Dtsch Med Wochenschr 2012; 137(S 02): S33
DOI: 10.1055/s-0032-1305066
Vorwort
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Situation und Perspektiven der Forschung in den Gesundheitsfachberufen

Vorwort
G. Adler
Further Information

Publication History

15 March 2012

16 March 2012

Publication Date:
06 June 2012 (online)

Der Gesundheitsforschungsrat (GFR) hat sich Anfang 2010 mit der akademischen Entwicklung in denjenigen Gesundheitsfachberufen beschäftigt, die gegenwärtig Studiengänge anbieten und die ihren Berufsgesetzen entsprechend grundständige Studiengänge einrichten (dürfen): Das sind die Pflege, die Physiotherapie, die Ergotherapie, die Logopädie und das Hebammenwesen. Ausgangspunkt der GFR-Beratungen war zum einen, dass die wachsende Etablierung von Studiengängen in diesen Gesundheitsberufen nicht in gleichem Maße durch den Auf- und Ausbau in der Forschung begleitet wird. Zum anderen besteht die Sorge, dass mit der dominanten Verortung der Studiengänge der Gesundheitsfachberufe an Fachhochschulen und dem Mangel solcher Studiengänge an den Universitäten und medizinischen Fakultäten eine Entwicklung in Lehre und Forschung eingeleitet werden könnte, die den notwendigen wissenschaftlichen Zusammenhang der Heilberufe aufs Spiel setzt. Es ist zu befürchten, dass zwei einander fremd werdende Wissenschaftskulturen entstehen – mit der Medizin auf der einen und den Gesundheitsfachberufen auf der anderen Seite.

Der GFR hat bei seinen Beratungen im Jahr 2010 eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus den Gesundheitsfachberufen und einschlägigen medizinischen Disziplinen beauftragt, eine Analyse zur Situation und zu Perspektiven der Forschung in den Gesundheitsfachberufen zu erstellen. Die Arbeitsgruppe hat ein Konzeptpapier vorgelegt, das sowohl auf einem Workshop mit Vertretern aus den fünf Disziplinen als auch im GFR beraten wurde. Der GFR hat abschließend eine Empfehlung verabschiedet (S. 74).

Es ist zu wünschen, dass mit dem vorliegenden Konzeptpapier und den auch dadurch angestoßenen Diskussionen in den Professionen sowie durch die Beratungen im GFR der Auf- und Ausbau der Forschung in den Gesundheitsfachberufen nachhaltig gestärkt werden. Wie die Analyse zur aktuellen Forschungssituation zeigt, sind dafür u. a. auch strukturelle Verbesserungen erforderlich, die vor allem von den Hochschulträgern und den Hochschulen selber erbracht werden müssen. Daneben sind auch die Forschungsförderer aufgerufen, den Gesundheitsfachberufen angemessene Chancen in ihren Forschungsförderprogrammen einzuräumen und sie in Begutachtungsgremien zu berücksichtigen. Besondere Förderinitiativen sind dabei zur Unterstützung für den wissenschaftlichen Nachwuchs wünschenswert, weil die Hürden für Absolventen aus den Fachhochschulen besonders hoch sind. Nicht zuletzt sind Anstrengungen in den Professionen der Gesundheitsfachberufe selbst notwendig, um die Forschung voranzubringen. Hierbei bestehende Strukturnachteile und Anfangsschwierigkeiten können auch durch verstärkte Zusammenarbeit der Disziplinen untereinander und mit Bezugsdisziplinen aus medizinischen und anderen Fächern gemindert werden. Zu wünschen ist insbesondere auch, dass sich die medizinischen Fakultäten in Lehre und Forschung mehr den Gesundheitsfachberufen öffnen.

Mit dem Ausbau einer leistungsfähigen Forschung, die die bestehenden Potenziale der Gesundheitsfachberufe wissenschaftlich festigt und entsprechend den sich wandelnden gesundheitlichen Anforderungen weiterentwickelt, wird die Bedeutung der Gesundheitsfachberufe im Versorgungsgeschehen wachsen. Insbesondere in Anbetracht der demographischen Bevölkerungsentwicklung kommen den Gesundheitsfachberufen wachsende Aufgaben in der Prävention und Behandlung von Erkrankungen zu. Bei vielen chronischen Erkrankungen leisten die Gesundheitsfachberufe unverzichtbare Beiträge zur Überwindung oder Linderung von Beschwerden. Ihr Versorgungsbeitrag kann – noch mehr als das heute genutzt wird – die Selbständigkeit kranker und alter Menschen erhalten und Pflegebedürftigkeit und Bettlägerigkeit verhindern oder zumindest hinausschieben.

Diese Entwicklung wird Anlass geben, die bisherige Art und Weise der Arbeitsteilung zwischen den Heilberufen zu überdenken. Mit den wachsenden Herausforderungen, die sich aus der breiter werdenden Versorgung chronisch kranker und multimorbider Patienten ergeben, wird in besonderem Maße die Zusammenarbeit zwischen den Heilberufen einschließlich der Gesundheitsfachberufe wachsen müssen. Diese Zusammenarbeit wird nur dann dem Patientenwohl dienen, wenn sich die Heilberufe gegenseitig im Rahmen ihrer fachlichen Zuständigkeiten und Fähigkeiten anerkennen und zusammenarbeiten. Es gibt also für die Gesundheitsfachberufe viele Gründe, nun nach der Aufbauphase von Studiengängen ihre ganze Kraft auch dem Aufbau der Forschung zu widmen.

Dem BMBF ist dafür zu danken, dass es die Treffen der Arbeitsgruppe für die Gesundheitsfachberufe unterstützt hat. Ebenfalls Dank gebührt dem Projektträger Gesundheitsforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für die Betreuung der Arbeitsgruppe und die Organisation der Sitzungen und des mit Vertretern der Fächer durchgeführten Workshops.

Prof. Dr. Guido Adler
Vorsitzender des Gesundheitsforschungsrates des Bundesministeriums für Bildung und Forschung