscheinlich sicher an. Der erloschene okulozephale Reflex nach 24 Stunden und ein GCS Motor-Punktwert unter 3 (d. h. ausgefallene Motorik oder Strecksynergismen) nach 72 Stunden sind weniger verlässlich. Andere klinische Zeichen, einschließlich des Myoklonus, sind ungeeignet. Der Nachweis des beidseitigen SEP Verlustes innerhalb der Tage 2–3 nach Beginn einer HE spricht unter der Bedingung ausreichender Erfahrung mit der Methode ohne TH für eine schlechte Prognose. Nach TH ist diese Sicherheit allein aufgrund des kompletten SEP-Ausfalls innerhalb von 3 Tagen nicht gegeben. Die Höhe der NSE-Werte im Serum ist mit dem Ausmaß der Hirnschädigung korreliert. Derzeit können keine sicheren oberen Grenzwerte, bis zu denen eine Erholung noch möglich ist, definiert werden. Die Zeitintervalle für die Prognosestellung nach TH müssen verlängert werden und sowohl die klinischen, wie technischen Untersuchungen mit Vorsicht gewichtet werden. In erster Linie wird auf Kongruenz der Untersuchungsergebnisse und Ausschluss von Störfaktoren (z. B. Medikationsüberhang) zu achten sein. Die Konstellation „Ausfall der Lichtreaktionen und der Kornealreflexe oder Motor GCS unter 3 kombiniert mit einem Ausfall bei der N 20 bilateral im Medianus-SSEP oder einem areaktiven EEG nach 3 Tagen weist deutlich auf eine schlechte Prognose hin. Eine überlebte Reanimation infolge Kammertachykardie/Kammerflimmern stellt nach zerebraler Restitution bei Fehlen einer selbst limitierenden Ursache eine ICD Indikation dar.

Abstract

The concept of global cerebral hypoxia and subsequent hypoxic encephalopathy (HE) has become increasingly important due to the aging population as well as the growing acceptance and use of resuscitation after cardiac arrest. Therefore, more patients reach the hospital after cardiopulmonary resuscitation (CPR). The present review summarises the current knowledge on HE. The actually valid rules for CPR are as follows: Untrained bystanders should concentrate on cardiac compression (100/min). Trained or medical personnel should use a 30:2 ratio of compression to ventilation in adults as well as children. Early defibrillation is recommended. After hospital admission, a mild therapeutic hypothermia (TH) treatment (32–34°C) is recommended for the first 24 h. TH improves the prognosis significantly. From the neurological point of view, an important part of HE is an evaluation of the prognosis. Unfortunately, there is no proven algorithm for the prognostic evaluation of patients with HE after the use of TH. No clinical or technical test is able to predict a poor prognosis within the first 24 h. Excluding sedation and hypothermia, a deep coma with loss of pupillary reaction und corneal reflexes for 3 days after HE is highly predictive of a poor prognosis. Loss of the oculocephalic reflex after 24 h or a GCS motor score under 3, i. e., no motor reaction or merely extensor posturing after 72 h, are less predictive. Validity has not been shown for other clinical signs, including myoclonus. Proven loss of SEP on both sides within 2–3 days following HE is a valid measure confirming a poor prognosis, if sufficient experience with the method has been gained by the examiner. Blood NSE values correlate with the amount of damage to brain structures. Nevertheless, no proven limits are defined up to which a relevant recovery could still be possible. Using TH leads to enlarged time intervals between HE onset and the clinical and technical evaluation of prognosis. Clinical and technical findings have to be interpreted with great caution in patients after TH. Great emphasis has to be given to the congruence of the findings, i. e., that the clinical and technical results are in accordance and interfering parameters can be fully excluded. The combination of loss of pupillary reaction and loss of corneal reflexes together with a motor GCS under 3 and a complete loss of the N20 of the medianus-SEP or an areactive EEG on day 3 after HE is a very strong indicator of a poor prognosis. After successful resuscitation with documented ventricular fibrillation the implantation of an ICD is mandatory, unless it is a rare case of a self-limiting heart disease. ·

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* Diese Übersichtsarbeit entspringt einer gemeinsamen Leitlinienarbeit der Autoren und beinhaltet Teile der Leitlinie Hypoxische Enzephalopathie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.