Klin Monbl Augenheilkd 2012; 229(3): 255-256
DOI: 10.1055/s-0031-1281838
Der interessante Fall

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Beidseitige konjunktivale Manifestation eines generalisierten, multifokalen Kaposi-Sarkoms bei Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrom)

Bilateral conjunctival manifestation of a generalized Kaposi’s sarcoma in a patient with Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrome)M. Keserü, V. Knospe, A. Menz, G. Richard, H.-W. Meyer-Rüsenberg, S. Green, P. Galambos
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Publication History

Eingegangen: 19.9.2011

Angenommen: 24.10.2011

Publication Date:
21 December 2011 (online)

Kasuistik und Verlauf

Ein 13-jähriger Junge mit bekannter und humangenetisch gesicherter Ataxia Teleangiectatica (AT) wurde in der pädiatrischen Abteilung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf wegen generalisierter, zunehmender Lymphknoten- und Tonsillen-Schwellungen mit rezidivierenden fiebrigen Infekten und reduziertem Allgemeinzustand stationär behandelt. Radiologisch zeigten sich mediastinale Raumforderungen.

Eine erste augenärztlich konsiliarische Untersuchung wegen okulärer Rötung zeigte die für die AT typischen konjunktivalen Teleangiektasien [1] ohne Anzeichen für weitere behandlungsbedürftige okuläre Pathologien.

Die nächste augenärztliche Untersuchung 2 Wochen später wurde von den pädiatrischen Kollegen angefordert, nachdem sich bräunlich livide Raumforderungen zunächst im rechten unteren Fornix und kurze Zeit später auch im linken unteren Fornix zeigten ([Abb. 1]).

Abb. 1 Bilaterale konjunktivale Raumforderungen mit bräunlich livider und partiell ulzerierter Oberfläche. Mechanisch induzierter Lagophthalmus.

Der internistische Zustand des Patienten verschlechterte sich zusehends und es entstand eine progressive Dyspnoe aufgrund der mechanischen Obstruktion des Pharynx durch die Tonsillenschwellung. Daher wurde durch die HNO-ärztliche Abteilung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf eine Tonsillektomie durchgeführt. Der histologische und immunhistochemische Befund der Tonsillektomie ergab dabei den hochgradigen Verdacht auf ein Kaposi-Sarkom bei kräftiger nukleärer Positivität auf HHV-8. Auch nebenbefundliche kutane livide Veränderungen sowie die radiologischen Lungenveränderungen waren mit dieser Diagnose vereinbar.

Die konjunktivalen Raumforderungen waren im Verlauf der nächsten 4 Wochen rasch progredient bis zu einer Größe von ca. 3 cm beidseits und führten zu einem mechanisch verdrängenden Lagophthalmus, der eine intensive topische Hornhaut-Pflege inklusive Uhrglasverbänden erforderlich machte.

Leider verschlechterte sich der Allgemeinzustand weiter, der Patient wurde auf Intensivstation verlegt, musste tracheotomiert werden und wurde dauerhaft beatmungspflichtig. Auf eine kranielle Bildgebung wurde aufgrund des schlechten Zustands verzichtet.

Nachdem die okuläre Situation bedingt durch den zunehmenden Lagophthalmus kritischer wurde, entschieden wir uns zum Hornhaut-Schutz sowie zur Sicherung des Verdachts auf generalisierte, multifokale Kaposi-Sarkome zu einer diagnostischen und palliativen Abtragung der okulären Raumforderungen – auch aus kosmetischen Gründen zur Linderung der psychischen Belastung der Angehörigen vor dem Hintergrund des ohnehin kritischen Zustands des Jungen.

Die Raumforderungen wurden daraufhin in Allgemeinanästhesie in der Tiefe des Fornix R 2-reseziert. Der Wundverschluss erfolgte mit direkter Adaptation der Bindehaut ohne Plastik. Am Ende der Operation wurde eine Illig-Schale eingesetzt.

Auch die Histologie der okulären Exzidate bestätigte das bereits aus der Tonsillektomie bekannte Bild eines Kaposi-Sarkoms mit immunhistochemisch ebenfalls kräftiger nukleärer Positivität auf HHV-8 ([Abb. 2]).

Abb. 2 a Histologie, HE-Färbung. Faszikulär strukturierter mitosereicher Spindelzelltumor mit schlitzförmigen erythrozytenhaltigen Spalten. b Immunhistochemie, HHV-8. Kräftige nukleäre Positivität für HHV-8.

Die zwischenzeitlich eingeleitete palliative Chemotherapie mit pegyliertem, liposomalem Doxorubicin kombiniert mit einer antiviralen Therapie führte zu einer langsamen, aber effektiven Reduktion der Tumormassen. Die Illig-Schale wurde nach 2 Wochen entfernt. Der okuläre Befund zeigte im Verlauf über 3 Monate kein Rezidiv.

Nach zwischenzeitlicher Rückverlegung auf eine periphere Station und später in spezialisierte ambulante pädiatrische Palliativversorgung erlitt der Patient 3 Monate später einen akuten Sättigungsabfall und verstarb nach stationärer Notaufnahme im Kreise seiner Familie.

Literatur

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Dr. Matthias Keserü

Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

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