Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(15): 786
DOI: 10.1055/s-0031-1275807
Korrespondenz | Correspondence
Leserbrief
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Verminderte Clopidogrel-Wirkung durch Genfaktoren?

Do genetic factors reduce the effects of clopidogrel?R. E. Scharf1
  • 1Institut für Hämostaseologie und Transfusionsmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf
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Publication Date:
05 April 2011 (online)

Zum Beitrag aus der DMW Nr. 1/2011

Die beiden unlängst publizierten pharmakogenetischen Studien zum Einfluss genetischer Varianten auf die Wirksamkeit von Thienopyridinen (Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor) [1] [6] wurden unter der Frage „Verminderte Clopidogrel-Wirkung durch Genfaktoren?” referiert [3] und mit der Feststellung „Eine Behandlung mit Prasugrel oder Ticagrelor umgeht das Problem” kommentiert [2]. Meinertz empfiehlt, „zu Beginn einer Clopidogrel-Therapie zumindest bei Hochrisikopatienten eine genetische Testung oder einen entsprechenden Plättchenfunktionstest durchzuführen” und schlägt als „alternative und wahrscheinlich bessere” Lösung vor, „gleich eine Therapie mit Prasugrel oder Ticagrelor anstelle von Clopidogrel” einzuleiten [2] . Seine Empfehlung und Folgerung bedarf einer kritischen Erwiderung:

Die Genotypisierung von Hochrisikopatienten auf Varianten der Cytochrom-P-450 (CYP)-Isoenzyme ist heute rasch durchführbar, aber kostspielig. Weitaus problematischer stellt sich die Prüfung des pharmakologischen Hemmeffekts von Clopidogrel dar. Sowohl die ADP-induzierte Plättchenaggregation als auch die durchflusszytometrische Bestimmung des Phophorylierungszustands des Vasodilator-stimulierten Proteins (VASP-Test) zeigen unter Clopidogrel eine hohe interindividuelle Variabilität; die Ergebnisse sind daher oft schwierig zu interpretieren 5. Ein verlässliches Verfahren zum eindeutigen pharmakologischen Nachweis der Clopidogrel-induzierten Plättchenfunktionshemmung bzw. der fehlenden Blockade des thrombozytären ADP-Rezeptors P2Y12 trotz Clopidogrel-Einnahme ist derzeit für die Routinediagnostik noch nicht verfügbar 5 . Demnach wäre der Empfehlung von Meinertz durchaus zu folgen, anstelle von Clopidogrel doch gleich Prasugrel oder Ticagrelor einzusetzen, zumal Prasugrel eine stärkere Plättchenfunktionshemmung als Clopidogrel hervorruft (TRITON-TIMI 38) und Ticagrelor die Rate an kardiovaskulär bedingten Todesfällen, Herzinfarkten und Schlaganfällen im Vergleich zu Clopidogrel signifikant senkt (PLATO-Studie). Einer solchen Argumentation stehen aber folgende Einwände entgegen: Die stärkere Plättchenfunktionshemmung durch Prasugrel ist im Vergleich zu Clopidogrel mit einer signifikant höheren Rate schwerwiegender Blutungen assoziiert (TRITON-TIMI 38). Prasugrel sollte deshalb nicht bei Patienten über 75 Jahren oder bei zerebrovaskulären Ischämien in der Vorgeschichte eingesetzt werden. Gleiche Kontraindikationen werden für Ticagrelor gesehen 4. Ticagrelor besitzt (gegenüber Prasugrel und Clopidogrel) den Vorteil einer reversiblen Blockade des thrombozytären ADP-Rezeptors und führt bei stärkerer Wirksamkeit (Senkung der kardio- und zerebrovaskulär bedingten Mortalität als kombiniertem Endpunkt) im Vergleich zu Clopidogrel nicht zu einer höheren Rate schwerwiegender Blutungen (PLATO-Studie). Allerdings kann die Behandlung mit Ticagrelor Nebenwirkungen (Luftnot, Bradyarrhythmie, Hyperurikämie und Kreatininanstieg) hervorrufen, die unter Gabe von Clopidogrel oder Prasugrel bislang nicht beobachtet wurden.

So pragmatisch und zielorientiert das Vorgehen von Meinertz auch sein mag, gleich Prasugrel oder Ticagrelor anstelle von Clopidogrel bei Hochrisikopatienten einzusetzen, so wenig lässt sich sein Vorschlag generalisieren. Insbesondere bleiben die hier angeführten Einwände zu beachten.

Interessenkonflikte: keine

Literatur

  • 1 Mega J L, Close S L, Wiviott S D, Shen L, Walker J R, Simon T, Antman E M, Braunwald E, Sabatine M S. Genetic variants in ABCB1 and CYP2C19 and cardiovascular outcomes after treatment with clopidogrel and prasugrel in the TRITON-TIMI 38 trial: a pharmocogenetic analysis.  Lancet. 2010;  376 1312-1319
  • 2 Meinertz T. Eine Behandlung mit Prasugrel oder Ticagrelor umgeht das Problem.  Dtsch Med Wschr. 2011;  136 16
  • 3 Pommer P. Verminderte Clopidogrel-Wirkung durch Genfaktoren?.  Dtsch Med Wschr. 2011;  136 16
  • 4 Schömig A. Ticagrelor – is there need for a new player in the antiplatelet-therapy field?.  N Engl J Med. 2009;  361 1108-1111
  • 5 Seidel H, Rahman M M, Scharf R E. Monitoring of antiplatelet therapy – current limitations, challenges, and perspectives.  Hämostaseologie. 2011;  31 45-51
  • 6 Wallentin L, James S, Storey R F. et al. PLATO investigators . Effect of CYP2C19 and ABCB1 single nucleotide polymorphisms on outcomes of treatment with ticagrelor versus Clopidogrel for acute coronary syndromes: a genetic substudy of the PLATO trial.  Lancet. 2010;  376 1320-1328

Prof. Dr. med. Rüdiger E. Scharf,  F.A.H.A.

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Universitätsklinikum Düsseldorf

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